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Streusalz Weißes Gold im Minutentakt aus Bernburg

Winterliche Temperaturen sorgen für rutschige Straßen. Der Bernburger Salzbergbau versorgt den Winterdienst Sachsen-Anhalts mit Streugut.

28.01.2019, 23:01

Bernburg (dpa) l Wenn Heino Strauß bei frostigen Temperaturen morgens ab drei Uhr unterwegs ist, ist das Salz eines seiner wichtigsten Begleiter. Etwa vier Tonnen hat er in seinem orangefarbenen Fahrzeug. Mit Knöpfen und einem Joystick kann Strauß dosieren, wie viel Material auf die Straße fällt. Der 46-Jährige arbeitet für den Magdeburger Winterdienst und hält die Straßen der Landeshauptstadt eis- und schneefrei. Per Videokamera beobachtet er vom Steuer aus den Drehteller am Heck seines Winterdienstfahrzeugs. Salz wirbelt auf die Straße.

Eine knappe Autostunde entfernt lagern riesige Mengen des rund 250 Millionen Jahre alten Salzes tief unter der Erde. 80 Meter ragt der Förderturm mit dem Schriftzug „Bernburger Salz“ in den Himmel. Das Gebäude ist menschenleer. Ganz oben unter dem Dach steht die Fördermaschine. An je vier Stahlseilen befestigt befördern zwei riesige Stahlgefäße mit einer Geschwindigkeit von 12 Metern in der Sekunde das Salz aus 600 Metern Tiefe. Bewacht von einem Kameraauge kippen sie automatisch abwechselnd alle zwei Minuten rund 20 Tonnen Salz aus. Ein leises Surren wird lauter bis zum Geräusch des herauskippenden Salzes.

Bernburg war das erste und einzige Salzwerk der DDR. Nach der Wende wurde es von der K+S Gruppe übernommen, dem nach eigenen Angaben weltweit größten Anbieter von Salzprodukten. Das Werk gehört zum K+S-Auftausalz-Unternehmen esco, der European Salt Company. Die hat drei deutsche Standorte: neben Bernburg noch Borth in Nordrhein-Westfalen und Grasleben bei Helmstedt in Niedersachsen. „Das Salz in Bernburg hat eine außergewöhnlich hohe Reinheit“, sagt Ulrich Göbel, Unternehmenssprecher von K+S. Es sei so rein, dass es als Lebensmittelsalz verwendet werden könne. Die Produktionskapazität liege bei drei Millionen Tonnen, bis zu zwei Drittel sind Auftausalz. Über lange Förderbänder wird das Gemisch aus größeren Brocken und feinen Körnchen in die Salzmühle transportiert. Dort ist der Lärm ohrenbetäubend – Menschen arbeiten auch hier nicht, alles läuft automatisch. Über mehrere Etagen wird das weiße Gold durch vibrierende Siebe gerüttelt. Salzgeschmack liegt in der Luft. Der Boden, Treppen, Steuerknöpfe sind überzogen vom feinen Weiß, das optisch manchmal auch als Eis durchgehen könnte.

Es entstehen Salzkörner in unterschiedlichen Größen von grob bis fein. Die besonders kleinen Körner wirken – wenn sie Arbeiter wie Heino Strauß auf die Straßen bringen – sofort. Die groben entfalten ihre Wirkung später.

In Bernburg spielt das Streusalz das ganze Jahr über eine Rolle. „Wenn der letzte Schnee getaut ist, bestellen die ersten Straßenbetriebe schon nach“, berichtet Ulrich Göbel. „Frühbezugsgeschäft“ lautet sein Wort dafür – je früher die Kunden bestellen, umso besser die Konditionen. Für das Unternehmen ist es eine Strategie gegen das Stoßgeschäft und für mehr Kontinuität. Ab August werden die Lager gefüllt.

Die Stadt Magdeburg ordert nach eigenen Angaben grundsätzlich im Sommer. Andreas Stegemann, Chef von Stadtreinigung und Winterdienst, sagt: „2300 Tonnen Salz haben wir vor der Wintersaison im Vorrat“. Im vergangenen Winter seien 1100 Tonnen benötigt worden, im Extrem-Winter 2010 mehr als 5000 Tonnen. Laut dem Verkehrsministerium haben die Autobahn- und Straßenmeistereien in Sachsen-Anhalt rund 28 000 Tonnen Streusalz und knapp 1800 Tonnen Sole in Hallen und Silos gelagert.

Das Salzunternehmen esco beliefert im Inland vor allem nördlich des Mains und im Ausland angrenzende Nachbarländer sowie Skandinavien und das Baltikum. Rund die Hälfte des Auftausalzes gehen an Landesbetriebe, rund 30 Prozent an Städte, Gemeinden und Landkreise. Private Winterdienste sowie der Groß- und Einzelhandel machten je zehn Prozent aus. Der jährliche Absatz schwankt je nach Witterung, seit 2012 zwischen 1,5 und 4 Millionen Tonnen. Besonders viel Salz wird verbraucht, wenn die Temperaturen nachts unter null Grad sinken und tagsüber darüber liegen.

Unternehmenssprecher Göbel berichtet von einem Trend hin zu stetig geringeren Lagerkapazitäten bei den Kunden. Man spare Platz und damit Kosten. Im Gegenzug habe esco seine Lagermöglichkeiten in den vergangenen fünf Jahren verdreifacht auf rund eine Million Tonnen, wie Göbel sagt.

Drei riesige Speicher, über 100 Meter lang und 31 Meter breit, stehen auf dem Gelände des Salzwerks in Bernburg. 25 000 Tonnen Lagerkapazität hat jede von ihnen, sagt Göbel. In einer staubt es so sehr, dass man die Hand vor Augen kaum sieht. In einer anderen fährt ein einziges Fahrzeug auf seiner Schaufel Salz auf ein Förderband für die Weiterverarbeitung. Über Tage ahnt man kaum, dass in diesem Salzwerk 500 Menschen arbeiten.

Nur wenige Meter entfernt rollen fast im Minutentakt Lastwagen heran, parken, werden beladen und bringen das Salz zu den Kunden. An manchen Tagen bilden sich lange Warteschlangen. Auf Gleisen warten Güterzüge auf die Beladung. Etwa 12 000 Tonnen am Tag kommen laut Göbel aus dem Schacht – 8 bis 10 Güterzüge entspreche das.

Unterdessen wartet der Magdeburger Winterdienstler Heino Strauß noch auf die ganz großen Wintereinsätze mit viel Schnee oder starker Eisglätte. Bislang war er nur an wenigen Tagen zum Streudienst im Einsatz. „Normalerweise beginnt das Geschäft schon im Dezember“, sagt Strauß. In diesem Winter sei es bislang aber vor allem bei Kontrollfahrten geblieben. Bereit hält er sich auf jeden Fall.