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SPD Lischka vermisst Profil

Nach Auffassung des sachsen-anhaltischen SPD-Landeschefs hat es seine Partei verlernt, die Menschen "emotional abzuholen".

Von Michael Bock 07.01.2019, 00:01

Volksstimme: Herr Lischka, wo steht die Landes-SPD zweieinhalb Jahre nach der desaströsen Landtagswahl in Sachsen-Anhalt?Burkhard Lischka: Die SPD ist der Stabilitätsfaktor in der Regierung. Minister und Fraktion arbeiten sehr diszipliniert und sind berechenbar. Wir haben unsere Mission bisher erfüllt. Wenn es Unruhe in der Regierungsarbeit gibt, dann liegt das nicht an uns. Die Kenia-Koalition wirkt im Übrigen längst nicht mehr so exotisch wie noch zu Beginn der Legislatur im Jahr 2016. Sie leistet solide Arbeit, meist lautlos und manchmal etwas zu unauffällig.

Dennoch hängt die SPD nach wie vor im Umfragetief. Wie ist das zu erklären?
Wir sind Weltmeister im Regieren. Ob im Land oder im Bund – wir setzen viele sozialdemokratische Forderungen durch. Denken Sie nur an die vergangenen Wochen im Bundestag: Das Gute-Kita-Gesetz ist beschlossen, wir sichern verlässlich die Rente, wir schaffen einen sozialen Arbeitsmarkt für Langzeitarbeitslose, wir entlasten Familien und Alleinerziehende. Alles auf Initiative der SPD. Jetzt kommt das Aber: Wir habe es verlernt, die Menschen auch emotional abzuholen. Wir haben bei vielen Dingen kein klares Profil mehr. Teilweise sogar in Kernfeldern der SPD wie der Sozial – oder der Friedenspolitik – etwa bei der Frage, wie wir den Sozialstaat nach Hartz IV entwickeln wollen oder welches Verhältnis wir zu Russland haben. Da brauchen wir dringend und rasch Klärungsprozesse. Sonst gewinnen wir keine neuen Wähler. Uns läuft die Zeit davon.

Dieses Jahr stehen die Europawahl an, aber auch Wahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen. Was wäre die Konsequenz eines schlechten Abschneidens der SPD?
Natürlich kann man die derzeitigen Umfragewerte mit Häme kommentieren. Aber jeder muss wissen: Je geschwächter die SPD ist, desto instabiler werden künftige Regierungen und Bündnisse. Fliehkräfte am ganz rechten und ganz linken Rand werden gestärkt. Es kommt zu Polarisierung und Spaltung. Vernünftige Regierungen im Osten werden ohne eine starke SPD kaum noch möglich sein. Und: Für mich ist diese Europawahl die wichtigste bisher. Die Wähler entscheiden, ob die Unterstützer eines starken Europas die Oberhand behalten oder die Kräfte, die Europa auf der Müllhalde der Geschichte entsorgen wollen. Auch hier gilt: Je schwächer die SPD, desto übler sieht es für Europa aus. Aber ein überzeugendes Politikangebot für den Wähler zu machen, haben wir in erster Linie selbst in der Hand.

Hält die CDU/SPD-Koalition im Bund bis zum Jahr 2021?
Darauf möchte ich keine Wette eingehen. Das hängt von vielen Faktoren ab, die die SPD nicht unmittelbar beeinflussen kann. Es ist offen, wohin sich die CDU in nächster Zeit entwickelt. Der Rückzug auf Raten von Angela Merkel ist da nur ein Aspekt. Die SPD wird im nächsten Sommer Bilanz der bisherigen Regierungsarbeit ziehen und dann entscheiden, wie es weitergeht.

Vorausgesetzt, die Große Koalition hält bis 2021. Sollte sie dann fortgesetzt werden?
Nein. Es gilt, was ich schon immer gesagt habe: Große Koalitionen schaden auf Dauer der Demokratie und stärken die politischen Ränder. Daher müssen solche Bündnisse die Ausnahme bleiben. Wir sind noch nicht da, wo ich die Partei gern auf Dauer sehen würde, aber es geht wieder aufwärts mit der Sozialdemokratie in Sachsen-Anhalt. Ich sehe daher meine Aufgabe als Landesvorsitzender als erfüllt an.

Zurück ins Land. Werden Sie Ende dieses Jahres noch einmal für den Landesvorsitz in Sachsen-Anhalt antreten?
Nein, ich möchte den Staffelstab weitergeben, das habe ich immer gesagt. Ich habe den Landesverband nach der Wahl 2016 übernommen und gemeinsam mit einem tollen Team wieder geeint.

Wer soll es denn werden?
Wir haben viele gute Leute. Ich plädiere dafür, dass es bei mehreren Kandidaten eine Mitgliederbefragung geben sollte. Das gilt auch für die Frage des Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2021.