Asservaten-Chaos Verstoß gegen Vorschriften: In Sachsen-Anhalt wurden 274 Waffen nicht vernichtet
Im Zusammenhang mit Ungereimtheiten bei der Asservatenverwaltung der Landespolizei ist es im Innenausschuss des Landtags von Sachsen-Anhalt zu einer weiteren Überraschung gekommen.

Magdeburg - Paukenschlag in der Sondersitzung des Landtags-Innenausschusses in Sachsen-Anhalt. Überraschend wurde am Freitag bekannt, dass in den zurückliegenden Jahren 274 Waffen nicht vernichtet wurden, obwohl die Staatsanwaltschaft genau das angeordnet hatte.
LKA Sachsen-Anhalt vernichtet Waffen trotz Anweisung nicht
Das gab Christiane Bergmann, Abteilungsleiterin im Innenministerium, bekannt. Nach derzeitigen Erkenntnissen sei in einem Zeitraum von „zwei bis vier Jahren“ gegen die eigenen Vorschriften verstoßen worden. Die Vorgänge würden aufgearbeitet.
Die 274 Asservate befinden sich laut Innenministerium in der sogenannten Vergleichswaffensammlung des Landeskriminalamts. Und dort, wie beteuert wurde, „im sichersten Bereich“.
Die Sammlung beinhalte momentan etwa 5000 Waffen. Sie werden unter anderem zu Ausbildungszwecken aufbewahrt.
Mehr Kontrolle in Asservatenkammern gefordert
„Es ist möglich, dass Waffen verschwinden, ohne dass es jemand merkt“, sagte Henriette Quade (Linke) im Ausschuss. Dem widersprach das Ministerium. „Die Aufsicht über die Einhaltung geltender Vorschriften reicht nicht aus“, kritisierte Rüdiger Erben (SPD). Einige wenige Mitarbeiter würden auf die Regeln pfeifen. Mehrfach wurde im Ausschuss die Frage aufgeworfen, wer eigentlich wie kontrolliert.
Ein Vertreter des Justizministeriums sagte, das Innenressort habe sein Haus erst vor wenigen Tagen über den neuen Sachverhalt informiert. Danach sei auch der Generalstaatsanwalt eingeschaltet worden. Der jetzt bekannt gewordene Vorfall war im Ausschuss eher beiläufig bekanntgeworden. Da lief die Sitzung bereits mehr als zwei Stunden Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) hatte ihn in ihrer Eingangsrede nicht erwähnt.
Missstände in Asservatenkammern der Landespolizei Sachsen-Anhalt
Die Angelegenheit passt in eine Vielzahl von Missständen in der Asservatenverwaltung der Landespolizei. Zunächst hatte der Landesrechnungshof erhebliche Fehler bei der Aufbewahrung von Beweismitteln festgestellt. Die unabhängigen Kassenkontrolleure bemängelten teils gravierende Sicherheitsmängel und mangelhafte Dokumentationen.
In den zurückliegenden Wochen waren eine Stabhandgranaten-Attrappe und eine nicht ordnungsgemäß vernichtete Kalaschnikow-Dekorationswaffe aus chinesischer Produktion in den Fokus gerückt. Die AK-47 befindet sich seit Jahren in der Vergleichswaffensammlung.
Die Granaten-Attrappe, die auch längst hätte vernichtet sein sollen, war unlängst im Kofferraum des Autos eines Polizisten aus dem Harz gefunden worden. Zudem wurden bei dem Mann weitere mehrere Beweismittel sichergestellt, die dieser privat auf seinem Grundstück aufbewahrt haben soll. Es soll sich um Waffenteile und Munition handeln.
Gegen den Polizeibeamten läuft ein Ermittlungsverfahren wegen Verwahrungsbruchs. Wie am Freitag bekannt wurde, ist er inzwischen vom Dienst suspendiert worden.
Mehrere Schlüsselberechtigte
Zudem waren im Polizeirevier Salzlandkreis aus der Asservatenkammer rund 13.000 Euro aus einem Stahlschrank spurlos verschwunden. Es konnte kein Täter ermittelt werden. Im Ausschuss hieß es, dass es „mehrere Schlüsselberechtigte“ gab. Zudem habe es einen hinterlegten Generalschlüssel gegeben. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Zugriff darüber erfolgte.
Zuletzt waren Missstände an der Fachhochschule Polizei in Aschersleben bekanntgeworden.
Dort wurden große Mengen nicht ordnungsgemäß aufbewahrter Übungsmunition (Knallmunition und Munition für Farbmarkierungswaffen) aufgefunden. Insgesamt handelt es sich um 5.447 Patronen.