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Weltnudeltag Nur handgemachte Pasta, basta!

Freitag feiert die Welt die Nudeln in ihren unzähligen Facetten. Ein guter Grund, um einen Pasta-Chef aus Bernburg zu Wort kommen zu lassen.

Von Manuela Bock 25.10.2019, 01:01

Bernburg l Meine Güte, wie das schon riecht! Und wie das schon alles aussieht! Wer bei „Frescola Pasta“ in Bernburg vorbeischaut, sollte den Kalorien-Zähl-Modus ausschalten. Damit könnte Giorgio Gabriele Locci sowieso nicht umgehen. Der Mann ist ein Pasta-Verehrer. Einer mit viel Bauchgefühl. Ein Italiener wie er im Buche steht. Laut, fröhlich, gestikulierend. Und absolut vernarrt in alles, was man aus Nudeln machen kann. Aber: Bitte, frisch muss alles sein, irgendwie italienisch schmecken.

Gourmetmäßig auf der Zunge zergehen. Darum grummelt der Mann, als er vor 13 Jahren aus Turin nach Bernburg kommt, um die Stelle als Geschäftsführer eines Aluminiumveredlers anzutreten. Nichts gegen die Saalestadt, die war und ist schön, beteuert der Italiener. „Aber diese Industriepasta hierzulande, die kriege ich nicht herunter“, sagt Locci, schüttelt sich allein bei der Erinnerung an „Gnocchi, die sich wie Kaugummi anfühlen“. „Unsere dagegen kitzeln den Gaumen“, schwärmt der 45-Jährige – und meint damit die Gnocchi aus Bernburg.

Um es kurz zu machen: Er hat aus seiner Pasta-Not ein Geschäft gemacht. In der ersten Zeit bringt sich der Italiener vom Heimaturlaub noch frische Pasta als Vorrat mit, um gut zu essen. Heutzutage hat sich die Richtung des „Pasta-Transfers“ umgekehrt: Locci bringt aus dem Süden Sachsen-Anhalts frische Pasta in den italienischen Norden, produziert in der „La Pastamanufaktur – Frescola pasta“, was nicht etwa für frische Pasta steht, wie es Laien schnell vermuten, sondern für „scuola“/Schule und „scolapasta“/Nudelsieb. Denn im kleinen Geschäft werden nicht nur leckere Nudeln aller möglichen Sorten angeboten, sondern auch Lehrgänge zum „richtigen Pastamachen“.

In Fahrt kommt das alles in Bernburg, als sich seine Kollegin Effi Kritzler als Italien-Fan outet. Die gebürtige Hallenserin ist sofort bereit, Loccis Mission zu unterstützen und handgemachten Pasta-Genuss in die Saalestadt zu bringen. Da hat der südländische Geschäftsmann bei einem Italien-Aufenthalt schon einen zufälligen „Schatz“ aus dem alten Pferdestall in einem kleinen piemontesischen Dorf gefunden und gehoben: eine original Knetmaschine und eine Ravioli-Matrize. An der schrauben, werkeln und putzen sie in der Industrie-Kantine. Sie mischen, rühren, kneten, testen unzählige Pasta-Rezepte, lassen Kollegen, Freunde und Bekannte probieren. „Die meisten haben uns geraten, ein Restaurant zu eröffnen“, erinnert sich Kritzler.

Aber das reicht dem Duo nicht. Es eröffnet 2014 ein Restaurant, das zugleich ein Laden ist und so etwas wie eine kleine Schule. Wo man sich an der Hauptstraße die Nase an der Panorama-Scheibe plattdrücken und beobachten kann, wie gearbeitet wird. „Wir wollten die Menschen nicht nur beköstigen, sondern auch italienisches Flair erlebbar machen“, sagt Giorgio Gabriele Locci und schiebt nach: „Außerdem haben wir ja unsere Jobs, das ist nur unser Hobby.“ Das nimmt inzwischen viel Raum ein.

Bernburger, Auswärtige, hungrige Gäste von der nahen Hochschule kehren ein, lassen sich die Gnocchi, also die Klößchen aus Kartoffelmehl, und die vielen Eigenkreationen schmecken, die es zumeist in gefüllten Varianten gibt – von Ravioli mit Fleischfüllung bis Agnolotti – der „Königin der piemontesischen Pasta-Gerichte“. Esagoni, sechseckige Teigtaschen, mal mit Radicchio und Alpenschinken, dann wieder mit Radicchio und Zimt gefüllt. Pasta „Sole“, auch „große Sonne“ genannt, gefüllt mit Kartoffeln und Lauch.

Nie, nie würde er Zutaten verfälschen oder Farb- und Konservierungsstoffe einsetzen, sagt Locci und wird wieder italienisch-laut: „Eine Füllung muss aussehen und schmecken, wonach sie benannt ist. Die italienische Küche unterstreicht die Zutaten und transformiert sie nicht.“ Wenn Spinat, dann grün und eben mit Spinatgeschmack. Wenn Steinpilze, dann wirklich bräunlich und mit Pilz-Aroma. Um solche Köstlichkeiten zu genießen, sollte man sich Zeit nehmen – meint der Pasta-Chef aus Bernburg, der noch heute darüber staunt, „dass hier oft so schnell gegessen wird, bei uns geht das nur mit Ruhe“. Die beiden Geschäftsführer betonen immer wieder, dass es ihnen nicht darum gehe, italienische Produkte herzustellen. Sondern: „Wir verbinden die italienische Koch-Tradition mit regionalen Zutaten aus Sachsen-Anhalt.“ Das Mehl stammt aus der „Saalemühle“ in Alsleben, die Eier von der Geflügelfarm in Welbsleben, das Fleisch aus Köthen. Eine Ausnahme sind ein paar italienische Spezialitäten: Parmesan, Olivenöl oder getrocknete Tomaten aus Apulien.

Für den Traum des „Klein-Italiens“ im Süden Sachsen-Anhalts arbeitet das Duo hart. Vor dem Arbeitstag im Aluminiumveredlungs-Unternehmen steht es in der Manufaktur. Die Pasta-Fans rühren Teige an, bedienen Pasta-Maschinen, kreieren Füllungen. In Pausen und abends fahren sie Lieferungen zu Kunden. „Ohne Herzblut könnten wir das nicht machen“, sagt Kritzler. „Aber ohne wäre es auch nicht unser Geschäft.“ Und weil so viel Liebe einfach durch den Magen gehen muss, lädt die Pasta-Manufaktur zu Kochkursen und Verkostungen ein, behandelt „Die Welt des Risotto“, lüftet „Das Geheimnis der Tomatensauce“ oder wandelt mit einem Chefkoch aus Paris ausnahmsweise auf französischen Genuss-Abwegen.

Wer sich die leckeren Seiten Italiens in die eigenen vier Wände holen möchte, bestellt am Tresen, wo Evelin Greye sagt: „Für mich ist Pasta zu machen wie eine Meditation.“ Verschiedene Sorten wie Lasagne oder Cannelloni werden auf Wunsch vorbereitet und können zu Hause gekocht und genossen werden. Viel Zeit fürs Zubereiten braucht man nicht: „Nur ein paar Minuten ins Wasser damit, dann ist alles fertig“, sagt Greye, die gern alles erklärt – auch, was am besten zur ausgewählten Pasta passt. Diese Mischung zieht Kunden aus einem weiten Umkreis an, auch Restaurants und Hotels aus Halle, Magdeburg oder Leipzig wollen die Nudelgerichte aus Bernburg.

Häufig trifft man Giorgio Gabriele Locci im Laden an der Breiten Straße. Manche würden ihn fragen, wo er wohl gelernt hätte, solche Pasta zu machen, erzählt er und lacht aus dem Bauch heraus. „Was für eine Frage! Ich bin Italiener, uns steckt das einfach im Blut.“ Na gut. Ein Pasta-Macher aus Italien hätte ein bisschen nachgeholfen und ein paar Tricks gezeigt. Und schließlich hätte alles, was in der Manufaktur angerührt und verarbeitet wird, eine unvergleichliche Basis: die Familienrezepte. Ohne Angst vor Verlusten mixt und experimentiert Locci damit gern und viel.

 Er zuckt fröhlich mit den Schultern, als er sagt: „Manches ist nicht gut. Dafür schmeckt anderes richtig lecker.“ Zum Ehrentag darf’s dann doch sicher heute eine schmackhafte Portion mehr sein. Oder? Giorgio Gabriele Loccis Antwort liegt in den Schüsseln und presst sich als Teig durch die Knetmaschinen und Ravioli-Matrize. Er zieht sie in langen, zähen Rollen heraus, für die Effi Kritzler Formen und Füllungen aussucht. „Nudeltag?“, meint sie, „ist bei uns immer.“