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Gericht: Landtag hat U-Ausschuss zu Recht abgelehnt

In einem Untersuchungsausschuss können Abgeordnete umfassend für Aufklärung sorgen. Sie können Zeugen laden und Akten einsehen. Die AfD gehört zu den eifrigsten Fraktionen. In einem Fall wollte sie zu weit gehen, wie das Verfassungsgericht festgestellt hat.

08.12.2020, 11:02
Hendrik Schmidt
Hendrik Schmidt dpa-Zentralbild

Dessau-Roßlau (dpa/sa) - Sachsen-Anhalts Landtag hat zu Recht einen von der AfD beantragten Untersuchungsausschuss zum Linksextremismus abgelehnt. Das entschied das Landesverfassungsgericht am Dienstag in Dessau-Roßlau. Die Richter wiesen einen Antrag von AfD-Fraktionsmitgliedern und eines fraktionslosen Landtagsmitglieds zurück, die sich in ihren Minderheitenrechten beschnitten sahen. Die 22 Abgeordneten hatten mit dem U-Ausschuss linksextremistische Strukturen in Sachsen-Anhalt und deren Verbindungen zu politischen Parteien, Gewerkschaften und Vereinen untersuchen wollen.

Das aber überschreitet deutlich die Kompetenzen des Parlaments, urteilten die Verfassungsrichter in dem Organstreit. Der Untersuchungsauftrag laufe dem Grundsatz der Gewaltenteilung zuwider. Das Parlament würde damit Aufgaben der Exekutive, insbesondere des Verfassungsschutzes, sowie der Rechtsprechung übernehmen.

Zudem widerspreche der Untersuchungsauftrag dem Grundgedanken eines demokratischen Rechtsstaates, weil er dem Parlament ermöglichen würde, die Arbeit politischer Parteien zu kontrollieren. Potenziell könnte er damit deren Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes beeinflussen. Grundsätzlich nicht zulässig seien außerdem parlamentarische Untersuchungen, die letztendlich auf die Entfaltung grundrechtlicher Freiheit von Einzelpersonen und privatrechtlichen Personenvereinigungen zielten.

Die AfD und der fraktionslose Abgeordnete brachten im Sommer 2019 das nötige Viertel der Abgeordneten als Unterstützung für den U-Ausschuss zusammen. SPD, Grüne und Linke stimmten aber dagegen, die CDU enthielt sich. Somit gab es im Plenum mehr Nein- als Ja-Stimmen, der Antrag wurde abgelehnt.

Im Anschluss an die Urteilsverkündung sagte AfD-Landtagsfraktionschef Oliver Kirchner: "Unser Auftrag war es ja nicht, hier Strafverfolgung zu betreiben, sondern Aufklärung in Sachsen-Anhalt in Bezug auf Linksextremismus zu betreiben, und da hat Sachsen-Anhalt eindeutig eine Chance verpasst." Und weiter: "Wir werden dieses Urteil rechtlich bewerten lassen und dann entscheiden, wie wir weitermachen."

Henriette Quade von der Linken-Landtagsfraktion sah die juristische Argumentation der ablehnenden Fraktionen von Linke, SPD und Grünen mit dem Urteil bestätigt. "Der Landtag hatte nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, diesen Untersuchungsauftrag abzulehnen, weil er deutlich die Kontrollrechte des Landtages überschritten hat und das damit ein Missbrauch von Minderheitenrechten gewesen wäre."

Der SPD-Abgeordnete Rüdiger Erben betonte: "Das ist eine juristische Vollklatsche für die AfD-Fraktion." Aufgelöst worden sei auch der Opfermythos, den die AfD pflege, wonach angeblich rechtswidrigerweise eine Mehrheit sie als Minderheit in ihrem Recht beschneiden würde. Der Grünen-Abgeordnete Sebastian Striegel sagte, der AfD sei deutlich aufgezeigt worden, wo die Grenzen des Rechtsstaats verlaufen und dass ihr Handeln rechtswidrig gewesen sei.

Die Richter wiesen darauf hin, dass der Begriff "Linksextremismus" nicht einheitlich definiert und kein juristisch definierter Begriff sei. "Der Begriff wird zwar von Behörden, Medien und Wissenschaft benutzt. In den Sozialwissenschaften sind Grenzen und Anwendung des Begriffs uneinheitlich", hieß es im Urteil. Daraus ergebe sich eine "Uferlosigkeit des Untersuchungsgegenstandes".

Der Landtag von Sachsen-Anhalt hat in der laufenden Wahlperiode seit 2016 bereits sechs U-Ausschüsse eingesetzt. Die meisten kamen auf Antrag der AfD zustande, die die größte Oppositionsfraktion im Magdeburger Parlament ist. Zudem wurde auf ihr Drängen eine Enquete-Kommission zu Linksextremismus einberufen.

Pressemitteilung des Landesverfassungsgerichts zur Entscheidung vom 8.12.2020