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Wahlaffäre CDU-Spitze bestellt Güssau zum Rapport

Jetzt fordert auch Sachsen-Anhalts CDU-Spitze von Landtagspräsident Güssau schnellstmöglich Klarheit über seine Rolle bei der Wahlaffäre.

31.07.2016, 23:01

Magdeburg l Hardy Peter Güssau hat Ende voriger Woche vorzeitig seinen Urlaub in Prag beendet und ist nach Stendal zurückgekehrt. Er sichtet nunmehr Unterlagen nach Entlastungsmaterial. Zudem hat er nach Volksstimme-Informationen bei der Stendaler Staatsanwaltschaft Einsicht in die Ermittlungsakten beantragt.

Viel Zeit bleibt dem protokollarisch obersten politischen Repräsentanten des Landes nicht. Aus Parteikreisen heißt es, dass ihn CDU-Landeschef Thomas Webel und Fraktionsvorsitzender Siegfried Borgwardt vor der Kabinettssitzung am morgigen Dienstag nach Magdeburg einbestellt haben. Die CDU-Spitze fordere jetzt schnellstmögliche Klarheit.

Die Volksstimme hatte vor einer Woche aufgedeckt, dass der heutige Landtagspräsident als Stendaler CDU-Politiker versucht hat, bei der Stendaler Briefwahlaffäre im Frühsommer 2014 eine Wiederholung der Stadtratswahl und eine Strafanzeige zu verhindern. Dies belegt insbesondere der Mail-Verkehr, der nach Hausdurchsuchungen bei lokalen CDU-Vertretern sichergestellt wurde.

SPD-Fraktionsvize Andreas Steppuhn reagierte am Wochenende auf Güssaus vorzeitige Rückkehr: „Ich halte es für dringend erforderlich, dass Herr Güssau sich gegenüber der Öffentlichkeit erklärt.“

Steppuhn erhöht zugleich den Druck auf den Landtagspräsidenten: „Wenn er die Vorwürfe im Hinblick auf eine Einflussnahme nicht entkräften kann, hat er ein Problem.“ Als Landtagspräsident habe er die Verpflichtung, Schaden vom Amt abzuwenden. Steppuhn: „Dieses erwarten wir als SPD-Landtagsfraktion von Herrn Güssau.“

Ein anderer Koalitionär bezweifelt, dass sich der Landtagspräsident in seinem Amt halten kann: „Zu retten wäre er nur, wenn er sich einer Pressekonferenz oder einem direkten Interview stellen würde und die Vorwürfe substantiiert ausräumen könnte.“

Einen Rücktritt schließt der Stendaler CDU-Politiker jedoch aus. „Dann wäre das nicht mehr mein Land“, sagte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Die Zeitung berichtet in ihrer Sonnabendausgabe über den Fall unter der Überschrift „Stendaler ,Camorra‘“.

Es ist die erste Äußerung von ihm seit einer Woche. Seit Tagen reagiert Güssau nicht auf konkrete Fragen der Volksstimme und anderer Medien des Landes. Auf Anfragen verschickte er lediglich eine allgemeine Erklärung, in der er betonte, dass gegen ihn strafrechtlich nicht ermittelt werde. Dies hatte ihm indes keiner vorgeworfen.

Vorige Woche hieß es zunächst, Güssau werde sich vor der CDU-Fraktion erst nach dem Ende der politischen Sommerpause äußern. Doch der politische Druck auf ihn nahm innerhalb der Woche von Tag zu Tag zu.

Alle Fraktionen signalisierten Gesprächsbedarf. Die oppositionellen Linken luden ihn bereits für den 9. August in die Fraktion ein. Am Donnerstag forderten die Spitzen des Koalitionspartners SPD, dass sich der Landtagspräsident umgehend öffentlich erklären müsse. Aus den Reihen von AfD und Linken gab es bereits vereinzelt Rücktrittsforderungen.

In dem Fall geht es nicht nur um eine versuchte Einflussnahme auf die Stendaler Wahlleiter von Stadt und Kreis. Dokumente, die der Volksstimme vorliegen, belegen, dass Güssau bei Presseanfragen seinem damaligen Vertrauten und mutmaßlichen Drahtzieher der Briefwahlfälschung, Holger Gebhardt, Antworten vorschrieb und diese danach auch kontrollierte.