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Waldbrand Sachsen-Anhalt setzt auf Früherkennung

Mecklenburg-Vorpommern kämpft gegen den größten Waldbrand der Landesgeschichte. Ein Warnsystem soll so etwas in Sachsen-Anhalt verhindern.

Von Julia Puder 05.07.2019, 01:01

Genthin l Pausen? Die gibt es in Jan Haberzettls Job nur selten. Mittag wird am Arbeitsplatz gegessen, die Wasserflasche steht griffbereit neben dem Monitor. Auf diesen starrt Haberzettl angestrengt. Alle paar Sekunden erscheint eine neue Warnung: wieder ein möglicher Waldbrand.

Der Forstwirt ist einer von fünf Mitarbeitern des Betreuungsforstamtes „Elb-Havel-Winkel“ in Genthin, die in der Waldbrandzentrale tätig sind. Sie sind dafür zuständig die Ergebnisse der Früherkennungs-systeme auszuwerten.

„Bis 15 Uhr sind schon 1600 Meldungen eingegangen“, erzählt Haberzettl. Nicht unüblich für diese Jahreszeit, aber trotzdem eine hohe Anzahl, erklärt er. Am vorigen Tag sollen es insgesamt 1700 Meldungen gewesen sein. Die meisten stellen sich aber als Fehlalarme heraus. Sechs Kameras speisen das System in Genthin mit Aufnahmen der Waldgebiete im Norden Sachsen-Anhalts. Sie sind auf Türmen in Klietz, Pietzpuhl, Landsberg, Stendal, Waldrogäsen und Genthin angebracht. Jede kann einen Radius von 10 bis 15 Kilometern aufzeichnen.

„Für eine 360-Grad-Drehung benötigt eine Kamera acht Minuten. Dabei macht sie aus 32 verschiedenen Positionen Bilder. Pro Position werden drei Aufnahmen gemacht“, so Haberzettl. Den Mitarbeitern der Forstämter wird so die anstrengende Überwachung vom Feuerwachturm, wie es vor einigen Jahren noch gang und gebe war, erspart.

„Bei hohen Temperaturen musste man damals mit dem Fernglas die Waldstücke überwachen. Um die Notdurft zu verrichten, musste man dann jedes Mal erst den Turm hinunterklettern. Da haben es die Kollegen heutzutage schon etwas komfortabler“, erinnert sich Forstamtsleiter Peter Sültmann.

An 15 Standorten im Norden und Osten des Landes übernehmen nun die Panoramakameras diese Aufgabe – vollautomatisch. Das System erkennt Rauchwolken durch eine Grauwerterkennung. Verändert ein Pixel die Helligekeit in den Graustufen, meldet die Software den Alarm. Jan Haber­zettl bekommt diesen auf seinem Bildschirm angezeigt und muss diesen dann auswerten.

„Meistens sind es allerdings nur Verwirbelungen, Wolken am Horizont oder Schatten im Wald“, erklärt Haberzettl. Sein geschultes Auge kann aber den Unterschied zum Waldbrand schnell erkennen. Am meisten blitzen Meldungen von Feldern und Äckern auf. „Das sind dann Bauern bei der Ernte“, stellt er nüchtern fest. Diese sind laut Waldbrandschutzverordnung des Landes dazu verpflichtet bei der Ernte von Getreide einen fünf Meter breiten Pflugstreifen anzulegen.

Sobald Haberzettl einen Waldbrand erkennt, druckt er die errechneten Daten aus und schickt diese per Fax an die Leitstelle in Burg oder Stendal. „Das System zeigt einen Entfernungsstrahl an, mit welchem die Koordinaten ermittelt werden können. Durch die Kreuzpeilung mit einem anderen Turm sind diese noch genauer“, erklärt er.

Telefonisch kläre er dann nochmal mit den Leitstellen ab, ob der Brand bereits bekannt ist oder nicht. „Die Leitstelle informiert dann den diensthabenden Revierförster“, schildert Forstamtsleiter Peter Sültmann den Ablauf nach einer Waldbrandmeldung. „Dieser meldet sich dann beim Einsatzleiter vor Ort und unterstützt notfalls auch die Feuerwehr bei der Lokalisierung und Löschung des Brandes.“

Er sei aber vorrangig für die Nachsorge der Waldbrandfläche zuständig. „Er muss den Waldeigentümer ermitteln und diesem gegenüber Maßnahmen, wie z. B. Brandwache, anordnen, um das Entfachen von möglichen Glutnestern zu verhindern“, so Sültmann. Momentan sind die Waldbrandzentralen täglich von 10 bis 20 Uhr besetzt. „Bindend für die Forstämter ist der Waldbrandschutzerlass, in dem die Besetzungszeiten nach den Waldbrandgefahrenstufen auf Grundlage der Waldbrandschutzordnung durch das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie festgesetzt sind“, erklärt Sültmann die Dienstzeiten.

„Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen wird davon ausgegangen, dass auf Grund von Morgentau und des Standes der Sonne die Wahrscheinlichkeit sehr gering ist, dass Waldbrände vor 10 Uhr ausbrechen. Ähnlich sieht es mit den Abendstunden aus. Mit dem Sonnenuntergang nimmt auch die Brandgefahr ab.“ Ein gewisses Restrisiko bestünde durch Brandstiftung trotzdem, erklärt er.

Für das kommende Jahr ist die Moderniserung und Umstrukturierung der Früherkennungssysteme geplant. Das neue System, das schon in Brandenburg und Sachsen verwendet wird, hat eine höhere Auflösung und liefert Farbbilder. Künftig sollen dann auch alle 16 Türme von Genthin aus überwacht werden. Bisher geschah dies in Klötze (Altmarkkreis Salzwedel), Annaburg (Landkreis Wittenberg) und Genthin. Der Umbau soll 1,4 Millionen Euro kosten und spätestens 2020 fertig sein, wie das Landeszentrum Wald mitteilt.

Anlässlich der jüngsten Wald- und Feldbrände besteht laut Innenministerium die Möglichkeit, sogenannte Löschpanzer aus der Altmark auch in anderen Teilen Sachsen-Anhalts einzusetzen. Außerdem können Löschflugzeuge nach einer Änderung des EU-Katastrophenschutzverfahrens durch die Mitgliedsstaaten beschafft und im Bedarfsfall angefordert werden. Die Anschaffung wird durch die EU gefördert. Der Einsatz von Hubschraubern zum Transport von Löschwasser sei mit der Unterstützung von Polizei, Bundespolizei und Feuerwehr möglich.

Zurzeit wird in weiten Teilen des nördlichen und östlichen Sachsen-Anhalts die höchste Waldbrandgefahrenstufe ausgerufen (siehe Infokasten). Für Waldbesucher ist es deshalb verboten brennende Gegenstände wegzuwerfen, in einem Abstand von weniger als 15 Metern zum Wald zu rauchen, in einem Abstand von weniger als 30 Metern zum Wald ein offenes Feuer anzuzünden und den Wald außerhalb von Wegen zu betreten.