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Finanzen Zu viel Bürokratie bei Corona-Hilfen

Steuerberater und Unternehmen im Land stöhnen über zu viel Bürokratie bei der Beantragung der Corona-Hilfen.

Von Massimo Rogacki 04.02.2021, 00:01

Magdeburg l Schnell und unbürokratisch sollten Unternehmer im Lockdown Hilfe bekommen – so das Versprechen von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) im Oktober. Dann aber: Wochenlanges Warten bei der Auszahlung – und Regeln bei den Anträgen, die Steuerberatern die Haare zu Berge stehen lassen. „Es ist extrem kompliziert, weil sich bei den Förderbedingungen mitunter täglich etwas ändert“, sagt Heinz Höller. Der Steuerberater hat unter anderem ein Büro in Wernigerode. Er ist einer der „prüfenden Dritten“, die für Unternehmer die Überbrückungshilfen sowie die November- und Dezemberhilfen beantragen – häufig eine Herausforderung.

Beispiel Überbrückungshilfe II: Unwissentlich falsch sei der Antrag von den meisten Steuerberatern bis Mitte Dezember 2020 ausgefüllt worden, so Höller. Grund: Das Bundeswirtschaftsministerium habe nachträglich und rückwirkend die Förderbedingungen geändert. Unternehmen sollten plötzlich nur Verluste und nicht – wie ursprünglich angekündigt – Fixkosten teilweise erstattet bekommen.

Für viele ein Schlag ins Kontor. In einem Fall hatte ein Gastronom mit eigenem Lokal unter neuen Voraussetzungen rückwirkend keinen Anspruch mehr auf die Hilfe. Er muss bei der noch abzuliefernden Schlussabrechnung schon ausbezahlte Gelder zurückzahlen. Steuerberater Höller fragt sich, woher der Gastwirt die Mittel nehmen soll? Die Fördergelder seien für notwendige Betriebsausgaben verwendet worden – und deshalb nicht mehr vorhanden.

Michael Schmidt, Präsident des Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) in Sachsen-Anhalt, weist seit Wochen darauf hin, welche Folgen verspätete Dezemberhilfen oder das Chaos bei der Beantragung für die Branche haben. In etlichen Betrieben sei finanziell das Ende der Fahnenstange erreicht. Viele müssten zudem damit rechnen, dass bei künftigen Betriebsprüfungen Fehler auftauchen, die unwissentlich bei der Beantragung der Hilfen gemacht wurden. Fehlerhafte Angaben könnten gar in den Vorwurf des Subventionsbetrugs münden, so Schmidt.

Ein Vielzahl von unverschuldeten Insolvenzen befürchtet Steuerberater Höller. Große Probleme sieht er neben der Gastronomie bei kleinen Einzelhändlern, Soloselbständigen und Friseuren.

Die Corona-Hilfen seien ein „typisches Beispiel für zu viel Bürokratie in Deutschland“, sagt Burghard Grupe, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Magdeburg. Ständig neue Informationen und angepasste Fristen seien ein Problem. Im Handwerk hätten zudem zu wenige von Corona betroffene Betriebe die angekündigten Hilfsgelder erhalten. Andere fielen komplett durch das engmaschige Förderraster. Bei der Unterstützung müsse dringend nachgebessert werden, „sonst überstehen viele die nächsten Wochen nicht“, so Grupe.

Und die Steuerberater? Schieben Überstunden, sind aber selbst am Limit. „Wir haben ja auch noch Steuererklärungen, Abschlüsse etc. zu machen“, sagt Steuerberater Höller. Derzeit werde bei ihm auch am Wochenende gearbeitet. Vielen Mandanten sei man die einzige Stütze, sagt er. „Viele verschulden sich. Manch einer löst gegen meinen Rat seine Altersversorgung auf, weil er keine andere Chance mehr sieht“, so Höller.

„Unser Berufsstand ist stark gefordert“, sagt Professor Hartmut Schwab, Präsident der Bundessteuerberaterkammer, der Volksstimme. Bei den einzelnen Hilfs-Programmen gebe es jeweils eigene Anforderungen. Hinzu kommen EU-Beihilferechtsregelungen. „Die Regelungen sind sehr kompliziert und die Realität der Wirtschaft komplex“, so Schwab. Er fordert „dringend fachliche Unterstützung vom Bundeswirtschaftsministerium“, um den Anforderungen gerecht zu werden. Fragen der Steuerberater müssten kompetent und rechtssicher beantwortet werden. Nicht ganz einfach, weiß Heinz Höller. Denn für Steuerberater gebe es kaum eine Möglichkeit, Fragen zu den neuen Regeln zu stellen.