Handball-Nationalteam Magdeburger Grafenhorst rechnet mit Streichung aus dem WM-Kader "Berufung ging mit runter wie Öl"
32 Mal trug Yves Grafenhorst das Nationaltrikot. Dass der Linksaußen des SCM, der beim Heimsieg gegen Minden mit vier Treffern seine derzeitige Top-Form bestätigte, nach vierjähriger Abstinenz ins DHB-Team zurückkehrt, scheint trotz Nominierung für den erweiterten WM-Kader unwahrscheinlich. Für den 28-Jährigen kein Grund, Trübsal zu blasen.
Magdeburg l Yves Grafenhorst passt in der Deckung auf wie ein Luchs. Im entscheidenden Moment fängt er einen Pass ab und stürmt mit dem stibitzten Ball Richtung Tor. Oder aber: Der Linksaußen liegt fast schon in der äußersten linken Ecke im Dreck, wirft trotzdem aus spitzestem Winkel. Und wie von Geisterhand geleitet, landet der Ball tatsächlich noch im Tor ...
Dies sind Szenen, wie man sie am Samstagabend beim Sieg des SCM über Minden in der GETEC-Arena erleben durfte. Und es sind Szenen des vierfachen Torschützen, die es in den letzten Wochen und Monaten immer wieder zu sehen gab. Sie belegen eines ganz eindrucksvoll: Yves Grafenhorst hat die Balance zwischen Genie und Wahnsinn gefunden - und was noch viel wichtiger ist - konserviert.
Letzteres war sicher auch für Bundestrainer Martin Heuberger ein Grund, warum er den 32-fachen Nationalspieler aus Magdeburg, der sein erstes Länderspiel am 26. März 2004 gegen Griechenland in Athen und sein vorerst letztes am 30. Oktober 2008 in Wetzlar gegen Bulgarien bestritt, in den erweiterten 28-er Kader für die WM berufen hatte. "Heuberger hatte mir gesagt, dass ich schon länger in seinem Fokus war. Dass ich dann tatsächlich Berücksichtigung fand, ging mir natürlich runter wie Öl. Für mich war das eine Anerkennung meiner Leistungen, die ich, zumindest meiner Meinung nach, seit über einen Jahr stabil zeige", macht Grafenhorst kein Hehl daraus, sehnsüchtig auf ein solches "positives Signal von außen" gewartet zu haben.
Intern weiß der 28-Jährige, der in der Vorsaison für seinen SCM 129-mal getroffen und in der Effektivität mit einer Traum-Quote von 90 Prozent geglänzt hatte, in Trainer Frank Carstens einen großen Fan und Förderer. "Von allem seine Antizipation, sein Abwehrverhalten und seine Nervenstärke sind überragend." Sie würden Grafenhorst "aus meiner Sicht zu einem der besten Außenverteidiger in der Liga" machen, so der SCM-Chefcoach, der allerdings betonte als Co-Trainer der Nationalmannschaft keine Aktie an der Berufung zu haben: "Ich finde das natürlich gut und werte das als Kompliment für Yves\' Leistungen, die er in den letzten anderthalb Jahren gezeigt hat." Aber seine Idee sei es nicht gewesen. "Das hat Martin Heuberger alleine so entschieden."
Trotz des Ritterschlages von höchster Stelle behält Grafenhorst, der einst mit seiner augenscheinlich "schlampigen" Chancenverwertung bei Ex-Bundestrainer Heiner Brand viel Kredit verspielt hatte, die Bodenhaftung. Der für morgen avisierten Reduzierung des Kaders für das Championat in Spanien (11. bis 27. Januar) sieht er ohne Illusionen entgegen: "Ich mache mir da nichts vor, wenn der Kader auf die 18 für die WM in Frage kommenden Spieler reduziert wird, fliege ich raus."
Der Bundestrainer habe ihm bereits gesagt, dass er mit Dominik Klein (THW Kiel) und Kevin Schmidt (Wetzlar) für die WM plane. Aber das sei okay. "Ich sehe das ganz entspannt, stehe auf Abruf bereit. Und sollte ich dann doch gebraucht werden, bin ich natürlich da." Ansonsten gelte seine ganze Konzentration nach wie vor dem SCM. "Der Verein hat für mich oberste Priorität, und mich interessieren zunächst nur die verbleibenden drei Spiele bis zum Jahresende. Da wollen wir möglichst punkten und in der Tabelle noch weiter nach oben klettern."
Morgen in Göppingen, am Freitag beim TV Neuhausen und auch am 26. Dezember daheim gegen Essen müssen Grafenhorst Co. allerdings ohne Jure Natek auskommen. Der Slowene, der gerade erst sein Comeback gefeiert hatte, fällt mit einer angebrochenen Hand aus. Carstens: "Wir müssen von vier Wochen Pause ausgehen."