Leichtathletik Fricke: Zusammenhalt ist gefragter denn je
So wie er stehen nur wenige für den Sport in Halberstadt im Allgemeinen und der Leichtathletik im Besonderen: Steffen Fricke.
Halberstadt l Der 37-jährige Modellathlet hat das Bild des VfB Germania in den letzten Jahren mitgeprägt, trat bei etlichen nationalen und auch diversen internationalen Wettkämpfen an. Im Gespräch mit Sportredakteur Florian Bortfeldt erzählt er, wie der Sport unter Corona-Bedingungen abläuft.
Volksstimme: Wie geht es Ihnen?
Steffen Fricke: Danke der Nachfrage, mir persönlich geht es den Umständen gut.
Haben Sie in Ihrer Familie schon direkte Folgen von Corona zu spüren bekommen?
Gesundheitlich zum Glück nicht, aber Quarantäne und Tests haben wir schon einmal hinter uns.
Seit fast einem Jahr beschäftigt uns dieses Virus. Blicken Sie doch bitte mal auf 2020 zurück: Was war für die Leichtathleten des VfB Germania überhaupt noch möglich?
Wir haben in der Abteilung Leichtathletik einen Neustart gewagt (Volksstimme berichtete). Der neue Vorstand hatte somit einen ungünstigen Start, um überhaupt die Leichtathletik zu stabilisieren. Sportlich lief es aufgrund der Umstände nicht optimal. Es konnten nur wenige Wettkämpfe überhaupt absolviert werden. Die Wintersaison 2020 – also vor einem Jahr – lief hingegen sehr vielversprechend. Der Trainingsbetrieb lief dank aller Beteiligten sehr gut.
Welche Wettkämpfe gehörten zu den Highlights und wer konnte da konkret überzeugen?
Die Wintersaison lief wie in den vergangenen Jahren sehr gut, wie gesagt. Die jungen Athleten konnten in der ersten Jugendsaison überzeugen. Jannik Schwendt im Wurf und Kalina Krebs im Mehrkampf waren die Leistungsträger. Aber auch Newcomer wie Samara Broß im Kugelstoßen haben voll eingeschlagen.
Samara Broß kannte man bislang vom Turnen. Wie wurde sie von solchem Disziplinwechsel überzeugt? Welche Tugenden vom Turnen kann sie beim Kugelstoßen für sich nutzen?
Samara kam von allein und ist maßgeblich an der Dynamik der aktuellen Trainingsgruppe beteiligt. Sie ist unglaublich athletisch und die Turner des VfB Germania machen sehr gute Arbeit. Mein Konzept beherbergt zudem viele turnerische Elemente, was ihr somit sehr entgegenkommt. Die Sportarten haben viele parallele Inhalte, deshalb kann sie diese Sportart in jeder anderen Sportart gebrauchen.
Als das Training im Sommer 2020 wieder erlaubt war, wie sah das bei den Leichtathleten aus? Es hat ja ohnehin oft individuellen Charakter oder musste da groß umgedacht werden?
Wir sind sehr froh, dass unsere Sportler des VfB Germania sehr bewegungsfreudig sind. Dennoch ist unsere große Stärke das Team! Intensive Einheiten lassen sich in der Gruppe besser verkraften und die Vorbildwirkung durch gute Athleten ist nie zu unterschätzen, wie es die Vergangenheit auch deutlich machte.
Wer gehört neben Kalina Krebs und Jannik Schwendt zu den aktuellen hoffnungsvollen Talenten in Ihrer Trainingsgruppe?
Jeder Athlet birgt Hoffnung! Die Auswahl der Athleten kann ich/ können wir nicht bestimmen. Wir geben jedem Sportler die Chance, sich auch zu entwickeln. Welches Ergebnis herauskommt ist mir persönlich egal, solange der Mensch dahinter eine Stärkung seiner selbst vollzieht.
Sie haben viele Jahre zur nationalen Spitze im Mehrkampf dazugehört, zwischen dem 20. und 32. Lebensjahr Hochleistungssport betrieben. Nehmen Sie auch weiterhin Wettkämpfe wahr?
Ja! Wenn ich ein Zeitfenster finde. Ehrlich gesagt habe ich die Masters (Altersklasse ab 35 Jahre/ d. Red.) völlig unterschätzt und habe dort wirklich tolle Konkurrenz gefunden. Mit dem USV Halle habe ich sogar ein Team gefunden, mit dem ich dreimal Deutscher Meister in der Halle werden konnte. Aufgrund von Corona konnten jedoch die Freiluftprogramme nicht ausgetragen werden.
Da Sie derzeit keinen Mehrkampf mehr bestreiten, berichten Sie kurz, in welchen Disziplinen Sie da aufgetrumpft haben.
Ich bin einzeln gestartet und wurde im Hochsprung, Kugelstoßen und mit der 4 x 200 m-Staffel Meister des Jahres 2020.
Welches große Ziel verfolgen Sie noch?
Groß ist relativ. Ich würde mich gern vielseitiger prüfen. Fußball, Handball, Beachvolleyball, Wintersport und Boxen interessieren mich sehr. Mit CrossFit wird ein großer athletischer Bereich von mir verlangt. Ich denke, unsere erste Fußball-Herrenmannschaft weiß, was ich meine. Ja aber Ziel? Weiterhin so Verrückte mit dem selben sportlichen Niveau treffen und mit ihnen messen. Wenn es die Zeit zulässt, möchte ich eine WM-Medaille bei den Masters.
Wie oft findet so eine Weltmeisterschaft für die Seniorenklasse statt beziehungsweise wann ist die nächste?
Alle zwei Jahre, in diesem Jahr wäre Toronto der Austragungsort gewesen. Ich denke, dass es ausfallen wird. Die Hallen-WM wurde auch schon abgesagt. Toronto wäre aber nicht mein Ziel gewesen, ich warte, bis es wieder eine in Europa gibt, das dürfte in den nächsten zwei, drei Zyklen wieder soweit sein.
Durch Ihren Beruf Physiotherapeut haben Sie mehr Wissen als andere, was Muskulatur, Be- und Entlastung oder auch Erwärmung und Erholung betrifft. In welchen Situationen kommt das entgegen? Wie sehr fließt das in die Trainingsplanung mit ein?
Vieles konnte ich selektieren und optimieren. Die vielen Fortbildungen und Lehrgänge sowohl als Trainer und Physiotherapeut habe ich für mich fusioniert, herausgekommen ist ein präventives Programm für Jedermann. Sportler aus vielen Branchen haben daran Spaß.
Sie sprechen es an. Eine Branche ist der Fußball, seit einigen Jahren unterstützen Sie die Regionalligakicker als Athletiktrainer. In den letzten Jahren wurde der Fußball allgemein viel dynamischer und athletischer. Wie groß ist Ihr Anteil in einer normalen Trainingswoche bei den VfB-Fußballern?
Schon seit der Ära Petersen bin ich voll in der Regionalligamannschaft eingebunden und dies erfüllt mich auch, zumal die angesprochenen Dinge gerade jetzt im Fußball mehr denn je gebraucht werden. Die Cheftrainer (der letzten Jahre) und ich planen bzw. planten somit alle Einheiten. Das funktioniert super und ich bekomme volles Vertrauen. Zwei- bis dreimal wöchentlich stehe ich auch mit der Mannschaft auf dem Platz. Auch hier gibt es viele Parallelen zur Leichtathletik. Einige Dinge müssten jedoch deutlich mehr in der Jugend stattfinden. Das ist auch der Grund, warum es für unsere Jugendkicker sehr schwer ist, Anschluss in der Regionalliga zu finden. Danny König macht aktuell einen sehr guten Job und ich bin mir sicher, dass die Fußballer auf Kurs sind.
Und wie halten sich die Leichtathleten des VfB Germania derzeit fit? Geben Sie uns einen konkreten Überblick.
Im Zeitalter des Internet sind wir gut verknüpft. Der Plan steht und jeder versucht den Plan so gut es geht umzusetzen. Jetzt im Winter stehen die Grundlagen in Kraft und Sprint- ausdauer an. Die Pläne werden täglich oder wöchentlich per Mail verteilt. Leider ist es weniger individuell berechnet. Ich bin aber überzeugt, dass es fruchtet. In diesen Zeiten ist es wichtiger fit zu bleiben, jedoch ist die Vorfreude auf ein normales Leben sehr groß.
Womit wir wieder bei Corona sind. Fürchten Sie langfristigen Schaden in Sachen Ehrenamt und Sportvereine nach dieser Krise?
Nach dieser Krise? Wir waren leider vorher schon stark angeschossen. Jetzt hoffe ich, dass die Gesellschaft sieht, dass es noch wichtiger ist zusammen zu stehen. Ich würde mich persönlich sehr darüber freuen, wenn der Sport wieder einen hohen Stellenwert bekommt. Zusammenhalt, Stärken, Schwächen, Gesundheit, Selbstfindung – das alles ist gefragter denn je. Ideen hätte ich auch schon bzw. gab es in der Vergangenheit mal was, was helfen könnte.
Welche Ideen meinen Sie damit konkret?
Kurz gesagt würde ich die Schulen bzw. Land und Bund binden. Die Sportlehrer sind an den Schulen stark vertreten und müssten dort vor Ort viel mehr agieren und Rückhalt bekommen. Zeitlich könnte man somit den Schülern entgegenkommen. Schulvergleiche und kleine Wettkämpfe wären mehr vertreten und somit prominenter. Das gilt im Übrigen für alle Sportarten. Vereine müsste es somit nicht mehr geben bzw. diese würden von den Schulen entlastet im Schüleralter. Diese Dinge sind nicht neu! Pläne gibt es genug aus der Vergangenheit. Wir müssen aber jetzt handeln, wenn nicht so viele Schüler körperlich rückständig und untrainiert bleiben sollen. Zudem sollte sich der Sportbund mal strecken und von den Hüpfburgen wegkommen. Etwas mehr Ernsthaftigkeit wäre schon schön.
Die aktuelle Krise hat für viele Familien viel verändert, man verbringt mehr Zeit miteinander. Sie selbst sind dreifacher Vater. Wie sieht der Alltag mit Homeschooling etc. im Hause Fricke aus?
Wir haben drei fröhliche und gesunde Kinder mit einem Abstand von ca. drei Jahren, mein ältester Sohn ist sieben. Die Feiertage und Ferien haben sich fast wie immer angefühlt. Wir mögen die Natur und sind bei Wind und Wetter unterwegs. So kann sich ein Elternteil mal individuelle Zeit für jedes Kind nehmen. Jetzt sind wir angewiesen auf die Notbetreuung, da meine Frau und ich für viele andere relevant sind. Die kurze Freizeit haben wir mit Abstand zu anderen an frischer Luft verbracht und wenn ein Kind zusätzliche Fürsorge braucht, bekommt es diese. Es sind andere Umstände und wir versuchen familiär so stabil wie möglich zu bleiben.
Gibt es etwas Positives, das Sie aus der aktuellen Situation ziehen?
Ja, mir ist bewusst geworden, dass sich das Leben täglich ändern kann und dass wir in den vergangenen Jahrzehnten auf sehr hohem Niveau gejammert haben. Ich hoffe viele wurden geerdet und sehen jetzt die wesentlichen bzw. wichtigen Dinge mehr und schätzen diese.
Sollte es in Richtung Sommer wieder Normalität geben, wie sehen die Planungen für 2021 beim VfB Germania aus? An welchen Wettkämpfen plant der Verein teilzunehmen bzw. was gibt es womöglich im Friedensstadion für Höhepunkte?
Aktuell wurde alles gestrichen bis Ende Februar, eine Wettkampfplanung ist daher nicht möglich. Selbst die nationalen Meisterschaften, die ich im Deutschen Leichtathletik-Verband betreue, wurden abgesagt. Eingangs erwähnte ich unsere neu besetzte Abteilung. Diese ist am Sortieren und Finden. Welche Form das in diesem Jahr annimmt, kann ich gar nicht sagen. Erstmal ist allen bestmögliches Durchhalten und Gesundbleiben zu wünschen.
Sie sind auf vielen Ebenen mit viel Leidenschaft dabei. Was sieht der Lebensplan des Steffen Fricke vor, wie lange möchten Sie für den Sport noch da sein?
Leichtathletik, Fußball und viele andere Sportarten haben mich geprägt. Die Leichtathletik am meisten und eindrucksvollsten. Leichtathlet ist man dann immer zuletzt, weil man immer solche Interviews geben muss und darauf reduziert wird (lacht). Ich gehe nämlich auch gern angeln. Bei solchen Fragen kommen wieder viele Erinnerungen hoch. Aktuell bin ich sehr wenig für die Leichtathletik da. Das war mir aber bewusst, denn Familie ist eine eigene Disziplin! Ich stehe natürlich immer zur Verfügung und wenn es nur theoretisch ist. Hier fällt mir übrigens mein Leitspruch in Sachen Ehrenamt ein: Singles oder Rentner müssen es reißen. Und spätestens wenn meine Jungs im ernsthaften Alter sind und Lust verspüren, auf Papas Pfaden zu wandeln, werde ich mich wieder zeitlich mehr aufstellen.
Wie würden Sie Ihre Wünsche für das neue Jahr formulieren?
Aktuell ist nur jedem zu wünschen, dass er/sie gut und unversehrt durch diese weiterhin andauernde Krise kommt. Nebenbei könnten Werte und Normen auch mal wieder modern werden. Sportlich wünsche ich mir eine neue Anordnung und Wertigkeit. Sport ist nicht da, um Geld zu verdienen, Sport macht man einfach. Ich wünsche mir, dass jeder Sportler auf seinem Niveau gleich und realistisch entlohnt wird.