Tag des Bieres Weniger Durst, mehr Geschmack
Der Bierdurst der Deutschen geht zwar zurück, doch der Biermarkt wird wieder bunter. Auch in Sachsen-Anhalt gibt es neue kleine Brauereien.
Magdeburg l Eine gute Nachricht am heutigen Tag des Bieres: Nach Jahren der Konzentration gingen allein im letzten Jahr in Deutschland wieder 82 neue Betriebe in an den Start. Mittlerweile sind es bundesweit fast 1500. Doch trotz der vielen Sorten und Etiketten: Im Geschmack sind sich viele ähnlich. Das hat Gründe: Kundschaft und Handel verlangen Konstanz. Zudem müssen die Biere monatelang haltbar sein, selbst bei größter Bullenhitze. Und das Ganze bitte noch zum Supersparpeis. Das engt den Biermacher in den Großbetrieben ein. Etliche Brauer und Gasthäuser stemmen sich gegen das Einerlei. Sie setzen auf handwerklich gemachtes Bier, auf eine eigene, regionale Note. Craft-Bier heißt der Stoff auf Neudeutsch.
In Berlin gibt es schon 50 solcher Mini-Brauereien. Auch in Sachsen-Anhalt tut sich was. In Magdeburg etwa legten voriges Jahr das „Sudenburger Brauhaus“ und das „Brauhaus Brewckau“ los. Neben dem Platzhirsch Hasseröder gibt es mittlerweile 24 kleine Brauereien im Bundesland. Insgesamt 12 mehr als vor 20 Jahren. „Die Kleinen bringen frischen Wind rein“, sagt Olaf Hendel von der Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin. Klar: Craft-Biere sind ein Nischenprodukt, haben vielleicht 0,5 Prozent Marktanteil. „Doch vor allem beim jungen, städtischen Publikum kommen die neuen Kreationen gut an.“ Doch nicht nur da.
In Tangermünde haben sich Armin und Christian Schulz entschieden, dass in ihrem Hotel und Gasthof „Alte Brauerei“ nur noch Hausgemachtes in die Gläser kommt. So, wie einst vor 100 Jahren. „In Tangermünde gab es mal 80 Brauereien; doch schon in den 1890er Jahren ging das Sterben los“, erzählt Armin Schulz. Die teure Kühltechnik überforderte viele Brauer. Vater und Sohn Schulz stöberten in Rheinland-Pfalz gebrauchte Brautechnik auf, nahmen eine halbe Million Euro in die Hand – und lassen nun wieder vor Ort Bier brauen.
Das erledigt Christian Königs. Dass Durstige gern auch mal handgemachte Biere zischen, auch wenn sie meist doppelt so teuer sind, gefällt nicht nur Gastronomen. Es sind auch gute Zeiten für den gelernten Brauer und Mälzer. Seit 1993 macht Christian Königs Craft-Biere. Seit 2015 ist er selbständig und braut in verschiedenen Häusern. So im Gasthof Wasserburg Gommern. Und seit November auch in Tangermünde.
Die industrielle Produktion hat ihn nie gereizt. „Ich will die Rohstoffe anfassen, schmecken, riechen.“ Bei Selbstgemachten kann er Geschmack, Farbe, Stammwürze und Alkoholgehalt selbst steuern. Eiserne Regel ist lediglich das deutsche Reinheitsgebot (Hopfen, Malz, Wasser, Hefe). Vom milden Hell, über ein kräftiger gehopftes Pils bis zum zitrus-spritzigen Obergärigen: alles ist drin. Die auf Etiketten angegebenen Aromen sind keine Marketing-Lyrik: Sie sind wirklich zu schmecken. Ein „Indian Pale“ hat wirklich eine Grapefruit-Note. Obwohl da kein Tropfen Saft reinkommt. Aber es gibt zig Hopfensorten und Methoden, um einen bestimmten Geschmack ins Bier zu zaubern. Der fruchtige Durstlöscher wird nicht jedermanns Sache sein. Pils ist und bleibt mit 53 Prozent Marktanteil der Renner. Hinzu kommt ein Trend zum Hell, das seinen Anteil seit 2003 verdoppelt hat. Königs macht und kann auch die Klassiker: Helles, Pils, Weizen oder Bock.
An den Klassikern zeigt sich, was der Brauer auf Lager hat, sagen Experten. „Mit viel Aroma-Hopfen kann fast jeder ein Bier machen; beim wenig gehopften Hell zeigt sich, wer ein Meister ist“, erklärt Hendel von der Versuchsanstalt. Schon kleinste Braufehler wirken sich da böse aus. „Das schmeckt dann ganz schnell scheußlich.“
Königs‘ Craft-Bier ist anders. In vielerlei Hinsicht. Es ist meist trüb. Alle Geschmacksträger bleiben drin. Und: Es ist nicht monatelang haltbar. Craft-Bier kommt nicht mit Stabilisatoren in Berührung. „Einen Monat im Kühlschrank können wir zusichern - mehr nicht.“