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Mutter lässt beim Einkauf Jungen allein im Auto / Dramatische Szenen in Calbe/Saale Verkäufer rettet Dreijährigen vor Feuertod

Von Andreas Pinkert 30.08.2013, 03:16

Calbe/Saale l Ein Dreijähriger hat sich in Calbe (Salzlandkreis) bei einem Autobrand schwerste Verbrennungen zugezogen. Der Junge liegt im Hallenser Uniklinikum im künstlichen Koma. Sein Leben verdankt er wohl einem Dönerverkäufer und zwei Kunden, die ihn aus der Flammenhölle retteten.

Auf dem Parkplatz des Einkaufsmarktes herrscht an diesem späten Mittwochnachmittag der typische Einkaufstrubel. Eine Calbenser Mutter parkt ihren Skoda Kombi und geht mit ihrer einjährigen Tochter in den Einkaufsmarkt. Ihr dreijähriger Sohn bleibt im Wagen. Eine verhängnisvolle Entscheidung, wie die kommenden Minuten zeigen werden.

Der türkischstämmige Hanifi Bayram steht zu diesem Zeitpunkt rund zehn Meter entfernt im Imbiss. Zwei Männer mittleren Alters haben beim 31-Jährigen Döner bestellt. Plötzlich bemerken sie, wie sich im Inneren des parkenden Autos grauer Qualm ausbreitet.

"Sie schauten in die Richtung, als jemand von innen an das Fenster trommelte und schrie", übersetzt Ali Bayram seinen Bruder, der seit einem Jahr in Deutschland lebt und einen Deutschkurs belegt.

"Ich musste aufpassen. Von seinen Armen löste sich bereits die Haut ab." - Hanifi Bayram, Dönerverkäufer

In Sekundenschnelle breitet sich das Feuer im Inneren des verschlossenen Autos aus und droht für den Dreijährigen zum Flammengrab zu werden. Beherzt versuchen die Männer, mit der Faust die Scheibe zu zerschlagen. Schnell wird ein Hammer geholt, mit dem es gelingt, einen Teil des Glases zu zertrümmern. "Ich sah, wie der Junge tief nach Luft schnappte", denkt Hanifi Bayram an das Schreckenszenario zurück. Er holt einen Feuerlöscher und bekommt das Fenster endlich frei. Ohne zu zögern, packt er den Jungen und zieht ihn durch das Autofenster. "Ich musste aufpassen. Von seinen Armen löste sich bereits die Haut ab."

Die Worte kommen ihm nur schwer über die Lippen. Zu deutlich hat er noch den Gesichtsausdruck des Jungen vor Augen, dessen Augenbrauen und Wimpern komplett verbrannten. Die Männer trugen ihn zum Imbiss. "Einer wollte ihn mit einem Eimer voller kaltem Wasser ablöschen", sagt Hanifi Bayram. Intuitiv wusste er, dass dies für den kleinen verbrannten Körper des Jungen nicht gut ist. "Es war schlimm, durch die Schmerzen hat er sich auf dem Boden gekrümmt." Mit Joghurtsauce aus dem Imbiss versucht er, dem Kleinen Linderung zu verschaffen.

"Es waren nur Sekunden gewesen, die den Jungen retteten." - Jörg Methner, Pressesprecher des Polizeireviers Salzlandkreis

"Es kam mir wie mehrere Stunden vor", sagt der Lebensretter. Tatsächlich sind Rettungswagen und Calbenser Notarzt schnell vor Ort. Unmittelbar danach erreichen die 18 Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr Calbe den Unglücksort, an dem sich schnell eine Schar Schaulustiger versammelt. Das Fahrzeug brennt komplett aus.

Wegen der Verbrennungen zweiten und hauptsächlich dritten Grades des jungen Brandopfers ordern die Rettungskräfte einen Hubschrauber von Magdeburg an, der den Dreijährigen unter Narkose sofort ins Universitätsklinikum Halle fliegt, begleitet vom herbeigeeilten Vater. "Mutter und Tochter wurden vom Seelsorgedienst des Katastrophenschutzes psychologisch betreut. Die Mutter erlitt einen Schock", sagt Jörg Methner vom Polizeirevier des Salzlandkreises. "Nach ersten Ermittlungen der Kriminaltechniker deutet alles darauf hin, dass der Junge selbst im Spiel das Feuer entzündet hat", so Methner. Die Polizei vermutet ein Feuerzeug als Auslöser.

Der Polizeisprecher ist voll des Lobes für den couragierten Einsatz der Männer. "Das hat man nicht alle Tage." Wenn überhaupt, werden oft erst Feuerwehr und Polizei gerufen und in sicherer Entfernung gewartet." Es seien rückblickend nur Sekunden gewesen, die dem Dreijährigen wohl das Leben retteten, ist Methner überzeugt. Nach Volksstimme-Informationen liegt der Junge noch im künstlichen Koma. Die Staatsanwaltschaft will nun prüfen, ob die Mutter ihre Aufsichtspflicht verletzt hat.