1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Strafanzeige gegen Haseloff wirft viele Fragen auf

Vorwürfe gegen Ministerpräsidenten bleiben nebulös / Politischer Schaden ist groß Strafanzeige gegen Haseloff wirft viele Fragen auf

Von Michael Bock 17.07.2013, 03:12

Magdeburg l Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) wird angelastet, in einem Untersuchungsausschuss des Landtags uneidlich falsch ausgesagt zu haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Doch wie belastbar sind die Vorwürfe tatsächlich?

Vorigen Freitag wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Magdeburg gegen Haseloff ermittelt. Seitdem ist der Ministerpräsident in den Schlagzeilen - bundesweit. Was aber genau wird ihm vorgeworfen?

Die Staatsanwaltschaft hüllt sich in tiefes Schweigen. Auch der Landtagsabgeordnete Harry Czeke (Linke), der mit einer Strafanzeige den Stein ins Rollen gebracht hat, zeigt sich erstaunlich wortkarg. Eine dürre Pressemitteilung wirft viele Fragen auf und gibt kaum Antworten. Und die Linke-Fraktionsspitze reagiert auffallend defensiv.

Czeke ist für Nachfragen nicht erreichbar. Er macht Urlaub in den Alpen, das Handy ist ausgeschaltet.

Im Kern dreht sich alles um eine Aussage von Haseloff am 4. Juni 2010 im parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Das Gremium befasste sich zwischen 2008 und 2010 mit dem Müllskandal in den Tongruben Vehlitz und Möckern (beide Jerichower Land). Im Ausschuss sagte der damalige Wirtschaftsminister Haseloff, er habe von den Vorgängen erstmals Anfang März 2008 erfahren - durch einen Anruf von Landrat Lothar Finzelberg (parteilos, Jerichower Land).

Wusste Haseloff schon früher Bescheid?

Harry Czeke will "Anhaltspunkte" dafür haben, dass Haseloff bereits früher Bescheid wusste - und somit im Ausschuss falsch ausgesagt haben soll. Allerdings: Nach Volksstimme-Informationen stützt sich Czeke offenbar allein auf eine in einem Gerichtsverfahren getätigte Aussage von Landrat Finzelberg. Dieser soll vor dem Amtsgericht Burg erklärt haben, dass Haseloff bereits am 14. Dezember 2007 über die Müllaffäre informiert worden sei. An jenem Tag hatte das Landesverwaltungsamt Landräte und Oberbürgermeister zu einer Konferenz nach Bernburg eingeladen. Auf der Teilnehmerliste stand auch Minister Haseloff. Bei dieser Sitzung will Finzelberg auf den Müllskandal hingewiesen haben.

Präsident des Landesverwaltungsamtes war damals Thomas Leimbach (CDU). Ein Mann, der nicht unbedingt als Haseloff-Freund gilt. Gestern sagte der Jurist, an Ausführungen Finzelbergs an diesem 14. Dezember zur heiklen Lage in den Tongruben könne er sich nicht erinnern: "Ich halte es für verwegen zu behaupten, dass der damalige Wirtschaftsminister irgendeine Einlassung bei der Konferenz zum Anlass hätte nehmen müssen, unmittelbar tätig zu werden." Auch ihm, Leimbach, sei erst im März 2008 die Tragweite der Müllaffäre bewusst geworden. Kurzum: "Das ist Wahlkampfgetöse."

Die Beweislage ist ziemlich dürftig

Pikanterweise wurde der mutmaßliche Kronzeuge Finzelberg im Dezember 2012 vom Amtsgericht Burg zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten auf Bewährung verurteilt - ausgerechnet wegen uneidlicher Falschaussage im Müll-Untersuchungsausschuss des Landtags.

Finzelberg geht gegen das Urteil vor. Die Berufungsverhandlung am Landgericht Stendal beginnt am 7. August. Derzeit ist der Landrat im Urlaub. Er war gestern nicht erreichbar.

Sollte die Anzeige tatsächlich nur auf einer möglichen Aussage Finzelbergs vor dem Amtsgericht Burg beruhen, wäre die Beweislage wohl ziemlich dürftig. Zudem wirft der Zeitpunkt der Strafanzeige Fragen auf. Schon vor zweieinhalb Jahren hat der Untersuchungsausschuss seine Arbeit beendet. Und das Amtsgericht Burg hat bereits vor mehr als sechs Monaten sein Urteil gesprochen. Warum also erst jetzt?

Die Vorwürfe bleiben recht nebulös, doch der politische Schaden für Haseloff ist schon jetzt enorm. Alle überregionalen Zeitungen berichten über die Aufhebung seiner Immunität. Die Tageszeitung "Die Welt" legt ihm sogar indirekt den Rücktritt nahe. Und FDP-Landeschefin Cornelia Pieper rät ihm, für die Zeit der "lückenlosen Aufklärung" das Amt ruhen zu lassen.

Haseloff hat inzwischen einen Anwalt eingeschaltet. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass das Verfahren "mehrere Monate" dauern wird.