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Weltliteratur Die Effi Briest aus Sachsen-Anhalt

In Zerben bei Burg erinnern sanierte Reste eines Schlosses an die reale Frau, die Vorlage für Theodor Fontanes populärste Roman-Figur war.

Von Grit Warnat 06.03.2019, 00:01

Zerben l Über Kopfsteinpflaster geht’s am Park vorbei. Eichen ragen in den Himmel, der weit ist an diesem Tag – so wie das Land hin zur Elbe. Alles ziemlich ebene Fläche. Kraniche kreisen über den Wiesen, Pferde weiden. Am leeren Storchennest hoch über der Straße lärmen die Spatzen. Zerben ist klein, verträumt, beschaulich. Nur eine schwarz-weiße Katze huscht vorbei. Nach dem Weg muss man nicht fragen. Wer Zerben im Jerichower Land findet, findet auch den einstigen Herrensitz der Familie von Plotho.

Dessen zwei Flügel, die die Jahrzehnte überlebt haben, stehen mit ihrer hellen Fassade in der Frühlingssonne und lenken durch die noch kahlen Bäume den Blick auf sich. Unter dem sommerlichen Blätterdach hat vielleicht die junge Elisabeth, die Tochter derer von Plotho, geschaukelt – so wie auch Effi bei Fontane. Im Park gibt es heute wieder eine Schaukel.

Bei Fontane lebt die 17-jährige Effi Briest in Hohen-Cremmen. Das Dorf existiert nicht auf der Landkarte. Fontane selbst hat 1896 in einem Brief von jenem Fräulein geschrieben, „das nicht aus der Mark“ ist, „sondern aus jenem Teil des Magdeburgischen, der am östlichen Elbufer liegt“. Die Ehebruchsgeschichte hatte ihm eine Freundin und Gönnerin erzählt.

Im Schloss Zerben wurde 1853 Elisabeth Freiin von Plotho geboren, Else, wie sie gerufen wurde, wuchs dort auf. In der in Sichtweite gelegenen Kirche wurde sie getauft, konfirmiert – und mit 17 Jahren getraut. Armand Léon von Ardenne war nicht der Mann ihrer Wahl, sie fügte sich vielmehr dem Willen der Mutter und zog nach der Vermählung nach Berlin. Wirklich lieben sollte Elisabeth später den Amtsrichter Emil Hartwich. Das Schicksal und der gesellschaftliche Skandal, der erhebliches Aufsehen erregte, nehmen ihren Lauf. Fontane setzte den Stoff in seinem bekannten Meisterwerk um, das vor der Veröffentlichung 1896 bereits in Fortsetzungen in einer Zeitung erschienen war.

Nicole Golz schließt die Tür zum linken Seitenflügel des Schlosses auf. Die Bürgermeisterin der Gemeinde Elbe-Parey, zu der Zerben und das Schloss gehören, bittet herein in das Schmuckstück. Der linke und der rechte Seitenflügel konnten gerettet werden, der Mittelteil wurde nach dem Zweiten Weltkrieg abgerissen, abgetragen, die Steine woanders verbaut.

Was bleibt, ist schön saniert. Fenster, Türen, Fußböden, Decken. Alles ist neu. Blau, Dunkelrot, Grün wechseln sich als Wandfarbe ab. Fast 860. 000 Euro aus verschiedenen Geldtöpfen sind von 1999 bis 2010 in das einstige Schloss geflossen.

Alte Fotos sind im oberen Geschoss ausgestellt. Sie erinnern an die Zeit vor der Sanierung. Der Zustand war jämmerlich. Auch ganz alte Fotos sind zu sehen. Da ist noch das Ensemble in Gänze abgelichtet mit seinen schön verspielten Gaupen und Türmchen.

In einer Vitrine liegt ein Brief. Unterschrieben mit „Immer Ihr ergebener Hartwich“. Einer der Liebesbriefe zwischen Elisabeth von Ardenne und dem Amtsrichter. Ein Original.

Die Vitrinen, die vom Gebäude, von der wahren Elisabeth (die auch die Großmutter des bekannten Naturwissenchaftlers Manfred von Ardenne war) und von Fontanes Kunstfigur erzählen, sollen ansprechender gestaltet werden, sagt Golz. Jetzt, im Fontane-Jubiläumsjahr, erhofft sie sich größeres Besucherinteresse. Theodor Fontane, der große Vertreter des literarischen Realismus, wurde vor 200 Jahren im brandenburgischen Neuruppin geboren. Seine Geburtsstadt feiert ihn ab 30. März. Bis Ende 2019 gibt es dort Lesungen, Festivals, Konzerte.

Neuruppin ist als Fontanestadt eine andere Hausnummer, aber Parey mit Zerben will auch erinnern an den großen Schriftsteller und Besucher ins sanierte, aber kaum bekannte Kleinod locken. Wenn nicht jetzt, wann dann?

Konzerte sind geplant. Vier an der Zahl. Der Förderverein für Kirchenmusik „Laudate“ plant das Projekt mit Musik und Texten – natürlich von Fontane. Im Zentrum stehe der Roman „Effi Briest“, sagt Ute Mertens, Superintendentin des Kirchenkreises Elbe-Fläming, die gemeinsam mit dem Fontane-Trio die Konzerte gestaltet. Mit dabei ist auch Musiker Marco Reiß, Kopf des Rossini-Quartetts und unermüdlicher Sucher nach Möglichkeiten, besondere Orte kulturell zu beleben. Er nennt das Schloss ein Juwel, das entdeckt werden müsse.

Jetzt steht Reiß zur organisatorischen Absprache wieder auf dem Bühnenpodest im linken Seitenflügel, wie kurz vor Weihnachten, als er hier im Haus ein Adventskonzert gab. Reiß schwärmt seitdem von dieser ganz besonderen Atmosphäre, aber auch von der Akustik – und dem Interesse. Zusätzliche Stühle mussten reingetragen werden. 80 Zuhörer wollten Musik in diesem historischen Ambiente erleben.

Durch die zweiflügeligen Fenster im unteren Geschoss geht der Blick über die Wiesen. Dort hinten, so zeigt die Ortschefin, ist der Elberadweg. Schaut man genau hin, sieht man den Deich. Der wird im Moment noch saniert. Golz weiß, dass Radwanderer immer gern einen Halt im Schloss einlegen.

Spontan aber darf der Besuch nicht sein. Personal für geregelte Öffnungszeiten sei nicht machbar, sagt Golz. Die Kommune stehe schon mit dem Erhalt des Hauses alleine da. Wer es auch von innen sehen will, müsse sich vorab in der Gemeinde anmelden. Auf Wunsch vermittele man auch Gästeführer. Drei gibt es, allesamt Rentner, die ehrenamtlich von der Elisabeth-Effi-Fontane-Geschichte erzählen. Man freue sich über jeden Besucher, sagt Golz. „Nichts ist schlimmer, als wenn ein Haus leersteht.“

Am Elberadweg soll neu und besser ausgeschildert werden. Werbung an der Hauptstraße in Güsen wäre auch nicht verkehrt. Das Schloss-Kleinod ist es wert, entdeckt zu werden.

Vor der Haustür hat ein Steinmetz eine steinerne Baum­umpflanzung gestaltet, ein Zitat von Effi Briest über Zärtlichkeit, Liebe, Reichtum und Ehre. Die Sonne hebt die gehauene Schrift besonders hervor. Wenn sie vom Himmel lacht, ist die Zeit auf der wenige Meter entfernten, großen Bodensonnenuhr ablesbar. Wie alles hier erinnert auch sie an den Roman „Effi Briest“. In mehreren Kapiteln hat Fontane eine Sonnenuhr beschrieben.

Die Konzertreihe beginnt am 30. März mit „Der Dichter Theodor Fontane – Balladen und Gedichte“. Weitere Konzerte: 23. Juni, 29. September und 1. Dezember. Beginn ist jeweils 16 Uhr im Schloss Zerben.Zudem ist am 31. August ein Fontane-Familien-Fest geplant.