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Badminton Federleicht und trotzdem Arbeit

Der gebürtige Gardelegener Diemo Ruhnow hat sich gegen Jobs als Mathematiker entschieden und ist nun hauptberuflich Badminton-Bundestrainer.

Von Bernd-Volker Brahms 05.03.2017, 08:23

Gardelegen/Mühlheim an der Ruhr l Diemo Ruhnow steht in der Trainingshalle in Mülheim an der Ruhr. Auf seinem linken Arm liegen zwei Dutzend Federbälle, die aufeinander gestapelt sind. Blitzschnell schießt der Trainer einen Ball nach dem anderen auf die andere Seite des Badmintonfeldes. Sein Ziel ist es, Spielerinnen wie die 18-jährige Yvonne Li für die in dieser Woche laufenden German Open fit zu machen. Ballmaschine nennen das die Profis. Die vier Gramm schweren Bälle, die jeder einzeln aus 16 Gänsefedern bestehen, fliegen in hohe Frequenz über das Netz. Viel schneller, als sie dies in normalen Spielsituationen tun würden. Badminton ist ein Ausdauersport. Wer in die Weltspitze kommen will, muss täglich trainieren und sich vor allem fast ausschließlich auf den Sport konzentrieren.

Der 35-jährige Diemo Ruhnow, der aus Gardelegen stammt, ist Disziplin-Bundestrainer und Angestellter des Deutschen Badminton Verbandes (DBV). Der gebürtige Altmärker ist derzeit noch zuständig für das Damendoppel. Im Oktober macht er als Trainer den nächsten Karrieresprung und wird leitender Bundestrainer am Olympiastützpunkt in Saarbrücken. Dort ist er dann verantwortlich für die besten Doppel- und Mixedspieler Deutschlands. Viele Kaderathleten haben die kommenden Olympischen Spielen 2020 in Tokio fest im Blick.

Als Spieler hat es Diemo Ruhnow nie zu einem Profispieler gebracht. „Als Kind war ich total unsportlich“, sagt er. Als Trainer hat er einen riesigen Ehrgeiz entwickelt. Er hat Spaß daran, seine Schützlinge weiterzuentwickeln und voranzubringen. Anfang der 1990er Jahre, als er noch in Gardelegen lebte, hat er begonnen Tennis zu lernen. Als er später mit seiner Mutter nach Schleswig-Holstein zog, begann er beim TSV Schwarzenbek mit dem Badmintonspielen. Schon dort machte er als Jugendlicher seine erste Trainerlizenz. „Ein Trainer aus dem Verein hat drei Jungs motiviert, eine Trainerausbildung zu machen. Ich war der Einzige, der durchgehalten hat“, sagt Diemo Ruhnow.

Nach dem Abitur begann er „völlig unreflektiert“ mit dem Mathematikstudium in Hamburg, wie er sagt. Dass er es am Ende trotz seiner sportlichen Aktivitäten nach 22 Semestern auch abgeschlossen hat, zeigt seinen Ehrgeiz. Viel mehr Stunden als im Studium verbrachte Diemo Ruhnow in der Halle und trainierte Badminton. Mit 22 Jahren war er Co-Trainer beim Hamburger Verband.

Dies war auch die Zeit, als er erstmals nach China kam, 2004 reiste er für mehrere Wochen in die chinesische Hauptstadt Peking, um die Sprache zu lernen. Nicht zuletzt deswegen, weil die Chinesen eine der besten Badmintonnationen der Welt sind, hatte er sich das Land ausgesucht. Und einmal dort, wollte er natürlich auch Badminton spielen. „Ich war so bekloppt und habe mich in ein Taxi gesetzt und zehn Hallen abgefahren, ehe man mich bei einer Mädchengruppe mitspielen ließ“, erzählt Ruhnow mit einem Grinsen. Er hatte die Hindernisse in dem kommunistischen Land völlig unterschätzt. Heute kommen ihm vor allem die Sprachkenntnisse zugute. Mehrfach im Jahr ist er in Asien unterwegs. „Wenn dann bei den Turnieren die Trainingszeiten vergeben werden und ich auf Chinesisch antworte, dann kommt man schon mal schneller zum Zug.“

„Diemo ist ein sehr ehrgeiziger Trainer, der viele Extras macht“, sagt Martin Kranitz, der Sportdirektor des DBV. Mit Extras meint er die Umtriebigkeit des 35-Jährigen, der nicht nur seinen Job als Bundestrainer mit vielen Stunden in der Halle und auf Reisen bei den Turnieren macht, sondern auch Lehrvideos dreht, Workshops bestreitet und vor allem sich selbst immer noch weiterbildet. „Jupp Heynkes ging schon auf die 70 zu, als er mit Bayern München seine größten Erfolge als Trainer erzielt hat“, sagt Ruhnow. Dies Vorbild zeige ihm, dass man immer weiter an sich selbst arbeiten müsse und dazulernen könne.

Neben den spezifischen Trainingsmethoden für das Badminton, ist Diemo Ruhnow vor allem ein Athletikexperte. Im Sommer 2016 hat er noch mal ein Praktikum bei den Fußballern des HSV gemacht. Aber die große Herausforderung habe er darin nicht gesehen, die Fußballspieler einfach nur fit zu halten. „Badminton ist ein viel komplexerer Sport, gerade in den Doppeldisziplinen“, sagt Ruhnow. Ab 2007 war er mehrfach in den USA in Phoenix, wo er Kurse bei Mark Verstegen besuchte. Der amerikanische Fitnesstrainer wurde 2006 bekannt, als ihn der damalige Fußballbundestrainer Jürgen Klinsmann für die Nationalmannschaft engagierte. „Verstegen hat mich sehr beeindruckt“, sagt Ruhnow. Er habe für unterschiedliche Sportarten die Bewegungen auf dem Feld analysiert und Tipps für die richtige Athletik gegeben.

„Ich habe mein ganzes Geld immer in Reisen und in Fortbildungen gesteckt“, sagt Ruhnow. Ein Lehrer habe ihm dazu geraten. Investition in das Humankapital sei das Beste, habe dieser immer gesagt. Neben der A-Trainer-Ausbildung des Verbandes hat er an der Trainer-Akademie in Köln auch die Diplom-Trainer-Lizenz erworben und schließlich im englischen Leeds ein Sportstudium drauf gesetzt.

Als Student habe er immer bescheiden gelebt, sagt Ruhnow. „Mein erstes Auto habe ich mir mit 29 Jahren gekauft.“

Natürlich habe er mit seinem Mathematikstudium lukrative Jobs bekommen können, die ihm sicherlich mehr Geld eingebracht hätten, als das Salär, das er nun vom Deutschen Badminton Verband erhält. „Aber irgendwann muss man sich entscheiden“, sagt der Coach. Er habe sich für Badminton entschieden. „Ich bin noch lange kein fertiger Trainer“, sagt er.

An diesem Wochenende muss er ausnahmsweise mal nicht verreisen. Denn er wohnt in Mülheim an der Ruhr, wo bis morgen die Weltelite um 120.000 US-Dollar bei den German Open kämpft.

Aber er ist gerne unterwegs, für Badminton reist er um die Welt. „Es ist ein sehr internationaler Sport“, sagt Ruhnow. Fast in 200 Ländern der Welt wird er betrieben. „Und es wird immer professioneller.“ Es gibt inzwischen Turniere, die mit einer Million US-Dollar dotiert sind. Selbst von Mexikanern ist er vor einiger Zeit angesprochen worden, ob er dort als Trainer arbeiten wolle. Doch er hat andere Ziele. Viel lieber möchte er dazu beitragen, dass einer seiner Spieler die erste olympische Badminton-Medaille nach Deutschland holt. Bislang haben das weitgehend die Sportler aus China, Indonesien und Korea unter sich ausgemacht.