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DFB-Pokalfinale Leipziger Meilenstein oder Dortmunder Machtdemonstration?

Leipzig kann zum ersten Mal Pokalsieger werden, für Dortmund wäre es der erste Titel seit 2017. Für die Trainer ist es die letzte Chance, in ihrer aktuellen Rolle etwas zu gewinnen..

Von Tom Bachmann und Heinz Büse, dpa 12.05.2021, 11:20
Will sich mit dem Pokalsieg aus Leipzig Richtung München verabschieden: RB-Coach Julian Nagelsmann.
Will sich mit dem Pokalsieg aus Leipzig Richtung München verabschieden: RB-Coach Julian Nagelsmann. Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa

Berlin - Borussia Dortmund geht es um die Rettung einer weiteren mäßigen Saison, RB Leipzig um nicht weniger als einen Meilenstein und die erste Trophäe in der Vitrine.

Die Ausgangsposition der beiden Pokal-Finalisten könnte am Donnerstagabend (20.45 Uhr/ARD und Sky) zwar kaum unterschiedlicher sein, der Titelhunger ist dagegen auf beiden Seiten gleich groß. „Wir sind besser als vor zwei Jahren, wir sind reifer geworden. Das wird ein völlig ausgeglichenes Spiel. Alles, was davor war, kann man streichen. Es wird einzigartig“, sagte Leipzigs Yussuf Poulsen.

Der Stürmer ist seit Drittliga-Zeiten im Club und war 2019 bei der Finalniederlage gegen Bayern München dabei. Dortmunds bisher letztes Pokal-Endspiel datiert aus dem Jahr 2017. Der BVB gewann zwar gegen Frankfurt, doch es war der einzige Titel in den vergangenen neun Jahren. „Das ist zu wenig“, räumte Sportdirektor Michael Zorc ein. „Deswegen fliegen wir nach Berlin, um wieder einen Titel zu holen.“

Es gibt zudem nicht viele Spieler in seiner Mannschaft, die schon bedeutende Titel gewonnen haben. Das trifft - bei allem Respekt vor der österreichischen Meisterschaft - vor allem auf BVB-Star Erling Haaland zu. Der Angreifer ist seit Dienstag wieder im Training und dürfte zutiefst motiviert sein, das fehlende Puzzlestück Titel zu seiner Dortmunder Zeit hinzuzufügen. Haalands Bilanz gegen Leipzig ist herausragend: Zwei Spiele, vier Tore. Unter einem Doppelpack macht es der Norweger offenbar nicht. Beim 3:2 in der Bundesliga gegen RB am Samstag hatte der 20-Jährige noch verletzt gefehlt.

Doch Haaland ist nicht der einzige Ungekrönte in der Hochbegabten-Ansammlung der Borussia. Jude Bellingham, Giovanni Reyna, Jadon Sancho und Thorgan Hazard kennen das Gefühl eines nennenswerten Titels auch noch nicht. Selbst Kapitän Marco Reus hat nur den Pokalsieg 2017 in seiner Vita stehen. „Wir wollen den Pokal nicht nur angucken, sondern auch anfassen nach dem Spiel“, sagte Trainer Edin Terzic. „Wir geben das Versprechen, dass wir alles daransetzen werden, den Pokal zu gewinnen.“ Es wäre der fünfte.

Das Gipfeltreffen im leeren Berliner Olympiastadion ist nicht nur für die Clubs, sondern für die beiden Trainer von spezieller Bedeutung. Sowohl für Terzic als auch für Julian Nagelsmann ist es die letzte Chance, in ihrer aktuellen Position einen Titel zu gewinnen. Terzic wird im Sommer von Marco Rose abgelöst, Nagelsmann würde gern mit mehr als der U19-Meisterschaft 2014 in der Statistik zum FC Bayern München wechseln.

Die Messlatte hat sich insbesondere Nagelsmann sehr hoch gelegt. „Ich liebe es, eigene Fußstapfen zu hinterlassen“, hatte der 33-Jährige bei seinem Amtsantritt in Leipzig betont. In Berlin muss es also klappen, bevor er die Abkürzung zu Ruhm und Ehre, sprich zu den Bayern, nimmt. Vielleicht geht es dem in seinem Karriereplan stets kühl kalkulierenden Nagelsmann auch darum, trotz seines vorzeitigen Abgangs noch einen Platz in den Herzen der Leipziger Fans zu finden.

Dass die Anhänger beider Clubs nicht im Stadion sein können, schmerzt Spieler und Trainer natürlich. Es hätte zudem für zusätzlichen Zündstoff gesorgt. Denn es gibt nicht viele Vereine, die ihre Sicht auf den Fußball unterschiedlicher vermarkten. Hier die Borussia mit der „echten Liebe“ und der Tradition, dort das mit österreichischen Brause-Millionen hochgezogene Kunstprodukt mit der „You can do anything“-Einstellung. Unvergessen ist, wie der Konflikt 2017 in Dortmund mit gewalttätigen Angriffen auf Leipziger Fans eskalierte.

In der Führungsetage hat man mittlerweile einen gemeinsamen Nenner gefunden. „In den letzten Jahren sind wir enger zusammengerückt, weil wir als junger Club immer schauen, was wir von den erfolgreichen Vereinen lernen können“, sagte RB-Boss Oliver Mintzlaff der „Sport Bild“ - und Watzke spielte den Ball sauber zurück: „Ideologische Grabenkämpfe liegen hinter uns.“

Bleibt also der Kampf um die Nummer zwei im Land hinter dem FC Bayern. Hier hat der BVB bei diversen Parametern noch die Nase vorn, ein Sieg in Berlin wäre ein Statement. Andererseits könnte ein Pokalsieg von Leipzig ein erstes nachhaltiges Zeichen einer Wachablösung sein. Mintzlaff versprach: „Wir attackieren! Das ist unsere Rolle.“