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Sachsen-Anhalt Verfassungsschutz des Landes: Gefahr durch Spione nimmt zu

Sachsen-Anhalts Verfassungsschutz-Chef Jochen Hollmann warnt vor zunehmender ausländischer Agententätigkeit. Russen wollen demnach aufwiegeln, Chinesen an Wirtschaftsgeheimnisse gelangen.

Von Matthias Fricke Aktualisiert: 01.11.2024, 22:04
Chef des Landesverfassungsschutzes Jochen Hollmann.
Chef des Landesverfassungsschutzes Jochen Hollmann. Foto: picture alliance/dpa

Magdeburg. - Die Bundeswehr hat ihre Streifen wegen zunehmender Sabotage- und Spionagegefahr im Gefechtsübungszentrum Heer (GüZ) in der Altmark verstärkt. Erst kürzlich war ein 36-jähriger Radfahrer mit russischem Pass mitten auf dem Gelände nach einer Übung erwischt worden. Eine Durchsuchung ergab zwar, dass der Mann weder eine Kamera dabei hatte noch Bilder des Bereichs auf seinem Handy waren. Der Fall wurde laut GÜZ-Sprecher Hauptmann Alexander Helle angesichts des nicht auszuschließenden Spionageverdachts dennoch als „Sicherheitsvorkommnis“ eingestuft.

Auch hinter den im letzten Jahr auffällig zugenommenen Drohnensichtungen, vor allem über den Übungsplätzen Altengrabow und Klietz (Jerichower Land), auf denen auch Ukrainer ausgebildet werden, tauchten die Geräte am Nachthimmel auf. Sicherheitsexperten glauben zwar nicht an eine direkte militärische Spionage, aber dennoch eine gezielte Provokation Russlands.

Nach Angaben von Staatsanwalt Thomas Kramer aus Stendal gab es allein 2023 für alle drei Plätze 30 Verfahren nach Drohnensichtungen. In diesem Jahr sind es fünf. Sie alle werden nach Angaben eines Sprechers des Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr in Berlin als Ordnungswidrigkeit (Geldbuße bis 50.000 Euro) wegen des Verstoßes gegen die Luftverkehrsordnung eingestuft. In nur einem Fall konnte die Polizei einen 38-jährigen Drohnenpiloten ermitteln. Er war aus der Altmark.

Dass dennoch in einigen Fällen der russische Nachrichtendienst im Spiel gewesen sein könnte, will der Leiter des Landesverfassungsschutzes, Jochen Hollmann, nicht ausschließen. Es passe zum hybriden Vorgehen der Russen, um das politische Gefüge im Land durch solche Aktionen oder gezielte Desinformationen zu schwächen. Hollmann: „Wir gehen von einer realen Bedrohung aus.“ Aus anderen Bundesländern ist bekannt, dass von den Russen sogar Kriminelle für solche Aktionen angeworben werden.

In Sachsen-Anhalt soll es das noch nicht gegeben haben. Gezielte Cyberattacken hingegen schon. So agierte in den vergangenen Jahren mehrmals die Hacker-Gruppe „Ghostwriter“ auf Rechnern von Behörden und Landespolitikern. Die Angreifer werden zum militärischen Geheimdienst Russlands GRU gerechnet. Die Gruppe sei immer noch aktiv und könnte jederzeit wieder zuschlagen, so Hollmann. Das treffe auch für andere Hacker-Gruppen wie Berserk Bear oder APT 28 zu.

Die Chinesen mischen bei der Spionage ebenfalls vorne mit, allerdings eher mit dem Ziel weltweit führende Industrienation zu werden. Hollmann: „Um vor den Gefahren zu warnen, sind wir aktuell verstärkt an Firmen mit kritischer Infrastruktur, Universitäten und öffentliche Verwaltungen herangetreten.“ Selten gelinge ein Schlag gegen ausländische Agenten wie zuletzt am Flughafen Leipzig/Halle vor einigen Wochen. Die Bundesanwaltschaft ließ eine Chinesin verhaften. Sie soll bei einem Logistikunternehmen am Airport gearbeitet und vertrauliche Informationen über Rüstungsexporte weitergegeben haben. Die Frau sitzt nun in Untersuchungshaft.

Wie viele solcher Fälle es in den letzten Jahren gab, bleibt offen. Ein Sprecher der Bundesanwaltschaft: „Wir wollen mit den Zahlen keine Rückschlüsse auf einzelne oder verdeckt geführte Verfahren zulassen.“ Laut Landeskriminalamt (LKA) sei in Sachsen-Anhalt in den letzten Jahren kein Fall wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit bekannt. Ein Verfahren wegen des Verdachts des Auskundschaftens von Staatsgeheimnissen gegen mehrere Beschuldigte wurde 2022 eingestellt.