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TrockenheitWälder: Nach den Fichten sterben in Sachsen-Anhalt die Kiefern

Nach dem großen Fichtensterben verbreitet sich im Harz die Hoffnung, dass die neu gepflanzten Buchen die Mittelgebirgswälder prägen werden. In der Altmark könnte das Schlimmste aber noch bevorstehen. Eine Baumart ist besonders bedroht.

Von Antonius Wollmann 09.06.2023, 09:03
In Sachsen-Anhalt droht ein Kiefernsterben, wenn der Borkenkäfer sich in den Wäldern des Nordens und des Ostens ausbreitet. In diesen Regionen ist die Kiefer  in den Wäldern die prägende Baumart. Die Trockenheit der vergangenen Jahre hat die Widerstandsfähigkeit der Bäume deutlich reduziert.
In Sachsen-Anhalt droht ein Kiefernsterben, wenn der Borkenkäfer sich in den Wäldern des Nordens und des Ostens ausbreitet. In diesen Regionen ist die Kiefer in den Wäldern die prägende Baumart. Die Trockenheit der vergangenen Jahre hat die Widerstandsfähigkeit der Bäume deutlich reduziert. Foto: dpa

Ilsenburg/Klötze - Manchmal muss man sich damit abfinden, dass gewisse Dinge der Vergangenheit angehören. Aufgewachsen im niedersächsischen Harzvorland, hat Lukas Wachsmann noch zu gut vor Augen, welch tiefen Eindruck die dichten und dunklen Fichtenwälder auf ihn machten, als er vor etwa 20 Jahren auf die Mittelgebirgsgipfel schaute. Seit drei Jahren ist der 28-Jährige im Nationalpark Harz Revierförster des Gebietes Scharfenstein und weiß: Diesen Anblick wird niemand mehr genießen können. Nach Dürren, Hitzesommern und Borkenkäferbefall ist der Fachmann sich sicher: „Das Thema Fichte ist durch. Dieser Baum hat hier als waldprägende Art keine Zukunft mehr.“

An einem sonnigen Frühlingstag – die ersten Wanderer machen sich bereits auf den Weg zum Brocken – steigt Wachsmann in einen VW-Caddy und zeigt, was stattdessen an den Harzhängen wachsen soll: Buchen. Nachdem er sein Auto ein gutes Stück die kurvigen Wege hinauf zur Plessenburg gesteuert hat, fährt er links ran. Sein Blick fällt auf einen Schlag, auf dem sich der Wandel vollzieht. Von den Fichten, die einst hier standen, sind nur noch Stummel übrig geblieben.

Buchen sind ideal

Vor sieben Jahren an dieser Stelle angepflanzt, haben sich die Buchen gut etabliert. Ihre braunen Blättern sind nicht zu übersehen. Insgesamt hat die Nationalparkverwaltung seit 2008 6,7 Millionen dieser Bäume gepflanzt. Allein 2022 waren es mehr als 500 000 im Nationalpark Harz.

„Diese Baumart passt sich am besten an die Gegebenheiten des Klimawandels an“, sagt Wachsmann. Sie braucht weniger Wasser und kommt mit Hitze besser zurecht als viele andere Arten. Diese Eigenschaften haben Buchen beispielsweise Birken voraus. Die wachsen an den Hängen ebenfalls, halten aber nicht so lange durch. „Birken werden nun mal nicht alt. Aber es ist trotzdem gut, dass sie da sind. Sie spenden den jungen Buchen Schatten“, sagt der Revierförster. Zu viel Licht tue diesen nicht gut.

Lukas Wachsmann, Revierförster im Nationalpark Harz, zeigt eine Fichte, die dem Borkenkäfer zum Opfer gefallen ist.
Lukas Wachsmann, Revierförster im Nationalpark Harz, zeigt eine Fichte, die dem Borkenkäfer zum Opfer gefallen ist.
Antonius Wollmann

Auch gegen Schädlingsbefall sind sie besser gerüstet als ihre Vorgänger. „Bei den Fichten war der Borkenkäfer mehr Symptom als Ursache fürs Absterben. Was die wenigen Niederschläge, die Hitzeperioden und die extremen Stürme vorbereitet haben, hat er im Prinzip vollendet“, sagt Wachsman.

Was aus seiner Sicht außerdem für sie spricht: Bevor der Mensch massiv eingriff, sei der Harz bereits dicht mit Buchen bestanden gewesen. Erst der Bergbau und die Verhüttung hätten zur Fichten-Monokultur gehört.

Probleme in der Altmark

Trotzdem verschweigt Wachsmann nicht, dass die Neupflanzungen kein Selbstläufer sind. Längst nicht alle Setzlinge halten durch. Mit einem gewissen Schwund müsse man immer rechnen. „Wenn es im Frühjahr trocken bleibt, macht sich das bemerkbar. Dann sind die Ausfälle höher“, sagt der Fachmann. Trotzdem ist der Förster überzeugt: „In einigen Jahren werden wir wieder grüne statt kahle Hänge anschauen können.“

130 Kilometer nördlich ist Helmut Jachalke weniger optimistisch. Wer mit dem Auto den Weg zum Chef des Betreuungsforstamtes Klötze (Altmarkkreis Salzwedel) auf sich nimmt, quert auf den Land-und Kreisstraßen dichte altmärkische Wälder. Ist ja alles in Ordnung hier, denkt man unweigerlich. „Dem muss ich leider widersprechen“, sagt Jachalke und zeigt auf den Stumpf aus der Krone einer Kiefer. Die Spuren des Borkenkäfers sind nicht zu übersehen. Er hat ganze Arbeit geleistet. Der Baum ist längst abgestorben, gefällt und zerlegt.

„Die Dürrejahre haben den Wald ausgezehrt“, sagt der studierte Forstwirt. Laut den Daten der Wetterstation Gardelegen fehlt der Region seit 2018 die Niederschlagsmenge eines ganzen Jahres. Dass es in den ersten Monaten reichlich regnete, ändere wenig bis nichts. „Der Regen, der fällt, kommt in den tiefen Bodenschichten, die für den Wald entscheidend sind, kaum an“, sagt Jachalke. Was sich nun abspielt, folgt demselben Muster wie im Harz. Wegen der Trockenheit verlieren die Bäume ihre Widerstandsfähigkeit gegen Schädlinge, Stürme bereiten jenen schließlich den Weg. Als heftige Winde im vergangenen Februar die Bäume in der Altmark reihenweise entwurzelten, sei der perfekte Nährboden für den Borkenkäfer gelegt worden, sagt der Förster. „Die Tiere lassen sich erst in den abgeknickten Stämmen nieder und breiten sich anschließend in den Wäldern aus“, so der 62-Jährige.

Borkenkäfer breitet sich aus

Während es im Mittelgebirge die Fichten traf, setzen die winzigen Insekten im Landesnorden Kiefern zu. Für das Betreuungsforstamt Klötze im Besonderen und das Land im Allgemeinen könnte dies dramatische Folgen haben. Landesweit nehmen Kiefern gut 42 Prozent der gesamten Waldfläche ein. In Jachalkes Zuständigkeitsbereich sind es rund 70 Prozent. Im vergangenen Jahr haben diese Bäume gelitten. „Das war sehr beunruhigend. Die Lage hat mir die ein oder andere schlaflose Nacht bereitet“, sagt der Experte.

Helmut Jachalke ist Förster in Klötze. Er macht sich große Sorgen um die Kiefern in seinem Revier.
Helmut Jachalke ist Förster in Klötze. Er macht sich große Sorgen um die Kiefern in seinem Revier.
Fotos: Antonius Wollmann

Tatenlos möchte der Förster der Ausbreitung des Borkenkäfers nicht zuschauen. Mit Lockstoffen präparierte Fangbäume sollen die Schädlinge anlocken. Nisten sie sich in diesen ein, werden sie anschließend mit zugelassenen Insektiziden vernichtet. Bereits befallene Kiefern möchte er so schnell wie möglich entfernen.

Dass diese Maßnahmen allenfalls eine begrenzte Wirkung erzielen, ist Jachalke bewusst. Nicht jeder Käfer wird einen Fangbaum anfliegen. Die Besitzverhältnisse spielen den Schädlingen ebenfalls in die Karten. „Wir haben Tausende Kleinstwaldbesitzer. Diese davon zu überzeugen, sich beim Schutz zu beteiligen, ist extrem aufwendig“, sagt der gebürtige Hannoveraner. Zwang auf die Eigentümer könne man eigentlich nur an extrem betroffenen Stellen ausüben. Der Aufwand würde aber in keiner Relation zum Ertrag stehen.

Da bleibe am Ende nur die Hoffnung, dass sich die Wälder selbst helfen. „Dafür muss es aber dringend regnen“, sagt der Förster. Beängstigend ist da die jüngste Mitteilung des Deutschen Wetterdienstes. Demnach war der Mai in Sachsen-Anhalt außergewöhnlich trocken. Besonders wenig Niederschlag fiel in einer Region: der Altmark.