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Ärzte fürs Land: Uni Magdeburg künftig mit Hausarztklasse

Sie kennen die Patienten über Jahrzehnte, sind erster Ansprechpartner bei Wehwehchen und bei Schwerwiegendem Lotse durchs Gesundheitssystem: Hausärzte. In Sachsen-Anhalt gibt es zu wenige. Die Unis wollen den Nachwuchs für den Beruf begeistern.

27.06.2019, 05:45

Magdeburg (dpa/sa) - Die Universität Magdeburg bietet Studierenden künftig eine Hausarztklasse an, um sie frühzeitig für die Arbeit als niedergelassener Allgemeinmediziner zu gewinnen. Die Klasse mit etwa 15 bis 20 Studierenden solle zum Wintersemester 2019/20 eingerichtet werden, sagte der Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Magdeburg, Hermann-Josef Rothkötter, der Deutschen Presse-Agentur. "Das Ziel ist, dass wir als Fakultät und Universitätsklinik gemeinsam versuchen, Interesse zu wecken für eine Tätigkeit in der Region oder auch in der Niederlassung als Allgemeinmediziner, internistischer Hausarzt, letztlich als Hausarzt."

Die Medizinstudierenden in der Hausarztklasse widmen sich von Anfang an stärker der Allgemeinmedizin, von bestimmten Wahlangeboten bis zur Berufsfelderkundung und Besuchen auf dem Land. Zudem stünden den Studierenden Mentoren zur Seite. Viele Hausärzte hätten großes Interesse bekundet. Sie seien dann nicht nur Ansprechpartner bei Fragen, die Studierenden absolvierten bei ihnen auch Praxistage in den Semesterferien. So könne eine enge Bindung entstehen.

In Sachsen-Anhalt fehlen Hausärzte, vor allem auf dem Land. Zum Jahresende 2018 gehörte etwa der Altmarkkreis Salzwedel zu den deutschen Regionen mit dem dünnsten Hausärzte-Netz - dort gab es nur 54,5 Hausärzte je 100 000 Einwohner. Zum Vergleich: das dichteste Netz wies Kaufbeuren in Bayern mit 95,9 auf. Die Zahlen stammen aus dem Bundesarztregister. Danach ist Sachsen-Anhalt im Ost-Vergleich Schlusslicht. Landesweit kamen auf 100 000 Einwohner rechnerisch 65,2 Hausärzte. Für viele Praxen werden in den kommenden Jahren Nachfolger gesucht.

Vor dem Start der Hausarztklasse haben die Magdeburger genau nach Halle geschaut. Dort gibt es schon seit 2011 eine Klasse für Allgemeinmedizin. Ursprünglich waren 20 Studierende pro neuem Jahrgang geplant. "Seit 2017 haben wir so hohe Bewerberzahlen, dass wir 2017 und 2018 je 40 Studierende in den neuen Jahrgang aufnehmen konnten", hieß es aus dem Institut für Allgemeinmedizin. Aktuell seien 136 Frauen und Männer in die spezielle Klasse eingeschrieben. Die ersten Absolventen würden frühestens 2022 erwartet.

Was soll nun anders laufen als im üblichen Medizinstudium? "Ein Student in der Klasse Hausärzte bekommt eine Idee, wie die Zeit eines Patienten mit dem Arzt laufen kann", sagte Rothkötter. Es gehe um die langfristige Betreuung: ein Patient werde aus dem Krankenhaus entlassen und weiter betreut. Im Fokus stünden auch Patienten mit mehreren Krankheiten. "Es geht darum, dass man einen Eindruck davon bekommt, dass ältere Patienten andere Anforderungen an das System haben als ein jüngerer Mensch, der eine schwere Krankheit hat, die man behandeln kann, am Ende ist er geheilt und geht nach Haus."

"Es ist auch ein bisschen die Hoffnung, dass die Studierenden sehen, dass mit der ganz normalen physikalischen Untersuchung eines Patienten schon ganz viel geht. Eine gute Ärztin, ein guter Arzt guckt den Patienten an und sieht bestimmte Dinge", erklärte Rothkötter weiter. Die ärztliche Betreuung gehe über die reine Maschinenanalytik hinaus.

Besonders sei auch, dass die angehenden Mediziner in die ländlichen Regionen fahren. Sie lernten auch die Perspektive der Gemeinde kennen und sollten erfahren, wer einzubeziehen ist in die Behandlung der Patienten - vom Physiotherapeuten bis zum Apotheker.

Rothkötter erklärte: "Wir glauben, dass neben der Hausarztklasse möglicherweise auch andere Vertiefungsrichtungen kommen können. Denn die frühe Bindung an eine Idee, was man machen könnte, die scheint den Studierenden auch Sicherheit zu geben." Wenn aber jemand nach sechs Jahren feststelle, dass er doch Augenarzt oder Chirurg werden wolle, dann sei das auch möglich. Das Modell lebe von einer hohen Freiwilligkeit. Bewerben könnten sich junge Leute, die eine Zusage für ein Medizinstudium in Magdeburg bekommen hätten. Bewerbungsschluss sei am 15. Juli.

Gegen den Ärztemangel vor allem auf dem Land gibt es in Sachsen-Anhalt verschiedene Ansätze. Das Land plant etwa eine Landarztquote. Bis zu 20 Medizin-Studienplätze sollen künftig pro Jahr reserviert werden für Frauen und Männer, die sich auf Zeit für eine Tätigkeit als Landarzt verpflichten. Geplant ist eine Quote von fünf Prozent der insgesamt 400 Studienplätze in Magdeburg und Halle. Losgehen soll es im Herbst 2020.

Infos Klasse Allgemeinmedizin Martin-Luther-Universität Halle