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Wahlen Zwei Kandidaten für OB-Wahl in Halle

Sachsen-Anhalts zweitgrößte Stadt steht vor kommunalpolitisch spannenden Zeiten. In Halle wird 2019 das Amt des Oberbürgermeisters gewählt.

31.05.2018, 23:01

Halle l Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand hat aus einem Büro im Ratshof einen wunderbaren Blick auf den Marktplatz und seine Stadt – und derzeit kann er sich fast entspannt zurücklehnen und die Aussicht genießen. Seine Chance, im kommenden Jahr wiedergewählt zu werden, ist momentan recht groß. Halle steht ein Lagerwahlkampf bevor, und Wiegand könnte davon erheblich profitieren. Ein linkes Dreierbündnis mit dem Landtagsabgeordneten Hendrik Lange (Linke) an der Spitze hat sich formiert. Das bürgerliche Lager schickt den bekannten Sportbundchef An­dreas Silbersack (FDP) ins Rennen.

Wenn sich Linke, Grüne und SPD auf der einen sowie Liberale und CDU auf der anderen Seite im Wahlkampf ordentlich in die Haare bekommen, wird vor allem Amtsinhaber Wiegand profitieren, der ohnehin beliebt ist unter weiten Teilen der Bevölkerung. Wiegands Popularität ging zumindest in den vergangenen Jahren auch auf Kosten der Parteien in Halle, denn zwischen ihm und dem Stadtrat krachte es regelmäßig. Der 61-Jährige wusste das in der Vergangenheit zu nutzen und profilierte sich als Gegner von Parteienfilz und Klüngel. Das Verhältnis zwischen Wiegand und vielen Stadträten gilt als belastet – aber auch untereinander ist man sich nicht grün. Der grüne Landtagsabgeordnete Wolfgang Aldag hatte sich in dieser Woche im Stadtrat um den Posten des neuen Beigeordneten für Stadtentwicklung und Umwelt beworben.

Rein rechnerisch hätte das linke Lager seinen Kandidaten Aldag durchbringen können – stattdessen scheiterte der Versuch, geschlossen aufzutreten. Aldag fiel durch, und seitdem ist das Misstrauen zwischen SPD, Linken und Grünen wieder gewachsen.

Für Wiegand sind das gute Nachrichten – genau wie die Kandidatur des Sportchefs Silbersack. Der ist zwar auch in Halle durchaus bekannt; um ein wirklich gefährlicher politischer Gegner zu sein, hat Silbersack wahrscheinlich das falsche Parteibuch. Die CDU tat sich aber schwer, einen profilierten Bewerber ins Rennen zu schicken. Der letzte CDU-Bewerber, der Landtagsabgeordnete Bernhard Bönisch, hatte gegen Wiegand in der Stichwahl verloren - und ist seitdem in der Partei weitgehend kaltgestellt. Vom aktuellen Führungspersonal der halleschen CDU hätte wohl nur Bildungsminister und Kreisvorsitzender Marco Tullner das nötige Format. Aber er will offensichtlich lieber in Magdeburg in der Landespolitik bleiben. Von dort aus wird Tullner einen interessanten Versuch beobachten können – nämlich das Aufeinandertreffen zweier politischer Lager. OB Wiegand selbst sucht sich natürlich auch Unterstützer. Es seien viele Hallenser mit dem Wunsch an ihn herangetreten, eine eigene Wählergruppe aufzustellen, sagte er der Volksstimme. Grund dafür sei die Unzufriedenheit mit der Arbeit des Stadtrates.

Die Vereinsmitglieder „Hauptsache Halle“ überlegen deshalb, ob eine Wählergruppe bei der nächsten Kommunalwahl antritt. Dass auch zwischen Wiegand und dem Stadtrat mitunter große Unzufriedenheit herrscht, lässt sich an zwei Fakten ablesen: Wiegand ist oft gegen Stadtratsbeschlüsse vorgegangen - mit wechselndem Erfolg. Andererseits ist ein vom Stadtrat initiiertes Disziplinarverfahren gegen Wiegand bei der Kommunalaufsicht anhängig.

Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass Wiegand auf Zahlen und Daten im Wahlkampf setzen wird – und auf Wirtschaftsthemen. Seine Kontrahenten Lange und Silbersack fühlen sich vor allem in den Bereichen Sport und Bildung wohl. Tatsächlich konnte Wiegand im größten Gewerbegebiet der Stadt mehrere Neuansiedlungen verkünden, vor allem aus der Logistikbranche. Dass das oft schlecht bezahlte Jobs sind, ging vielfach im Beifall über die Investitionen unter. 240 Millionen Euro will Wiegand in den nächsten Jahren in Sanierung und Neubau von Schulen und Kitas investieren und das Stadtbahnprogramm in Halle weiter vorantreiben.

Tatsächlich dürfte es für die Herausforderer aus beiden Lagern schwer werden, Wiegand Fehler oder schwere Versäumnisse anzukreiden. Bislang scheiterten alle Versuche, den promovierten Rechtswissenschaftler wirklich in Bedrängnis zu bringen. Selbst als Wiegand monatelang unter Untreue-Verdacht stand und er schließlich vor Gericht musste, ließ sich Wiegand nicht aus dem Amt drängen. Dass er überhaupt noch OB ist, verdankt er sicher auch dem Umstand, keiner Partei anzugehören. Der innerparteiliche Druck auf ihn wäre zu groß geworden, spätestens als vor mehr als zwei Jahren erstmals Anklage erhoben wurde.

Für Hendrik Lange, der seit über zwölf Jahren im Landtag sitzt und mit einem Mann in einer Partnerschaft lebt, ist die Situation derzeit nicht einfach. Zwar hat er sich als Kandidat auf Parteitagen von Linken, Grünen und SPD klar durchgesetzt.

Allerdings ist er in Halle trotz seines Amtes als Stadtratsvorsitzender nicht so bekannt wie Amtsinhaber Wiegand. Und auch thematisch hat Lange noch nicht für Furore gesorgt. Lange will für soziale, ökologische und bürgerfreundliche Politik stehen. Sein Fokus im Wahlkampf könnte auf der Stadtentwicklung liegen. Der 41-jährige Quedlinburger hält sich aber noch zurück – selbst auf seiner eigenen Homepage findet sich kaum ein Hinweis auf seine Kandidatur.

Dabei hätte Lange durchaus die Expertise, Wiegand Stimmen in einer wichtigen Klientel abzujagen – im Wissenschafts- und Unibereich. Als vor mehr als fünf Jahren in Halle gegen den Sparkurs der damaligen Landesregierung an den Hochschulen demonstriert wurde, agierte Wiegand eher zurückhaltend. Ganz anders als sein Magdeburger Amtskollege Lutz Trümper (SPD), der die Proteste in der Landeshauptstadt mit anführte. Wiegand haben viele in Halle seine zögerliche Haltung übelgenommen.

Allerdings hat Wiegand vor allem in Halle-Neustadt viele Wähler. Sein Vorstoß, auf eigene Faust den Gimritzer Damm neu zu bauen, hat ihm dort viel Sympathie eingebracht. Denn der Deich schützt auch Neustadt vor Hochwasser. Knapp war der Stadtteil bei der Flut 2013 einer Katastrophe entkommen, der Deich ist seitdem marode. Wiegand ordnete notwendige Baumaßnahmen an - obwohl die Sache des Landes waren. Zwar führt nun wieder der Landesbetrieb für Hochwasserschutz Regie – fertig ist der Neubau aber nicht. Wiegand dagegen hat seitdem bei einigen Hallensern das Image als Macher.

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