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Prozess um Rentnertod: "Mein Vater stand 2001 vor der Tür."

Vor Jahren stirbt im Harz ein Rentner. Seiner Haushaltshilfe soll ihn getötet haben. Im Prozess gegen die geständige Frau muss das Gericht klären, wann das Verbrechen geschehen ist. Zeugen sollen helfen, doch das ist schwierig.

Von Sabrina Gorges, dpa 20.08.2019, 13:01

Magdeburg (dpa/sa) - 1995 oder 2001, verjährt oder nicht? Auf der Suche nach dem genauen Zeitpunkt eines als Totschlag eingestuften Gewaltverbrechens gegen einen Rentner im Harz hat das Magdeburger Landgericht am Dienstag weitere Zeugen befragt, darunter eine Tochter des Getöteten und eine Rechtsmedizinerin. "Mein Vater stand 2001 bei mir vor der Tür", sagte die 74 Jahre alte Tochter, die in Staßfurt wohnt. Sie wisse das Jahr genau, weil ihre Schwester zu dieser Zeit eine tödliche Krebsdiagnose bekommen hatte, sagte sie.

Ihr Vater, den sie 30 Jahre nicht gesehen habe, habe damals die Angeklagte dabei gehabt und sie als "Putze" und "Lebensgefährtin" vorgestellt. "Danach sind sie noch bei meiner Schwester gewesen", sagte die Frau. "Er hat uns alle enterbt." Sie berichtete, dass ihr Vater kein guter Mensch gewesen sei. "Ich habe nichts Gutes von ihm gehabt, aber so hätte er nicht sterben müssen." Auch mögliche sexuelle Übergriffe innerhalb der Familie wurden in nicht öffentlicher Sitzung beleuchtet.  

Auf der Anklagebank sitzt eine heute 62-jährige Deutsche, der Totschlag vorgeworfen wird. Sie hatte gestanden, den 1920 geborenen Mann im Herbst 1995 im Ballenstedter Ortsteil Rieder mit einem Beil in dessen Haus getötet zu haben. Aus Notwehr, weil sie sich von ihm sexuell bedrängt gefühlt hatte. Über Jahre hatte sie das Opfer als Haushaltshilfe betreut. Die Leiche will die 1,50 Meter kleine Frau Tage später allein in den Keller geschafft und dort über einen längeren Zeitpunkt verbuddelt und sogar teils einbetoniert haben. Knackpunkt des Prozesses ist der genaue Tatzeitpunkt. 1995 wäre die als Totschlag eingestufte Tat verjährt, die Staatsanwaltschaft geht jedoch von einer Tötung nach dem 20. Mai 2001 aus. 

Eine Rechtsmedizinerin ordnete am Dienstag den Zustand der Leiche und deren mögliche Liegezeit ein. Die Fachärztin sagte, grobe Gewalt gegen den Schädel habe zum Tod des Rentners geführt. Das Skelett habe einen großen Defekt und eine Kerbe am Kopf aufgewiesen, die Zertrümmerungen zeugten von großer Wucht. Wie lange die Leiche in dem Keller gelegen hatte, konnte die Sachverständige nicht sagen.

Demnach könnten es 15, aber auch 20 Jahre oder mehr gewesen sein. "Wir gucken hinterher. Uns fehlt der Abdruck der Weichteile, die nicht mehr da sind", so die Ärztin. "Ich kann es nicht weiter eingrenzen." Sie zweifelte auch an, dass die Angeklagte den Leichnam ohne Hilfe bewegt und vergraben haben will. "Schon wegen der Totenstarre ist das schwierig." Um das Skelett war nach Aussage der Sachverständigen ein Elektrokabel geschlungen, mutmaßlich um die Leiche zu fixieren und sie in das kleine Loch zu bekommen. 

Die Obduktion hatte im Oktober 2016 stattgefunden. Da war die skelettierte Leiche des Rentners gefunden und das Verbrechen bekannt geworden. Die 62-Jährige hatte anschließend die Rente des Getöteten kassiert - laut Anklage mindestens rund 105 000 Euro von März 2004 bis September 2015. Auch das hatte sie zugegeben. Der Prozess soll am 29. August fortgesetzt werden.