1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Wer rückt bei nächtlicher Ruhestörung an? Zwist zwischen Ordnungsämtern und Polizei

Innenminister Stahlknecht: "Das Tischtuch ist auf beiden Seiten zu kurz." Wer rückt bei nächtlicher Ruhestörung an? Zwist zwischen Ordnungsämtern und Polizei

Von Michael Bock 24.10.2012, 03:13

Angesichts zunehmender Personalnot ist zwischen kommunalen Ordnungsämtern und der Polizei ein Streit darüber entbrannt, wer für was zuständig ist. Die Landesregierung sucht Kompromisslinien.

Magdeburg l Wen ruft der um den Schlaf gebrachte Bürger an, wenn der Nachbar mitten in der Nacht Rabatz macht und die Musik partout nicht leiser stellen will?

Im Polizeigesetz ist geregelt, dass bei nächtlicher Ruhestörung Mitarbeiter der kommunalen Ordnungsämter anrücken müssen. Magdeburgs Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) hält das nicht für realistisch: "Ein 24-Stunden-Dienst für das Ordnungsamt ist unvorstellbar", sagte er gestern. "Das ist völlig unwirtschaftlich."

Magdeburgs Ordnungsbeigeordneter Holger Platz (SPD) hatte erst vor zwei Wochen im Stadtrat behauptet, die Polizei wolle sich "beschleunigt" aus der Verantwortung für Sicherheit und Ordnung zurückziehen. "Warum wehren wir uns nicht dagegen?" Trümper fügte hinzu: "Ich wehre mich mit allen Mitteln dagegen, dass wir nachts den Dienst der Polizei übernehmen." Er sehe gar nicht ein, eine "neue Behörde mit Vier-Schicht-System neben der Polizei" aufzubauen.

Bislang war es so, dass bei Lärmbelästigung in den meisten Fällen die Polizei vor Ort für Ordnung sorgte. Obwohl sie es laut Gesetzeslage gar nicht hätte machen müssen. Doch mit der Kulanz ist es jetzt erst einmal vorbei. "Das ist eine Ressourcenfrage", sagte gestern Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). Zugleich betonte er, es müssten "Kompromisslinien" gefunden werden.

Hintergrund: Sachsen-Anhalts Polizei ist im Ländervergleich recht üppig besetzt. Seit Jahren wird deshalb Personal abgebaut. Bis zum Jahr 2020 sind weitere Stellenstreichungen um 1500 auf dann 6500 geplant. Auch das führt dazu, dass die Polizei sich jetzt verstärkt für "nicht zuständig" erklärt, etwa bei Lärmbelästigung.

"Sicherheit ist nicht betriebswirtschaftlich zu betrachten."

Innenminister Holger Stahlknecht

Die CDU hat in ihrem vorige Woche vorgestellten Entwurf für ein neues Grundsatzprogramm verankert, sie wolle die "Polizei stärken". Wie verträgt sich das mit dem geplanten Personalabbau? Haseloff dazu: "Stärke ist nie nur eine Frage der Quantität." In anderen Bundesländern erfülle die Polizei dieselben Aufgaben mit weniger Personal.

Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) sagte mit Blick auf die personelle Ausstattung von Polizei und Ordnungsämtern: "Ich kenne die Schwierigkeiten der Kommunen, in ihren Ordnungsämtern einen Rund-um-die-Uhr-Betrieb sicherzustellen. Das Tischtuch ist auf beiden Seiten zu kurz." Der Minister setzt auf strukturelle Veränderungen, die die Arbeit der Polizei besser und effizienter machen sollen. Geplant ist etwa, die Zahl der Polizeipräsidien von derzeit drei auf eins zu reduzieren. Stahlknecht sagte aber auch: "Sicherheit ist nicht betriebswirtschaftlich zu betrachten." Ab 2016 sollte noch einmal über den "Abschmelzungsfaktor" bei der Polizei gesprochen werden.

Uwe Petermann, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), sagte: "Es kann nicht sein, dass sich die Ordnungsämter ihrer Verantwortung entziehen. Die Polizei greift sehr häufig und über Gebühr für die Ordnungsämter ein." Er schlug vor, dass im neuen Polizeigesetz geregelt werde, dass die Polizei bisherige Aufgabenfelder der Ordnungsämter übernehme.

"Streit nicht auf dem Rücken der Bürger austragen."

GdP-Chef Uwe Petermann

Dann aber müsse die Polizei dazu auch personell ausgestattet werden. Petermann: "Es geht überhaupt nicht, dass einer dem anderen den schwarzen Peter zuschiebt. Dieser Streit darf auf keinen Fall auf dem Rücken der Bürger ausgetragen werden."