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Vergabegesetz Willingmann will 10,33 Euro Mindestlohn

Für die Neuregelung des Vergabegesetzes will Wirtschaftsminister Armin Willingmann einen Mindestlohn von 10,33 Euro für öffentiche Aufträge.

Von Jens Schmidt 30.01.2019, 15:39

Magdeburg l Der durchschnittliche Bruttoverdienst ist auch in Sachsen-Anhalt seit 2015 gestiegen: von 2350 Euro auf 2500 Euro. Aber auf niedrigen Niveau. 36 Prozent der Arbeiter und Angestellten gehen mit einem Niedriglohn nach Hause – also mit weniger als 2139 Euro brutto. Diese Quote liegt weit über dem Bundesmittel von 20 Prozent Nie-
driglohnanteil.

Eine Ursache ist die niedrige Tarifbindung. Nur ein Viertel der Unternehmen zahlt hier den allgemeingültigen Tarif, nur die Hälfte der Beschäftigten bekommen gute Tariflöhne. Tendenz: fallend. Die Konsequenzen sind am Arbeitsmarkt gut messbar. 140 000 Sachsen-Anhalter pendeln. Vor allem zu VW nach Niedersachsen oder nach Leipzig. Und: Während andere Ost-Bundesländer wachsen, verliert Sachsen-Anhalt junge Leute, weil die Abwanderung stärker ist als die Zuwanderung.

„Das ist alles nicht erfreulich", sagt Wirtschaftsminister Armin Willingmann (SPD). „Wir haben einen erheblichen Fachkräftebedarf." Nun will der Minister wenigstens im öffentlichen Bereich umsteuern. Gestern legte er „Eckpunkte" für ein erneuertes Vergabegesetz vor. Öffentliche Aufträge dürfen künftig nur an Betriebe gehen, die den ortsüblichen allgemeine Tarif zahlen. Ausnahme: In Branchen, wo es keine Tarifverträge gibt, will er einen Vergabe-Mindestlohn von 10,33 Euro durchsetzen. Der Lohn orientiert sich an der Entgeltgruppe 1 im öffentlichen Dienst. Das sind 1797 Euro brutto im Monat.

Dieser „Sachsen-Anhalt-Mindestlohn" läge über dem bundesweit gültigen von derzeit 9,19 Euro. Machen Firmen dann um Sachsen-Anhalt einen Bogen? Willingmann meint: „Im Gegenteil. Wir stehen unter Wettbewerbsdruck." Und verweist auf andere Länder. Mecklenburg-Vorpommern hat mit 9,54 Euro und Schleswig-Holstein mit 9,99 Euro schon höhere Vergabe-Mindestlöhne. Thüringen plant 10,04 Euro, Brandenburg plant 10,50 Euro, Berlin gar 11,30 Euro.

Welche Firmen wären betroffen? Vor allem Gastronomie (Küchen in Ministerien und Behörden), Hausmeisterservice, Postdienstleistungen, Kuriere, Sicherheitspersonal. Da wird oft nur gesetzlicher Mindestlohn gezahlt. Das öffentliche Auftragsvolumen in diesem Bereich wird auf einen dreistelligen Millionenbetrag geschätzt. Die Baubranche wäre weniger betroffen, da die meisten Tariflöhne oder Branchen-Mindestlöhne zahlen, die über 10,33 Euro liegen. Nur die Gebäudereiniger liegen derzeit noch knapp darunter.

Jetzt will der Minister mit seinen Ideen in die Fraktionen. Möglichst noch 2019 soll das Gesetz vom Landtag beschlossen werden. Die Frage ist nur, mit wem er das bewerkstelligt. Denn: Koalitionspartner CDU schäumt. „Das bereits bestehende Vergabegesetz sollte verändert, aber nicht noch verschlimmbessert werden", sagt ihr Fraktionsvize Ulrich Thomas. Denn: Willingmann will bei jeder Auftragsvergabe noch weit mehr als Löhne abfragen: Arbeitsnormen, Kinderarbeit, Umweltkriterien. Thomas: „Das ist eine Zumutung." SPD und Linke klatschen hingegen Beifall. „Das Gesetz stärkt Tarifunternehmen", sagt Andreas Steppuhn (SPD). Linke-Parteichef Andreas Höppner geht noch weiter: Der Minister sollte nicht knausern. Die Linke fordert 12 Euro Mindestlohn.

Bezahlen müssen das auch die Kommunen. Hinzu kämen Kosten, um die Vorgaben zu kontrollieren. „Wir erwarten, dass das Gesetzt entschlackt wird", sagt Lothar Theel. Chef des Landkreistags. „Es wird jetzt schon immer schwieriger, Firmen zu bekommen."