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Fraunhofer-Institut Warum Julia Arlinghaus nach Magdeburg kam

Julia Arlinghaus, neue Chefin des Fraunhofer-Instituts, im Gespräch über Magdeburg, Visionen für das Institut und ihr Hobby.

Von Alexander Walter 19.10.2019, 01:01

Magdeburg l Noch wirkt das Büro von Julia Arlinghaus etwas nüchtern. Ihm eine persönliche Note zu geben, dafür hat die Zeit nicht gereicht. Nachdem die 36-Jährige das Amt vom langjährigen Vorgänger Michael Schenk übernommen hatte, lag der Fokus auf dem Kennenlernen des Instituts. Der Empfang ist trotzdem herzlich. Die neue Chefin, zugleich Professorin an der Magdeburger Uni, spendiert Kaffee und Tee. Der Blick aus dem Fenster geht über das Schleinufer nach Süden. Links liegt der im Werden begriffene Wissenschaftshafen, rechts der Campus der Universität. Im Interview spricht sie über ihre Entscheidung für Magdeburg, Visionen für das Institut und ihr Hobby, das Reiten.

Frau Arlinghaus, mit 36 Jahren haben Sie eine beachtliche Karriere vorzuweisen: Sie waren wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Schweiz, Beraterin bei Porsche, Professorin in Bremen und Aachen. Warum jetzt Magdeburg?
Julia Arlinghaus: Die Aufgabe hier ist tatsächlich mein Traumjob. Ich war schon früh von Themen wie Bionik und künstlicher Intelligenz fasziniert. Beim Studium in Japan hat mein Professor Kanji Ueda von der Idee geschwärmt, eine Fabrik wie eine biologische Zelle zu organisieren. Das hat mich nicht mehr losgelassen. In Aachen war ich Professorin für das Management von Industrie 4.0. In Magdeburg kommen alle diese Dinge zusammen. Ich habe das Gefühl, hier kann ich wirklich etwas bewegen.

Die Uni Aachen hat auch einen exzellenten Ruf ...
Das Fraunhofer IFF besitzt große Strahlkraft im Bereich Fabrik und Produktion, was sich auch mit meinen Forschungsschwerpunkten deckt. Hier wurde schon Anfang der 90er Jahre für die digitale Produktion geforscht, als viele noch nicht einmal einen Computer hatten. Auch heute setzt das Institut auf die richtigen Themen. Wir haben führende Forscher in Künstlicher Intelligenz und Robotik. Die Kooperation mit der Uni ist großartig. Da haben mein Vorgänger Herr Schenk und sein Team schon Einmaliges aufgebaut.

Das Institut soll Partner für die Wirtschaft sein. Studien, etwa der KfW, zeigen aber, dass die Mehrzahl der Mittelständler dem Stand der Technik hinterherhinkt. Sind Ideen von umfassender Digitalisierung und intelligenten Fabriken nicht eine Diskussion im Elfenbeinturm?
Die Digitalisierung ist weltweit in vollem Gange. Dass viele kleine wie große Unternehmen dennoch Schwierigkeiten mit der Digitalisierung haben, ist leider so. Unser Anspruch ist es aber, dass wir ebenso Partner für große Unternehmen wie für kleine und mittelständische sind. Und da ist viel möglich. Ich kenne eine kleine Tischlerei in Österreich, die ihr Geschäftsmodell völlig neu aufgestellt hat. Dank eines Online-Konfigurators können Kunden jetzt von zu Hause aus Möbel individuell gestalten und bestellen. Solche Angebote sind auch für kleine und mittelständische Unternehmen eine Chance, neue Kunden - auch überregional - zu erreichen. Die Firma ist inzwischen gewachsen, hat ihre Fertigung ganz neu organisiert und der Inhaber musste etliche neue Mitarbeiter einstellen.

Für solche Anwendungen braucht es schnelle Internetleitungen. Wegen seiner lahmen Anschlüsse ist Deutschland gerade in der Wettbewerbsfähigkeit herabgestuft worden ...
Das stimmt. Deshalb ist es wichtig, dass wir den Infrastrukturausbau schneller voranbringen. Gerade wenn wir darüber reden, Firmen fit für die Industrie 4.0 machen zu wollen, brauchen wir eine flächendeckende leistungsfähige Internetversorgung und ein ausgebautes 5G-Netz.

Ihr Haus verfügte zuletzt über einen Jahres-Etat von gut 20 Millionen Euro. Google investiert in solche Standorte schon mal Milliarden, ebenso Länder wie China. Reichen die öffentlichen Investitionen für die Forschung zur Digitalisierung in Deutschland aus?
Natürlich wäre insgesamt mehr Geld notwendig. Wir können die knappen Forschungsmittel aber effizienter nutzen, indem wir institutions- und fachübergreifend zusammenarbeiten. Überhaupt ist das ein Ansatz, von dem ich viel halte. Physiker, Biologen oder Informatiker für Lösungen an einen Tisch zu setzen. Durch Interdisziplinarität entstehen Ideen wie die, Datenpakete nach dem Vorbild von Ameisen durch das Internet zu schicken oder eine Fabrik mit Hilfe neuronaler Netze und intelligenter Maschinen noch effizienter zu steuern.

Ihr Institut hat vor einem Jahr mit dem „Elbedome“ eine europaweit einmalige Einrichtung für interaktive 3-D-Simulationen neueröffnet. Wie läuft‘s?
Der Elbedome wird intensiv genutzt. Das ganze Potenzial schöpfen wir aber noch nicht aus, da können wir breiter denken. Warum sollten Physiker den Elbedome nicht etwa nutzen, um Molekülmodelle zu simulieren und so Zusammenhänge besser zu verstehen. Das gleiche gilt für Organstrukturen in der Medizin. Einsatzkräfte könnten dort Risikoszenarien vorbereiten. Aktuell nutzen Sportwissenschaftler den Dome für das Karatetraining. Selbst für den Reitsport ließen sich Situationen trainieren.

Sie selbst sind Reiterin. Haben Sie Ihr Pferd mit nach Magdeburg gebracht?
Noch nicht, aber das werde ich (lacht). Ich habe es selbst ausgebildet und hänge sehr an ihm. Ich suche nur noch nach einem Ort, wo ich es unterbringen kann.

Haben Sie Ihren Ort mit Magdeburg gefunden?
Ich gehe hier auf die Straße und jeder ist so nett zu mir – das kenne ich so nicht von überall. Außerdem gibt es viel Grün. Das Team ist toll. Also, ich fühle mich sehr wohl in Magdeburg.