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Kirchen sehen Sterbehilfe-Urteil kritisch

Das Bundesverfassungsgericht hat ein deutliches Urteil für ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben gefällt. Bei den Kirchen trifft es auf Unverständnis und mehr.

26.02.2020, 14:09
Klaus-Dietmar Gabbert
Klaus-Dietmar Gabbert dpa-Zentralbild

Magdeburg/Dessau-Roßlau/Karlsruhe (dpa/sa) - Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Sterbehilfe haben Kirchenvertreter vor möglichen gesellschaftlichen Folgen gewarnt. Der Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), Friedrich Kramer erklärte am Mittwoch: "Das Urteil öffnet die Tür dafür, dass die Selbsttötung als normale Option für schwerkranke Menschen angesehen wird. Das kann zur Folge haben, dass sich todkranke Menschen zu dieser Möglichkeit gedrängt fühlen." Er befürchte eine Verschiebung im Wertesystem.

Der Kirchenpräsident der Evangelischen Landeskirche Anhalts, Joachim Liebig, bedauerte die Entscheidung des Gerichts. "Gerade weil ich das Leiden schwer kranker Menschen als Pfarrer intensiv vor Augen habe, befürchte ich, wir könnten als Gesellschaft auf eine schiefe Ebene geraten, an deren Ende eine gesellschaftlich weithin akzeptierte Notwendigkeit zur assistierten Sterbehilfe steht. Dabei könnten dann selbst die Kosten der Pflege eine Rolle spielen."

Lediglich die nun zu erwartende Rechtssicherheit für Betroffene, Angehörige, Ärzte und Pflegepersonal sei ein positiver Aspekt des Urteils, erklärte Liebig.

Die Karlsruher Richter urteilten am Mittwoch, dass das 2015 eingeführte Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe gegen das Grundgesetz verstoße. Das Verbot verletzt dem Urteil nach den einzelnen Menschen in seinem Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Dieses Recht schließe die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und dabei Angebote von Dritten in Anspruch zu nehmen, sagte der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle. Die Sterbehilfe dürfe aber nicht davon abhängig gemacht werden, ob zum Beispiel eine unheilbare Krankheit vorliege.

Aus der Sicht von EKM-Landesbischof Friedrich Kramer ist vielmehr ein Ausbau der Hospizen und palliativen Angeboten notwendig, um todkranke Menschen in ihrem Sterbeprozess zu begleiten. Die Wohlfahrtsorganisation der EKM, die Diakonie Mitteldeutschland, bietet selbst auch Hospizdienste und Palliativversorgung für Schwerkranke an. Auch der Anhaltische Kirchenpräsident Joachim Liebig betonte: "Als Kirche unterstützen wir weiterhin den erfolgreichen Aufbau von Hospizen und jeder Form von angemessener Sterbebegleitung."

Mitteilung der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland

Mitteilung der Evangelischen Landeskirche Anhalts