Prozess am Landgericht Magdeburg Totschlag oder Mord? Mann aus der Börde wegen tödlicher Messerstiche vor Gericht
Ein 36-Jähriger aus der Börde muss sich am Landgericht Magdeburg verantworten. Marcel W. soll in Klein Wanzleben einen Trinkkumpanen erstochen haben.

Magdeburg - Eines steht schon nach dem ersten Prozesstag bei dem sich alles um tödliche Messerstiche dreht, fest: Es ist eine Tat im Trinker- und Kiffermilieu. Wesentlich spannender steht jedoch die Antwort auf die Frage im Raum: War es Totschlag oder doch Mord?
Totschlag oder Mord? Prozess am Landgericht Magdeburg
Die Staatsanwaltschaft hatte nach den Ermittlungen das Mordmotiv „Heimtücke“ ausgemacht, weil der Angeklagte angeblich hinter seinem sitzenden Opfer stand und es so mit der Attacke überrascht haben soll.
Doch die 1. Große Strafkammer hat vorerst den Prozess mit dem Vorwurf: Totschlag begonnen. Der Vorsitzende Dirk Sternberg machte allerdings gleich zu Verhandlungsbeginn klar, dass es auch auf „Mord“ hinauslaufen könnte.
Streit bei Party in Klein-Wanzleben: Opfer erleidet sechs Messerstiche in den Rücken
Staatsanwalt Uwe Hornburg schilderte in seiner Anklage den Fall so, dass W. am 24. März dieses Jahres in Klein Wanzleben gegen 18.40 Uhr in der Wohnung eines Bekannten, in dem sich drei weitere Männer befanden, zum Küchenmesser gegriffen habe.
„Der Angeklagte hatte bereit in der Nacht zuvor und auch am Folgetag erheblich getrunken und war stark alkoholisiert“ – zur Tatzeit zwischen 2,2 und 2,5 Promille. In der Wohnung seien drei weitere Männer anwesend gewesen, darunter auch das später Opfer – ein 42 Jahre alter Klein-Wanzleber.
Es sei zu verbalen Streitereien zwischen W. und B. gekommen. Die Wogen hätten sich jedoch wieder geglättet. „Das spätere Opfer B. saß auf der Couch, als der Angeklagte nach einem Messer griff, mit dem er sich gerade eine Brot oder Brötchen geschmiert hat. Der erste Stich ging in die Ledercouch. Der zweite Stich traf die Schlüsselbeinader“, so Hornburg
Der 42-Jährige sei nach vorn gekippt „und der Angeklagte hat sechsmal in den Rücken gestochen“, so der Ankläger. Der Tod sei durch Verletzung der Lunge und Öffnung der Schlüsselbeinader eingetreten. Nach der Tat sei W. aus der Wohnung geflohen und habe das Messer im Ort in den Geesgraben geworfen.
Tödliche Messerstiche: Angeklagter spricht von Notwehr
Der Angeklagte schilderte den Ablauf anders. Besonders gut erinnern konnte er sich immer dann, wenn er erzählte, wie „aggressiv und gewalttätig“ sein Kumpel B, den er seit 2005 kennt, mit ihm im Verein Fußball gespielt und im Hydraulikwerk Seehausen (Börde) gearbeitet hat. „Er hat regelrecht die Hasskappe aufgehabt, wenn er betrunken war. Wenn wir auf Droge waren, haben wir uns hingegen gut verstanden“, sagte W.
Aus seiner Sicht habe er sich lediglich vor dem Angreifer schützen wollen, der mit einer Bierflasche auf ihn eingedrungen sei. „Ich wollte ihn nur auf Distanz halten, nachdem er mich in den Schwitzkasten genommen hatte. Ein Stich in den Arm sollte ihn dazu bringen, mich zufrieden zu lassen.“
Er sei unter Schock gewesen, als er B. in seinem Blut liegen sah „und ich mitgekriegt habe, dass ich ein Messer in der Hand hielt.“ Auf die Frage Sternbergs, warum er da nicht geholfen habe, die Antwort: „Ich kann doch kein Blut sehen.“
Er sei in Panik aus der Wohnung gerannt und habe dabei laut gerufen: „Hilfe! Hilfe! Holt die Polizei und den Notarzt“, aber keiner habe das gehört.
Er sei zu seiner 30 Minuten entfernten Wohnung gelaufen. „Ich wollte ein Auto anhalten, aber da habe ich gesehen, dass ich noch das Messer in der Hand hatte. Das habe ich dann in den Graben geworfen.“
Psychiater empfiehlt Entzugsklink
Wenig später war W. aufgrund von Zeugenaussagen verhaftet worden. Ein 54-jähriger Polizeimeister schilderte, wie das ablief: „W. stand auf dem Oberflur des Mehrfamilienhauses. Er kam uns mit erhobenen Händen entgegen und sagte: ,Ich bin’s’.“
Der Festgenommene sei „ruhig, klar und gefasst gewesen und wusste, worum es ging“. Einem 24-jährigen Polizeibeamten gegenüber, der ebenfalls als Zeuge gehört wurde, hatte er von einem „Unfall“ gesprochen.
Dr. Stephan Pecher, forensischer Psychiater in Ilsenburg, empfiehlt in seinem Gutachten W. für 18 bis 24 Monate in einer Entziehungsklinik unterzubringen. Die Einsicht etwas Verbotenes zu tun, habe W. trotz der Alkoholisierung allerdings gehabt.