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Urteil Verein zahlt Zeche für Förderchaos

Der Landesheimatbund hat am Landgericht Magdeburg sein Verfahren gegen Ex-Geschäftsführer Jörn Weinert verloren.

28.05.2018, 18:25

Magdeburg l Rund 79.000 Euro wollte sich der Landesheimatbund Sachsen-Anhalt von Ex-Geschäftsführer Jörn Weinert zurückholen – doch daraus wird nichts. Das Landgericht Magdeburg hat am Montag klargestellt, dass der Verein die Folgen einer Fördermittelaffäre selbst ausbaden muss.

Der Heimatbund koordiniert im Auftrag des Landes Projekte im Bereich der Traditions-, Heimat- und Kulturlandschaftspflege. Er ist die Dachorganisation für viele Orts-, Heimat- und Interessenvereine in Sachsen-Anhalt. Durch Volksstimme-Recherchen war im Februar 2013 bekannt geworden, dass der Landesheimatbund jahrelang Fördergelder falsch abgerechnet hat. Der Verein hatte mehr Projekte gefördert als beantragt waren – das Land will deshalb 70.000 Euro zurück. Insgesamt soll es 120 Einzelverstöße gegen zuwendungsrechtliche Verfahrensregeln gegeben haben.

Der Vorstand des Vereins macht dafür den damaligen Geschäftsführer Jörn Weinert (2005 bis 2011) verantwortlich. Er soll Fördergelder von einem Projekt zum nächsten umgeschichtet und dabei den Überblick verloren haben, lautet der Vorwurf. Deshalb wollte der Heimtbund Schadensersatzansprüche geltend machen.

Doch das Gericht hat die Klage abgewiesen. „Ich konnte keinerlei Substanz finden“, kommentierte Richterin Anne Seydell die Forderungen. Es sei nicht erkennbar gewesen, was ihm der Verein konkret vorwerfe, sagte sie. Wie in Zivilprozessen üblich, wird die Urteilsbegründung schriftlich nachgereicht. Es kann noch Berufung eingelegt werden.

Der Heimatbund muss alle Gerichtskosten tragen. Die Gesamthöhe des Schadens dürfte damit auf rund 90.000 Euro anwachsen. Das ist ein schwerer Schlag: Der Verein finanziert sich zu einem großen Teil durch öffentliche Gelder. Allein in diesem Jahr erhält der Verein mehr als 500.000 Euro vom Land. Wegen des Rechtsstreits war die Landesregierung dem Verein bisher entgegengekommen und hat die Rückforderungen zunächst aufgeschoben.

Wie der Heimatbund die aufgelaufenen Schulden begleichen will, ist offen. „Der Vorstand des Landesheimatbundes Sachsen-Anhalt wird erst nach Kenntnisnahme des vollständigen Urteils darüber beraten, welche weiteren Schritte eingeleitet werden“, teilte Geschäftsführerin Annette Schneider-Reinhardt auf Anfrage der Volksstimme mit.

Ihr Vorgänger Jörn Weinert, den der Landesheimatbund stets als Alleinschuldigen für das Fördermittelchaos hingestellt hat, atmete am Montag auf. „Ich bin erleichtert, habe aber auch keine andere Entscheidung erwartet. Man kann einen solchen Streit nicht auf eine Person abladen. Der Vorstand war über alle Vorgänge informiert“, bekräftigte er.

Weinert hatte zwar 2011 zunächst die Verantwortung übernommen und 38.000 Euro aus seiner Tasche für die Rückzahlung gespendet. „Aber nur, um den Vorstand und die Mitarbeiter zu schützen. Ich wollte dem Verein das Überleben sichern.“

Als weitere Rückforderungen ins Haus flatterten und der Vorstand Weinert öffentlich als Schuldigen der Fördermittelaffäre hinstellte, ruderte dieser zurück. Beide Seiten setzten den Streit vor Gericht fort. So musste unter anderem das Arbeitszeugnis des Ex-Geschäftsführers entschärft werden.

Weinert, aktuell Dozent an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (Germanistik), ärgert sich, dass sich die juristischen Auseinandersetzungen so lange hingezogen haben. Im Hinblick auf seine wissenschaftliche Karriere sei das nicht förderlich gewesen, sagt Weinert. „Ich hatte manchmal den Eindruck, dass der Landesheimatbund die Klage nicht ernsthaft betrieben hat.“

Sollten die Vorwürfe bewusst lange im Raum stehen bleiben, um Weinert zu schaden? Auch Richterin Anne Seydell merkte an, dass das Verfahren vom Landesheimatbund „merkwürdig“ geführt worden sei. Nach Einreichung der Klage wurde der Gerichtskostenvorschuss monatelang nicht gezahlt, mehrere Termine platzten, weil der Anwalt des Landesheimatbundes nicht erschien. Am Gericht heißt es hinter vorgehaltener Hand: „Für Kläger ist das ein sehr untypisches Verhalten“. Meinung

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