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Volksbegehren "Knebelbrief" für Sachsen-Anhalts Lehrer

Ein Brief des Landesschulamtes an die Schulen des Landes verärgert die Organisatoren eines Volksbegehrens für mehr Lehrer massiv.

Von Michael Bock 23.01.2020, 13:42

Magdeburg l In einem Schreiben vom 21. Januar hatte der stellvertretende Direktor des Landesschulamtes, Gerhard Degner, alle Mitarbeiter der Landesverwaltung unter anderem an die „Pflicht zur Wahrung der politischen Neutralität" erinnert. Es sei nicht möglich, dass Schulleitungen, Lehrer und Schulpersonal „in dienstlicher Eigenschaft" das Volksbegehren unterstützen. „Die Schulleitungen können nicht als Boten für das Volksbegehren auftreten", heißt es in dem Schreiben, das der Volksstimme vorliegt. „Die Weiterleitung von Materialien für das Volksbegehren ist während des Dienstbetriebes der Schule unzulässig." Eine Werbung für das Volksbegehren könne nicht Gegenstand von Konferenzen sein.

In einer am Donnerstag verbreiteten Presseerklärung kritisiert das Bündnis „Den Mangel beenden! Unseren Kindern Zukunft geben" das Landesschulamt scharf.Es sieht in dem Schreiben eine „unlautere Behinderung eines verfassungsrechtlich geschützten Bürgerrechtes durch das Ministerium" und interpretiert es „als Ausdruck erheblicher Nervosität auf Seiten des Landes." "Neutralität heiße nicht Untätigkeit", sagte Eva Gerth, Sprecherin des Bündnisses und Vorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW. „Eine rein sachliche Information für Lehrer und Eltern über die Anliegen des Volksbegehrens bedeute noch keine Parteinahme. „Offensichtlich wollen Schulamt und Bildungsministerium Unsicherheiten in diesem Zusammenhang bewusst schüren und nicht abbauen." Aufgrund der enormen Personalnot stehe der gesetzlich verankerte Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schulen akut in Gefahr. „Statt dafür mit aller Kraft Lösungen zu suchen, betreibt das Land juristische Haarspalterei und versucht, die Schulleitungen einzuschüchtern und zu knebeln."

 

Mit dem vorliegenden Schreiben verunsichere das Landesschulamt bewusst Schulleitungen und Lehrer. Inzwischen würden Gerüchte über Fälle kursieren, in denen Lehrern eine Unterschrift ausdrücklich verboten werde oder ausgefüllte Unterschriftslisten rechtswidrig vernichtet worden seien.

Der Fraktionsvorsitzende der Linken im Landtag, Thomas Lippmann, erklärte: „Mit seinem Versuch, sich in die Durchführung eines verfassungsmäßig geschützten Volksbegehrens einzumischen, ist Bildungsminister Marco Tullner entschieden zu weit gegangen." Damit schade er der Demokratie in den Schulen auch über die Zeit des Volksbegehrens hinaus. „Beschäftigte und Eltern in den Schulen werden unter Druck gesetzt und bewusst verunsichert, statt die Schulen in der Wahrnehmung demokratischer Rechte zu stärken und zu unterstützen", sagte Lippmann. Inzwischen gebe es sogar Hinweise, dass sich Schulleitungen durch das Schreiben der Schulbehörden zu strafrechtlichen Handlungen anstiften lassen: „So sollen Unterschriftenlisten, die bereits in der Schule vorlagen, vernichtet worden sein."

Das Bündnis, welches von Schülern, Eltern, der Linken sowie Gewerkschaftern getragen wird, sammelt seit Jahresbeginn Unterschriften. Etwa 170.000 müssen zusammenkommen, damit der Gesetzentwurf des Bündnisses in den Landtag kommt. Das Bündnis will einen festen Personalschlüssel an Schulen festschreiben lassen. Bildungsminister Marco Tullner (CDU) bezweifelt, dass so das Problem fehlender Lehrer gelöst werden kann. „Wir haben nicht zu wenig Stellen oder Geld, sondern zu wenig Bewerber." Voriges Jahr seien gut 1000 Lehrer eingestellt worden und dennoch habe sich die Gesamtsituation bisher nicht verbessert.

Sollte der Gesetzentwurf des Bündnisses umgesetzt werden, würde dies nach Berechnungen des Landes bis zu knapp 3600 zusätzliche Stellen bedeuten. Dies führe zu Extra-Kosten „von 167 bis zu 208 Millionen Euro pro Jahr" - so Schätzungen des Bildungs- und Finanzministeriums.