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Handball Der SCM kämpft ums Überleben

Was der permanente Verzicht auf Zuschauer für die Finanzen bedeutet, erklärt Marc-Henrik Schmedt, Geschäftsführer der SCM-Handballer.

Von René Miller 03.12.2020, 00:01

Magdeburg l Leere Ränge in der Getec-Arena, aber zahlreiche laufende Kosten. Beim SC Magdeburg ist durch die Corona-Pandemie nichts mehr so, wie es mal war. „Mit einem normalen Spielbetrieb hat das alles nichts mehr zu tun. Heimspiele gibt es ja faktisch nicht mehr“, sagt SCM-Geschäftsführer Marc-Henrik Schmedt mit einer ordentlichen Portion Frust in der Stimme und fügt mit einem sorgenvollen Blick hinzu: „Wir haben einen absoluten Ausnahmezustand und es geht derzeit nur darum, das Überleben des Clubs in den nächsten Monaten zu sichern.“

In einer normalen Saison konnten die Grün-Roten pro Heimspiel einen Umsatz von rund 250 000 Euro verbuchen, wovon rund 100 000 Euro die verkauften Tickets bei einem Zuschauerschnitt von rund 6300 waren. Von solchen Zahlen kann der SCM aktuell nur träumen. Die in den ersten drei Bundesliga-Spielen jeweils zugelassenen 2000 Zuschauer brachten pro Partie durch den Tagesticketverkauf lediglich rund 20 000 Euro ein. „Die ganzen Einschränkungen waren für unsere Fans schon eine ziemlich große Zumutung. Trotzdem haben alle toll mitgemacht und sich an die Regeln gehalten“, lobt Schmedt, der am Dienstag seinen 51. Geburtstag feierte.

Dass es seit November nur noch Geisterspiele gibt, findet er natürlich schade. Schmedt: „Das Hygienekonzept im Handball ist nach dem Saisonstart aufgegangen. Uns ist kein Infektions-Hotspot hieraus bekannt. Trotzdem können wir uns nicht über die Gesellschaft stellen und müssen wie andere betroffene Bereiche auch die aktuellen Regelungen akzeptieren.“

Der Jahresumsatz des SCM von rund sieben Millionen Euro setzt sich zu 70 Prozent aus Sponsorengeldern, 25 Prozent Zuschauereinnahmen und 5 Prozent an Sachleistungen und TV-Geldern zusammen. Anders als im Fußball ist Letzteres überschaubar. Der aktuelle TV-Vertrag und die Namensrechte bringen jedem Handball-Bundesligisten rund 220 000 Euro pro Saison. Aber ohne Zuschauereinnahmen wird es für die Handball-Clubs in Corona-Zeiten finanziell ein absoluter Drahtseilakt.

Schmedt: „Dass wir bei unserem Sponsorenpool sehr breit aufgestellt sind, kommt uns in diesen schweren Zeiten entgegen. Wir haben in den letzten Jahren auch ordentlich gewirtschaftet und dadurch einige Rücklagen. Außerdem werden wir weiterhin von unseren Sponsoren und Fans getragen, obwohl die gar nicht zu den Spielen dürfen. Auch mit den Verantwortlichen aus der Politik gibt es einen engen Informationsaustausch. Wir spüren eine extreme Solidarität. Alle wissen, was sie an ihren Vereinen in Sachsen-Anhalt haben.“

Das Engagement der Sponsoren ist beim SCM eng damit verbunden, für die Heimspiele auch Tickets zu bekommen. Weil der Verein das gegenwärtig nicht leisten kann, gingen in dieser Woche Briefe an die Sponsoren raus, wo Möglichkeiten einer Kompensation angekündigt werden. Unter anderem plant der SCM als Ausgleich im nächsten Sommer den Hummel-Cup, zu dem die Top-Teams Kielce, Vardar Skopje und Aalborg nach Magdeburg kommen sollen. Auch zusätzliche VIP-Plätze für die nächste Saison oder eine zweite Werbebande sollen für Ausgleich sorgen. Denn Leistungen ohne Gegenleistungen könnten laut „Handball Inside“ steuerlich ein Thema werden, indem die Zuwendungen als Schenkung und nicht mehr als Kosten vom Finanzamt ausgelegt werden.

Schlimmstenfalls kämen auf die Clubs der Profiligen auch noch in drei Jahren Rückzahlungsforderungen aufgrund der aktuellen Krise zu. Bei möglichen Insolvenzen von Sponsoren könnten die Insolvenzverwalter nämlich innerhalb dieser zeitlichen Frist Beträge aus dem Sportsponsoring zurückfordern. Das müssen die Bundesliga-CIubs deshalb in ihren Bilanzen berücksichtigen.

Zu beurteilen, wie es nach der Pandemie aussieht, gleicht eher einem Blick in die Glaskugel. Schmedt: „Und das macht es auch schwierig, finanziell alles bis ins letzte Detail aufzuschlüsseln. Hier ändern sich wöchentlich die Grundlagen.“ Eine große Hilfe für die Vereine wird auch vom Staat kommen. Die bisherigen „Corona-Hilfen Profisport“ sehen vor, dass bis zu einer Summe von 800 000 Euro die fehlenden Zuschauereinnahmen zu 80 Prozent ersetzt werden.

Aufgrund der großen Halle und eines Zuschauerschnitts von rund 6300 in den letzten Jahren würde der SCM von einer möglichen Neuregelung profitieren. In einer normalen Saison fließen rund 1,8 Millionen Euro durch die Zuschauer in die Vereinskasse. Mit den 800 000 Euro könnten die Grün-Roten nur rund 45 Prozent ausgleichen. Weitere Hilfen, die im Bundestag beschlossen werden sollen, lassen sich noch nicht abschließend beziffern. Von eventuellen Förderungen bis drei Millionen Euro ist die Rede. Hier müssen aber erst die Richtlinien definiert werden.

Während andere Clubs die Kürzung von Gehältern sogar öffentlich bekanntgegeben haben, hielt sich der SCM bedeckt. Schmedt: „Es liegt auf der Hand, dass sämtliche Kostenpositionen in einer derartigen Ausnahmesituation kritisch überprüft werden und alle Beteiligten ihren Anteil bereits beigetragen haben oder noch beitragen werden. Letztendlich sind das aber vertrauliche Inhalte von Arbeitsverträgen.“

Das Geld des Steuerzahlers kommt auch nicht auf Zuruf. Dafür muss eine entsprechende Verlustsituation prognostiziert werden, wofür das Jahr 2019 als Vergleichsgröße herangezogen wird. Angerechnet werden dabei auch die sogenannten „Corona-Kleinbeihilfen“. Und nach Abschluss der Saison folgt eine Nachkontrolle der Finanzbehörden, was auch zu Rückforderungen führen kann. Dass Schmedt lange Jahre im Fördergeschäft tätig war und derartige Abläufe kennt, bevor er 2010 die Geschäftsführerposition beim SCM angetreten hat, ist in der aktuellen Situation sicher kein Nachteil.