Mehr Anträge auf Rehabilitierung nach Unrecht in der DDR
Auch mehr als 30 Jahre nach dem Ende der DDR werden jährlich Hunderte Anträge auf Rehabilitierung gestellt. Eine Gesetzesnovelle hat die Zahlen 2020 steigen lassen. Es geht um die Anerkennung für rechtsstaatswidrige Eingriffe des SED-Staates in das Leben Einzelner.

Magdeburg (dpa/sa) - Es geht um Haft, um Zersetzungsmaßnahmen, um politisch verfolgte Schüler: Im vergangenen Jahr haben in Sachsen-Anhalt mehr Menschen einen Antrag auf Rehabilitation wegen Unrecht aus der DDR-Zeit gestellt. Die Antragszahlen seien infolge der Novellierung der SED-Unrechtsbereinigungsgesetze gestiegen, die am 29. November 2019 in Kraft getreten sei, erklärte Sachsen-Anhalts Aufarbeitungsbeauftragte Birgit Neumann-Becker am Mittwoch in Magdeburg. Das Gesetz zeige Wirkung.
Es habe in ihrer Behörde zum einen mehr Beratungen zu Erstanträgen gegeben. Des Weiteren seien bei Gerichten und Rehabilitierungsbehörden 810 Anträge eingegangen nach rund 540 im Jahr zuvor. Dabei handelt es sich den Angaben zufolge um strafrechtliche, verwaltungsrechtliche und berufliche Rehabilitierungen. Die Neuregelung hat die Ansprüche etwa für politisch verfolgte Schüler sowie Opfer von Zersetzungsmaßnahmen und ehemalige Heimkinder verbessert.
Im vergangenen Jahr hat die Behörde der Aufarbeitungsbeauftragten laut dem Tätigkeitsbericht mehr als 4000 Beratungen durchgeführt, 3000 wegen der Corona-Pandemie telefonisch. Dabei habe sich gezeigt, dass die soziale und gesundheitliche Lage ehemaliger politischer Häftlinge und Opfer anderer staatlicher Verfolgungsmaßnahmen in der DDR im Verhältnis zur Durchschnittsbevölkerung weiter prekär ist.
Die Aufarbeitungsbeauftragte sieht auch immer noch Lücken in der Anerkennung von SED-Unrecht. So würden gesundheitliche Folgeschäden weiterhin nur selten anerkannt. 2020 habe es in Sachsen-Anhalt 20 solcher Anträge gegeben, keiner sei positiv beschieden, neun abgelehnt worden. Zwischen 2015 und 2018 habe kein einziger Antrag zu einer Anerkennung geführt, 2019 nur einer. Zudem wüssten viele Menschen, die schon eine Rehabilitierungsbescheinigung hätten nicht über die erweiterten finanziellen Möglichkeiten einer Opferpension. Schätzungsweise 2000 Menschen hätten einen Anspruch auf monatlich 330 Euro und nutzten ihn nicht.
© dpa-infocom, dpa:210324-99-952161/2