Schwarzbuch der steuerzahler Steuerverschwendung: Diese fünf Fälle aus Sachsen-Anhalt machen sprachlos

Magdeburg - Der Bund der Steuerzahler hat am Dienstag (9. November) das jährlich erscheinende Schwarzbuch veröffentlicht. Darin sind exemplarisch Verschwendungsfälle aus der gesamten Bundesrepublik aufgelistet, darunter fünf aus Sachsen-Anhalt. So wird unser Geld laut Steuerzahlerbund verschwendet.
Fall 1: Millionenschwere Fischtreppe
2014 wurde am Dessauer Wehr eine Fischaufstiegsanlage (FAA) mit Gesamtkosten in Höhe von rund 5 Millionen Euro geplant. Schon damals meldete ein Umweltverband Bedenken an, konnte sich damit aber bei der Genehmigungsbehörde nicht durchsetzen. So wurde etwa bemängelt, dass ein Vergleich der verschiedenen FAA-Varianten fehle; auch die Frage nach der technischen Bauweise wurde aufgeworfen. So schildert der Steuerzahlerbund den Fall.
Diese Fischtreppe, die mit 7,9 Millionen Euro öffentlichen Mitteln 2017 fertiggestellt wurde, funktioniere offensichtlich nicht richtig. „Die erst jetzt bekannt gewordenen Mängel wurden schon 2019 durch gutachterliche Untersuchungen des Landesbetriebes für Hochwasserschutz festgestellt. Planungsfehler und bauliche Defizite sollen die wesentlichen Ursachen dafür sein.“
Der Steuerzahlerbund kritisiert, der eingeschränkte Nutzen sei bei einem solch millionenschweren Aufwand nicht akzeptabel: „Es ist unverständlich, warum nicht kostengünstigere Alternativen ernsthaft geprüft und umgesetzt wurden.“
Fall 2: Rieselnde Park-Sanduhren
Im November 2020 wurde im Stadtrat von Wittenberg die Idee einer Park-Sanduhr geboren. Die noch fehlende „Brötchentaste“ an den Parkscheinautomaten sollte übergangsweise durch eine Sanduhr mit einer Laufzeit von 15 Minuten ersetzt werden.
Zwei Tage nach Verkaufsstart von 2.500 Parksanduhren musste sich die Lutherstadt Wittenberg bei den Betroffenen für den damit verbundenen Aufwand entschuldigen. Die Sanduhren, die die Stadt für fast 11.000 Euroerworben hatte, funktionierten nicht einwandfrei und mussten repariert werden. Bereits verkaufte Uhren wurden zurückgenommen und eine Prüfung aller gelieferten Sanduhren veranlasst. Das Eingeständnis der Stadt lautete: „Mit über fünf Minuten weniger weicht die Ablaufzeit der meisten Sanduhren außerordentlich stark von den angedachten 15 Minuten ab.“
Ob der angestrebte vollständige Verkauf der Park-Sanduhren gelingt und damit wenigstens der Kaufpreisrefinanziert werden kann, ist laut Steuerzahlerbund noch offen.
Fall 3: Kein glückliches Lotto-Ende
Wegen Versäumnissen insbesondere bei der Unternehmensführung wurde die Geschäftsführung der Lotto-Toto GmbH im Juli 2020, zunächst unter Fortzahlung der Vergütung, freigestellt. Ein Landtags-Untersuchungsausschuss nannte als Hauptproblem eine Unternehmensführung, „deren Verselbständigung, Risikobereitschaft und übertriebene Umsatzorientierung mit dem öffentlichen Regulierungsauftrag einer staatlichen Lottogesellschaft nicht vollständig vereinbar“ war.
Im September 2020 wurde die Geschäftsführung abberufen und die Gehaltszahlungen eingestellt, obwohl der Fünfjahresvertrag der Geschäftsführerin noch eine Laufzeit bis 2022 hatte. So klagte die Geschäftsführerin gegen ihren Rauswurf. Dem Land entstanden letztlich erhebliche Zahlungen für das ihr entgangene Gehalt aus der restlichen Laufzeit ihres Vertrags. Die Abfindungs-Gesamtforderungen sollen sich laut Steuerzahlerbund auf bis zu 260.000 Euro belaufen.
Der Rauswurf der Lotto-Toto-Geschäftsführung wegen mangelnder Unternehmensführung mag noch nachvollziehbar sein, urteilt der Steurzahlerbund. Aber: „Die juristischen Fehleinschätzungen im Zusammenhang mit der Kündigung und die daraus resultierenden erheblichen Nachzahlungen an ehemalige Geschäftsführer sind ungeheuerlich und nicht akzeptabel. Der finanzielle Verlust für die 100-prozentige Landesgesellschaft und damit für das Land wiegt schwer, weil Zahlungen ohne Gegenleistungen erfolgen und erhebliche Beträge für Gerichte, Anwälte und sonstige Kosten dazukommen.“
Fall 4: Luca-App mit zweifelhaftem Nutzen
Für die neue mobile Luca-App hat das Land im Frühjahr 2021 rund 1 Million Euro bereitgestellt. Die App soll unter anderem die Erfassung, Speicherung und Nachverfolgung von Infektionsketten des Corona-Virus durch die Gesundheitsämter ermöglichen.
Doch derzeit wird die Luca-App laut Steuerzahlerbund zur Kontaktverfolgung in den Gesundheitsämtern nur wenig genutzt. Es hake an verschiedenen Stellen: Zum einen bestünden in einzelnen Gesundheitsämtern Bedenken hinsichtlich der präzisen Nutzung, da die Kontaktdaten zum Beispiel im Restaurant häufig nicht tischweise und damit nicht präzise genug erfasst würden.
Fazit des Steuerzahlerbundes: „Die Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Beschaffung der Luca-App überwiegen gegenüber dem Nutzen. Die vom zuständigen Landesministerium genannten Argumente eines angeblichen Alleinstellungmerkmals dieser App und die behauptete Dringlichkeit reichen bei dem bekannten Akzeptanzproblem nicht aus. Es bleibt der Eindruck, dass öffentliche Mittel übereilt vergeben und unnötige Vorauszahlungen geleistet wurden.“
Fall 5: Unnötiger Ersatzneubau einer Brücke auf der B107
Zwischen Gräfenhainichen und Jüdenberg wird auf der Bundesstraße 107 seit Oktober 2020 eine Brücke als Ersatzneubau errichtet. Die Baukosten dafür belaufen sich dem Steuerzahlerbund zufolge voraussichtlich auf 1,5 Mio. Euro brutto; hinzu kommen rund 250.000 Euro für Planung, Bauüberwachung und Kontrollprüfungen sowie Artenschutzmaßnahmen und Ausgleichsmaßnahmen.
Steuerzahler würden sich wundern, weshalb die Brücke für die B 107 über die Gleise zum Museums- und Veranstaltungsort „Ferropolis“ abgerissen und durch eine neue ersetzt wurde, denn: „Die Gleise der ehemaligen Grubenbahn enden in „Ferropolis“ und werden, wenn überhaupt, nur wenige Tage im Jahr benutzt.“ Dafür extra wieder eine Brücke als Überführung der Gleise zu errichten, erscheine „unnötig und übertrieben. Ein ganz normaler unbeschrankter Bahnübergang mit Andreaskreuz hätte es auch getan.“