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Temperaturen von minus 20 Grad Weißenfelser Tierschützer wagt eine Protestfahrt ins Eis ans Nordkap

Peter Becker startet am Sonnabend vom Schlachthof aus zu einer Radtour ans Nordkap.

Von Andreas Richter Aktualisiert: 04.11.2021, 19:07
Im herbstlichen Weißenfels hat sich Peter Becker auf seine Protestfahrt ans eisige Nordkap  vorbereitet.
Im herbstlichen Weißenfels hat sich Peter Becker auf seine Protestfahrt ans eisige Nordkap vorbereitet. Foto: Andreas Richter

Weissenfels/MZ - Wenn Peter Becker vor dem Eingangstor zum Weißenfelser Schlachthof steht, dann packt ihn jedes Mal neu die Wut. Dann möchte er schreien für die Tiere in den Transportern auf dem Weg zur Schlachtbank. Möchte seine Stimme erheben gegen Massentierhaltung und Tiertransporte. „Ich würde die Tiere gern von den Transportern holen und fühle mich doch so verdammt hilflos“, gibt der 63-jährige Tierschützer Einblick in sein Seelenleben.

Zwergspitz Teddi kommt mit: Weißenfelser Tierschützer wagt eine Protestfahrt ins Eis ans Nordkap

Doch Wut allein reicht ihm auf Dauer nicht aus. Peter Becker, der vor kurzem den Sitz des Vereins „Sprachrohr der Tiere“ aus Ostfriesland nach Weißenfels verlegt hat, will Menschen aufrütteln, Aufmerksamkeit erregen für seinen Kampf gegen Tierleid. Und deshalb macht sich der Tierfilmer und Videojournalist an diesem Samstag von Weißenfels aus auf einen beschwerlichen Weg. „Ich starte zu einer Protestradtour für die Würde und Achtung aller Tiere“, kündigt Becker an. Sein Ziel: das rund 3.000 Kilometer entfernte Nordkap in Norwegen.

In den vergangenen Monaten hat sich der Tierschützer intensiv auf sein Abenteuer in Schnee und Eis vorbereitet. Die Weißenfelser Firma Zweirad-Riese hat ihm ein knapp 3.000 Euro teures Fahrrad, das kein E-Bike ist, gesponsert. Ein Hänger, ausgelegt für 40 Kilo Gepäck, wird hinten dran hängen, an den Seiten vier Gepäcktaschen. Vorn im gefütterten Korb wird sein treuer Begleiter sitzen: Zwergspitz Teddi, den Peter Becker vor sechs Jahren aus einem Tierheim in Sachsen rausgeholt hat.

Klimatischen Herausforderungen: Minus 20 Grad werden ihn wohl mindestens erwarten

Der Abenteurer fühlt sich gerüstet: Mit Zelt, dickem Schlafsack und Thermounterwäsche, mit Kocher und Gaskartuschen, mit kompletter Filmausrüstung und einem E-Werk zum Laden der technischen Geräte. In letzter Zeit hat er nachts bei weit geöffnetem Fenster im ungeheizten Raum geschlafen, um sich ein wenig an Kälte zu gewöhnen.

Dabei weiß Becker: Die klimatischen Herausforderungen im äußersten Norden Europas werden weitaus größer sein. Minus 20 Grad werden ihn wohl mindestens erwarten. Doch im Sommer kann jeder ans Nordkap. Wer an die Gefühle der Menschen will, der braucht die Extreme. Und so wird er sich am Sonnabend nach einer Mahnwache vor dem Weißenfelser Schlachthof auf den Sattel schwingen. In Richtung Nordspitze Europas schlägt er zunächst einen Bogen.

Diese Route will Peter Becker aus Weißenfels fahren.
Diese Route will Peter Becker aus Weißenfels fahren.
(Grafik: MZ/Büttner)

Treffen mit einer schwedischen Tierärztin

Auf Saale- und Elberadweg will er nach Hamburg fahren. Dort will er Tierschützer und TV-Moderator Frank Weber sowie den Tierschutzaktivisten Uwe Gast treffen. Von Hamburg aus will Becker auf dem Ostseeradweg nach Rostock radeln, wo er eine Begegnung mit Markus Bugger („Popeye“) aus der Doku-Reihe „Harte Hunde“ des TV-Senders Vox plant.

Nach der Überfahrt mit der Fähre über die Ostsee geht es für den Weißenfelser am Finnischen Meerbusen entlang in Richtung Stockholm. In der schwedischen Hauptstadt plant Peter Becker ein Treffen mit Lina Gustafsson. Die Tierärztin hat auf einem Schlachthof gearbeitet. In ihrem Buch „Die Schlachthaus-Tagebücher“ berichtet sie über das Leid der Tiere dort.

Weißenfelser Tierschützer will mit Radtour die Freiheit für 1.000 Schweinen von Tönnies erreichen

Was den Radfahrer dann auf seinem Weg in Richtung eisiges Nordkap erwartet, kann Peter Becker nur ahnen. Eine vage Vorstellung von den Strapazen vermittelt ihm ein Video, das Extrem-Radler Askan von Schirding auf seiner Tour von München zum Nordkap gemacht hat. Sechs Wochen, so schätzt Peter Becker, wird er bis zum nördlichen Punkt Europas mindestens brauchen. Das wäre dann kurz vor Weihnachten. Doch dem Tierschützer, der einen Herzschrittmacher in sich trägt, geht es nicht um Streckenrekorde. Der Tierfilmer will sich auch links und rechts der Strecke umschauen. Vielleicht bietet sich ja die Gelegenheit, Wölfe zu beobachten.

Mit seiner Radtour verfolgt Peter Becker, der sich seit zwei Jahren vegan ernährt, ein konkretes Ziel. „Mein Hund und ich wollen die Freiheit von 1.000 Schweinen von Tönnies erreichen“, sagt er. Für ihn ein symbolischer Akt für die Freiheit aller Tiere in Schlachthäusern und Transporten und gegen die Tötung von Wildtieren. Dafür geht er ziemlich untrainiert und auch mit einiger Angst vor dem Unwägbaren auf große Fahrt. Doch der Tierschützer ist überzeugt: „Meine Angst ist nichts gegen die Angst und das Leid, das die Tiere bei der Schlachtung ertragen müssen.“

Mahnwache vor dem Weißenfelser Schlachthof in der Neustadt: Sonnabend, 6. November, 11 bis 14 Uhr