Angeklagter am zweiten Prozesstag um schweres Zugunglück von Hordorf von Fahrdienstleiter belastet: Zug hätte warten müssen Telefonierte Güterzug-Lokführer während der Unglücksfahrt?
Magdeburg l Am zweiten Prozesstag am Magdeburger Landgericht um das Zugunglück von Hordorf im Bördekreis am 29. Januar 2011 ist gestern der angeklagte Lokführer belastet worden. Nach Angaben von Zeugen herrschte am Unglücksabend eine Sichtweite von 30 bis 200 Metern. Damit hätte der Lokführer die zwei Haltesignale vor dem Bahnhof Hordorf sehen müssen.
Bei dem schweren Zugzusammenstoß waren zehn Menschen gestorben. Dem angeklagten Güterzuglokführer Titus S. wird fahrlässige Tötung vorgeworfen.
Der Angeklagte schweigt zu Details. Auch deshalb bleibt die Frage rätselhaft, warum er die Haltesignale ignoriert hat. War er unaufmerksam oder abgelenkt, wie Nebenklage-Vertreter Jens Kownatzki vermutet? Der Anwalt warf die Frage in den Raum, ob der Angeklagte während der Zugfahrt einen DVD-Film angeschaut habe. Oder ob er mit seinem privaten Handy im Internet gesurft oder telefoniert habe. Es gebe Unterlagen, die belegen, dass der Angeklagte an dem fraglichen Tag telefoniert hat.
Verteidiger Dietmar Weitzel widersprach vehement: "Es handelt sich nach Angaben des Telefon-Providers um eine zeitversetzte Aufzeichnung. Das ist alles ausermittelt."
Selbst Staatsanwältin Martina Klein bezeichnete die Einschätzung der Nebenklage als abwegig.
Kownatzki aber merkte zudem an, dass der Angeklagte im Oktober 2005 "wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs" zu einer Geldstrafe verurteilt wurde. Johannes D., Betriebsleiter der Güterbahn VPS, bei der Titus S. arbeitet, sagte, dies sei ihm nicht bekannt gewesen. Und wenn, hätte es für den Einsatz von Titus S. keine Rolle gespielt.
Im Zeugenstand hatte der Hordorfer Fahrdienstleiter geschildert, wie er am Unglücksabend die herannahenden Züge von seinen Nachbarstellwerken gemeldet bekam, wie er die Weichen und Signale für den HEX-Zug einstellte. "Es war neblig, vielleicht 150 bis 200 Meter Sicht. Plötzlich hörte ich aus Richtung Groß Quenstedt den herannahenden Güterzug und dachte, das kann doch nicht sein!" Per Zugfunk habe er ein Nothalt-Befehl an beide Lokführer gesandt. "Da fuhr der Güterzug schon an mir vorbei. Kurz darauf knallte es."
Mit Spannung wird demnächst die Aussage eines Zeugen erwartet, der gesehen haben will, dass der Angeklagte vor dem Zusammenstoß vorschriftswidrig auf der zweiten der beiden Zugloks gefahren sei. Der Prozess wird heute fortgesetzt.