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Bundesweit einzigartig: Nachwuchs der Otto-von-Guericke-Universität erarbeitet zwei Kapitel eines regionalen Schulgeschichtsbuches für Sekundarschüler Studenten schreiben mit der "Reise in die Vergangenheit" Geschichte

Von Andreas Stein 25.06.2011, 06:31

Magdeburg. Wer schreibt eigentlich Schulbücher? Gute Frage! Eigentlich verpflichten die Schulbuchverlage nur erfahrene Lehrer, Wissenschaftler und Didaktiker als Autoren, die im engen Korsett von Lehrplänen und Formatvorlagen die Welt erklären müssen. Der Westermann-Verlag in Braunschweig ging nun ein bundesweit einmaliges Wagnis ein und engagierte Geschichtsstudenten der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg für zwei Kapitel der "Reise in die Vergangenheit" als Autoren. Das Buch ist für Sekundarschüler der 9. und 10. Klasse gedacht.

"Eigentlich hat die Kooperation mit dem Verlag bereits vor zwei Jahren begonnen", erklärt Uwe Lagatz, der gemeinsam mit Kollegin Steffi Kaltenborn das Projekt betreut. Damals schrieben Studenten im Rahmen von Praktika einzelne Seiten für das Geschichtsbuch "Anno 3". Neu aufgelegt wurde die Kooperation, als das Kultusministerium vor drei Jahren begann, sogenannte kompetenzorientierte Lehrpläne für die Sekundarschule zu testen. "Was kann der Schüler hinterher?", ist seitdem die Frage, an der die Schulbücher gemessen werden – das stumpfe Eintrichtern von Wissen ist passé. "Wir haben gleich gesehen: Das wird nicht nur eine schnelle Überarbeitung unserer Lehrbücher für Sachsen-Anhalt, wir müssen sie völlig neu konzipieren", erinnert sich Jörg Musiol, Redakteur beim Westermann-Verlag.

Da kam die Anfrage der Uni gerade recht. Der Verlag erteilte dem hiesigen Institut für Geschichte den Auftrag, zwei komplette Kapitel zu erarbeiten – und nicht irgendwelche, sondern die Abschnitte der für die neuen Lehrpläne essentiellen Methodenpraktika "Zeitgeschichte im digitalen Medium" und "Zeitgeschichte in einer Ausstellung". Ein hohes Risiko für den Verlag, denn die Konkurrenz hatte ihre Bücher bereits veröffentlicht. "Wir hegten große Erwartungen an die Verkaufszahlen, weil die Buchreihe nur auf Sachsen-Anhalt zugeschnitten ist und viele lokale Bezüge enthält", erklärt Bernd Kamrad, Vertriebsmitarbeiter. 25 Bachelor- und Lehramts-Studenten gingen im Sommersemester 2010 in je drei Gruppen daran, Konzepte für die Kapitel zu erarbeiten.

"Von Anfang an war klar: Nur die Besten schaffen es ins Buch", sagt Uwe Lagatz. So entstand eine "anreizende Wettbewerbssituation". "Die Konkurrenz im Seminar war nicht ohne", denkt auch Absolventin Sabrina Genetzke zurück. Angehende Historiker und Lehrer stritten miteinander, wie man den komplizierten Stoff so einfach wie möglich aufschreibt. Kompromisse waren gefragt – nicht nur beim Inhalt, auch beim Schreibstil. Uwe Lagatz und Steffi Kaltenborn kürten am Ende die Siegergruppen, die ihre Konzepte dann in die Formatvorlage des Verlages hineinschrieben und gestalteten. "Wir hätten nie gedacht, wie viel Arbeit in einem Schulbuch steckt", sagt Anja Nulsch. Aufs Wort genau mussten sie und ihre Kommilitoninnen Nadine Arndt, Carolin Tilch, Julia Berretz und Sarah Knoth die Vorlage ausfüllen und tauchten dafür tief in die Landesgeschichte ein.

Bis Mai dieses Jahres tüftelten sie, bis auch die begleitenden Arbeitshefte fertig waren – eine Anstrengung, die weit über normale Studienleistungen hinausging. Entsprechend stolz ist Uwe Lagatz auf die druckfrischen Bücher, die nun in die Schulen des Landes verschickt werden. "Am Ende haben alle Beteiligten gewonnen", findet er. Denn das Institut bemüht sich, den Nachwuchs durch praktische Arbeit aus dem akademischen Elfenbeinturm herauszuholen. Diese Kooperation, da sind sich Uni und Verlag einig, war deshalb sicher nicht die letzte.