Die JVA Burg baut für 25 Sicherungsverwahrte kompletten Zellen-Trakt zum "Betreuten Wohnen" hinter Gittern um. Von Matthias Fricke "Verwahranstalt": Kein Knast mehr nach dem Knast
Die Sicherungsverwahrung bleibt umstritten. Der Europäische Gerichtshof (2009) und das Bundesverfassungsgericht (2012) verbieten den "Knast nach dem Knast". Das Land muss nun teuer nachrüsten und neue Voraussetzungen zur Unterbringung in der JVA Burg schaffen.
Burg l Gerald W. (Name geändert) sitzt seit 22 Jahren hinter Gittern, obwohl er seine Strafe für einen Banküberfall in Thüringen und einer Schießerei mit der Polizei, bei der ein Kunde verletzt wurde, bereits seit 2008 abgesessen hat. Der 63-Jährige ist einer von zurzeit 24 Sicherungsverwahrten in Sachsen-Anhalt. Das Gericht (bestehend aus drei Berufsrichtern) und die Gutachter waren bisher davon überzeugt, dass W. auch weiter eine Gefahr für die Allgemeinheit ist. Dass er filigrane Holzmotorräder schnitzt, täuscht allerdings über seine Persönlichkeitsstörung hinweg.
"Für uns ist es ein Lichtblick aus einem tiefen Loch."
Sicherungsverwahrter Gerald W.
Trotz der bisher schlechten Prognosen schöpft der Sicherungsverwahrte erstmals wieder Hoffnung, vor Ablauf seiner "Zehnjahresfrist" aus der Zelle herauszukommen. Die neue Bundesregelung, die diese Woche im Bundestag diskutiert wird und das begleitende Landesgesetz verbessert seine Aussichten auf ein Leben in Freiheit durch verbesserte Therapien und häufigere Gerichts-Prüfungen. Statt bisher alle zwei Jahre, ist sie dann einmal im Jahr vorgesehen. Und wenn dies nicht möglich ist, dann wenigstens unter verbesserten Bedingungen. "Für uns ist es ein Lichtblick aus einem tiefen Loch", sagt Gerald W.
Für ihn bedeutet es im Mai nächsten Jahres auszuziehen, aus der JVA Burg-Madel. Nicht nach draußen, sondern ins hessische Schwalmstadt. Er gehört zu den drei Thüringer Insassen, die dorthin müssen. "Bis zum Jahresende werden auch die 14 Sachsen nach Bautzen, wo ein Neubau entsteht, umziehen. Bei uns bleiben dann die sieben Sicherungsverwahrten aus Sachsen-Anhalt. Allerdings wissen wir schon jetzt, dass 18 in den nächsten Jahren aus der Strafhaft in die Sicherungsverwahrung wechseln werden", erklärt Anstaltsleiter Thomas Wurzel. Die Prognosen seien einfach, da die Gerichte meist mit der Freiheitsstrafe auch entsprechend die Sicherungsverwahrung anordnen oder vorbehalten.
In der JVA Burg-Madel wird sich spätestens bis zum Frühjahr 2013 viel verändern. Die Anstalt rüstet um. Sie muss es, so verlangen es die Bundesverfassungsrichter in ihrem Urteil im Mai dieses Jahres. Sie sprechen von einem "Sonderopfer", den die Sicherungsverwahrten gegenüber der Gesellschaft bringen. Ihre Strafe haben sie schon abgesessen. Nun geht es nur darum, die Allgemeinheit zu schützen. "Aus diesem Grund müssen wir die Sicherungsverwahrten nicht nur räumlich von den normalen Inhaftierten trennen, sondern ihnen auch ganz andere erweiterte Rechte einräumen", erklärt Justizministeriumssprecherin Ute Albersmann.
"Alle halbe Jahre gibt es eine Konferenz zum Fortschritt der Therapie."
Vollzugsleiter Oliver Heinicke
Aus diesem Grund wird in der Burger Anstalt ein gesonderter Trakt komplett umgebaut. Aus 30 ganz normalen Haftzellen mit 11,7 Quadratmetern werden 18 neue Wohneinheiten. Eine Art Einraumwohnung mit integriertem kleinen Bad und einer Küchenzeile.
"Die Möbel stellen wir als Anstalt zur Verfügung, den Fernseher und die anderen Geräte müssen die Sicherungsverwahrten bezahlen", erklärt Thomas Wurzel. Die Erleichterungen und Sonderausstattung gehen künftig weit über das bisherige Angebot hinaus. Neben dem Kabel-TV erhält der Sicherungsverwahrte auch ein Telefon auf seinem Zimmer. Im normalen Vollzug müssen sich mehrere Gefangene ein Karten-Wandtelefon auf dem Flur teilen.
Wurzel: "Wie dort auch, haben die Sicherungsverwahrten natürlich auch künftig nur die Möglichkeit, angemeldete Telefonnummern anzurufen. Selbst eine Rufumleitung würde die Sicherheitssoftware erkennen und die Verbindung trennen." Ähnlich soll es auch bei der Internetverbindung sein, die Sicherungsverwahrte auf dem Zimmer haben. "Die Sicherheitssoftware gibt nur bestimmte Internetseiten frei. Zum Beispiel für die Wohnungssuche als Vorbereitung auf die Freiheit", so der Anstaltsleiter. Bereits im Frühjahr sollen die neuen dann etwa 20 Quadratmeter großen Räume bezugsfertig sein. Schon jetzt gleicht die Sicherungsverwahrung eher einem betreuten Wohnen, als einem Knast. Die Zellentüren werden auch nachts nicht mehr abgeschlossen, so dass sie sich frei in ihrem Trakt bewegen können. Es gibt einen Garten, einen Grill, einen eigenen Sportplatz und sogar einen kleinen Stall mit zwei Kaninchen.
"Darum kümmern sich die Insassen fürsorglich", erklärt Wurzel. Vollzugsleiter Oliver Heinicke: "Auch die Therapie wird sich verbessern. Es gibt dann mit zusätzlich drei Sozialarbeitern, drei Psychologen und einem Sport- und Ergotherapeuten ein deutlich besseres Angebot." Normalerweise kommt im Vollzug auf 100 Gefangene ein Psychologe. Bei den Sicherungsverwahrten wird das Verhältnis 1:10 sein. "Alle halbe Jahre gibt es eine Konferenz aller beteiligten Kräfte zum Fortschritt der Therapie", sagt er. Das Ziel sei dabei klar: Die Zahl der Sicherungsverwahrten möglichst klein zu halten.