Jüdisches Leben Synagogen im Spannungsfeld
Wie Antisemitismus zu begegnen ist, erörterten Vertreter Sachsen-Anhalts und Schleswig-Holsteins in Magdeburg. Ziel sind Sichtbarkeit und Sicherheit jüdischer Mitbürger.

Magdeburg - Nach dem Hamas-Terror gegen Israel am 7. Oktober 2023 hat es in Deutschland mehr als 2.200 antisemitisch motivierte Straftaten gegeben. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr davor waren es rund 2.600. Gleichzeitig wurden in Magdeburg und Dessau-Roßlau neue Synagogen eingeweiht.
In diesem Spannungsfeld bewegt sich jüdisches Leben in Deutschland. Dieses zu stärken, haben sich die Landesregierungen Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein zur programmatischen Aufgabe gemacht. Karin Prien (CDU), Kultusministerin in Kiel, erläuterte bei einem Forum in der Magdeburger Staatskanzlei, wie das im Norden angegangen wird.
Jede Schule gefordert
Ziemlich energisch nämlich: Alle Schulen in Schleswig-Holstein, so Prien, müssen ein Präventionskonzept gegen Antisemitismus vorlegen. Dafür verbreitert sich das Betätigungsfeld im Norden: In Lübeck wird eine historische Synagoge saniert, in Kiel werden zwei neue jüdische Bethäuser errichtet.
Sowohl Sichtbarkeit als auch Sicherheit jüdischen Lebens müsse das Ziel sein, sagt die Ministerin – ein schwieriges Unterfangen: „Ohne die Zivilgesellschaft funktioniert es nicht.“
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) bekennt, dass ihm nach dem Attentat auf die Synagoge in Halle vor gut vier Jahren klar geworden sei, „dass wir ganz anders handeln müssen als bisher.“ Das Existenzrecht Israels müsse Bestandteil aller Strategie sein.
Haseloff weist darauf hin, dass in Sachsen-Anhalt bis zur Aufnahme jüdischer Zuwanderer aus der Ex-Sowjetunion in den 1990er Jahren über Jahrzehnte kein nennenswertes jüdisches Leben existierte. Im Land gebe es „keine homogen gewachsenen Gemeinschaften.“ Unter diesen Flüchtlingen gebe es soziale Härtefälle, die nicht vernünftig gelöst werden könnten.
Landesrabbiner Daniel Fabian betont, dass der gestiegene Antisemitismus nach dem 7. Oktober eine große Unsicherheit bei den jüdischen Menschen schaffe. Sie fragten: Was wäre, wenn alle Stricke reißen? Wohin sollten sie gehen? „Das Sicherheitsbedürfnis ist ein Grundbedürfnis.“
Deswegen, da stimmt das Podium überein, dürfe bei allem Schutz der Synagogen die Offenheit nicht verloren gehen. Minderheiten müssten in Freiheit leben können, sagt Haseloff, „das ist eine Nagelprobe für die freiheitlich-demokratische Grundordnung.“
Mittel im Kampf gegen Judenfeindlichkeit sieht die schleswig-holsteinische Kultusministerin im interkulturellen Dialog oder dem klaren Bekenntnis zu Israel – siehe der Staatsräson-Terminus von Ex-Kanzlerin Angela Merkel: „Es ist richtig, dass der Antisemitismus in den Landesverfassungen steht.“ Prien hält es auch für notwendig, sich „mit muslimischen Verbänden zu verständigen“.
Hetze im Internet
Antisemitismus wird seit ewigen Zeiten durch Hass und Hetze verbreitet. Heute auch jeden Tag im Internet. Politiker stehen der unheimlichen Macht der sozialen Medien eher hilflos gegenüber. Ministerin Prien nennt hier insbesondere den Jugend-Favoriten Tik-Tok. Sie bleibt im Ungefähren und spricht von erforderlicher Gegenwehr.
Eine konkrete Forderung hat Haseloff noch: Lessings Stück „Nathan der Weise“, das für die Gleichberechtigung der Religionen plädiert, müsse im Lehrplan von Sekundarschule und Gymnasium einen festen Platz behalten. Kultusministerin Eva Feußner (CDU), in der ersten Saalreihe sitzend, wird gut zugehört haben.
Max Privorozki, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Halle, stellt der Politik auf allen Ebenen in Sachsen-Anhalt ein durchaus gutes Zeugnis aus: „An uns wird immer gedacht.“