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Großer Redebedarf im Fall Wendt: CDU hält Sondersitzungen

Wer wusste wann was und wer hat warum was entschieden? Auch nach dem geplatzten Wechsel des Polizeigewerkschafters Wendt ans Magdeburger Innenministerium sind viele Fragen offen. Das sieht auch die CDU so und bittet Innenminister und Regierungschef zum Gespräch.

26.11.2019, 16:54

Magdeburg (dpa/sa) - Ministerpräsident Reiner Haseloff und Innenminister Holger Stahlknecht müssen ihren Parteikollegen zum Fall Rainer Wendt Rede und Antwort stehen. Sowohl die CDU im Landtag als auch die Partei setzten für Freitag kurzfristig Sondersitzungen an. Dabei werden dem Vernehmen nach lange und hitzige Debatten erwartet.

Offiziell lautet das Thema "aktuelle Situation", tatsächlich wollen Parteibasis und Abgeordnete umfassend über die Vorgänge um die geplatzte Ernennung von Wendt zum Innenstaatssekretär informiert werden. "Es gibt ein Informationsinteresse und auch Unmut verschiedenster Art und der wächst auch", sagte CDU-Generalsekretär Sven Schulze. Stahlknecht ist auch Chef der Landes-CDU.

Die Personalie Wendt und das Agieren von Regierungschef und Minister sorgen seit Tagen für Kritik von allen Seiten - auch aus den eigenen Reihen. Die Christdemokraten sind intern schon länger im Krisenmodus. Montag und Dienstag schaltete sich jeweils schon der geschäftsführende Landesvorstand zusammen, um die Lage zu erörtern.

Was war passiert? Am Freitag hatten Regierungschef und Innenminister per Pressemitteilung und mit "großer Freude" überraschend den Wechsel des langjährigen Polizeigewerkschafters Rainer Wendt ins Magdeburger Innenministerium verkündet. Der 62-Jährige sollte als Innenstaatssekretär auf Amtsinhaberin Tamara Zieschang folgen, die in die Bundespolitik wechselt. Schon zu diesem Zeitpunkt äußerten auch CDU-Abgeordnete ihren Unmut über die Art, wie die Personalie verkündet wurde - und die Personalauswahl an sich.

In den folgenden Tagen hagelte es Kritik. SPD und Grüne, die in Magdeburg mit der CDU regieren, kündigten an, einer Ernennung Wendts zum Spitzenbeamten nicht zuzustimmen. Sie stießen sich unter anderem daran, dass der Polizeigewerkschafter in der Vergangenheit als politischer Hardliner mit zahlreichen umstrittenen Äußerungen aufgefallen war. Am Sonntagabend sagte Stahlknecht, dass Wendt auf seine Berufung verzichtet habe. Der Polizeigewerkschafter äußerte hingegen ausführlich, dass die CDU ihre Angebot zurückgezogen habe.

"Seit Tagen gehen beim Landesvorstand viele Anrufe von Mitgliedern ein, die Fragen haben und wissen wollen, welche Sachen stimmen, die gerade verbreitet werden", sagte CDU-Generalsekretär Schulze weiter. Der Unmut wachse mit jedem Tag, an dem die Berichte über die Personalie größer würden - auch weil das Thema weit über Sachsen-Anhalt hinaus Schlagzeilen mache. "Wir wollen, dass die Diskussion an der richtigen Stelle durchgeführt werden kann und der Ministerpräsident und der Innenminister haben sich bereit erklärt, die Fragen auch zu beantworten, soweit es möglich ist."

Offen ist zum Beispiel die Frage, woran die Ernennung Wendts nun tatsächlich scheiterte. Neben dem Druck der Koalitionspartner tauchten in den vergangenen Tagen auch rechtliche Hürden auf. So gab das Innenministerium Nordrhein-Westfalen bekannt, dass Wendt wegen dienstrechtlicher Verstöße eine Disziplinarmaßnahme aufgebrummt bekam. Wendt selbst bestätigte, dass für mehrere Monate seine Pension gekürzt wird, weil er ein Aufsichtsratsmandat nicht als Nebentätigkeit bei der Polizei in NRW angemeldet hatte.

Dieser Umstand hätte eine Ernennung des Polizeigewerkschafters schon aus rechtlichen Gründen verhindert. Zu dieser Einschätzung kommt etwa der Professor für Öffentliches Recht an der Uni Halle, Winfried Kluth. Wendt hätte als früherer Hauptkommissar viele Besoldungsstufen überspringen müssen, um Staatssekretär zu werden. Eine Ernennung in ein höheres Amt während einer Kürzung der Dienstbezüge sei nicht möglich, sagte Kluth und verwies auf einen entsprechenden Passus im Disziplinarrecht des Landes. Zu welchem Zeitpunkt ihrer Personalpläne Ministerpräsident und Innenminister von der Disziplinarmaßnahme und den möglichen rechtlichen Hürden wussten, ist offen. Beide ließen am Dienstag ausrichten, dass sie sich zu dem Fall zunächst nicht äußern.

Doch nicht nur die Landes-CDU hat Fragen an Haseloff und Stahlknecht. Die Linken-Innenexpertin Henriette Quade reichte einen Fragenkatalog an die Landesregierung ein, um auch öffentliche Antworten zur Causa Wendt zu bekommen. Stahlknecht habe "offensichtlich dilettantisch agiert und einen bemerkenswerten Mangel an politischer Analysefähigkeit bewiesen", teilte Quade mit. Auch der Ministerpräsident sei offensichtlich überzeugt und aktiv beteiligt gewesen. "Die CDU als größte Fraktion der Regierungskoalition ist politisch nicht mehr handlungsfähig", so Quade.

Disziplinargesetz