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Handball Wenn Sky den SC Magdeburg überträgt

Pay-TV-Sender Sky überträgt Handball live. Beim Topspiel SC Magdeburg gegen Leipzig warf die Volksstimme einen Blick hinter die Kulissen.

Von Anne Toss 17.10.2017, 01:01

Magdeburg l Halbzeit im Spiel SCM gegen SC DHfK Leipzig, letztere liegen mit fünf Toren hinten. „Ein echtes Debakel“, stöhnt Stefan Kretzschmar, als er den Aufenthaltswagen von Sky auf dem Parkplatz hinter der Getec-Arena betritt. In knapp einer Stunde wird er im Anschluss an das Top-Spiel den Handball-Talk moderieren, von Ausgeglichenheit keine Spur. Wie auch. „Ich hab gerade schlechte Laune, bin auf Krawall gebürstet. Das könnte für die Show nachteilig sein“, sagt er und zieht erst einmal an seiner Zigarette. Der ehemalige SCM-Top-Handballer Kretzschmar sitzt seit 2009 im Aufsichtsrat der DHfK-Handballer, dass sein Team hinten liegt, schmeckt ihm gar nicht.

Rainer Bartels, Leiter der Talk-Show, versucht zu beschwichtigen. „Sie müssen ja nur ein bisschen besser spielen.“ „Die müssen nicht mal besser spielen, die müssen nur ihre Torchancen reinmachen“, poltert Kretzschmar. Bartels grinst. Sky hat Kretzsche genau aus diesem Grund verpflichtet: Weil er eine Marke ist, Wiedererkennungswert hat, polarisiert. „Kretzsche soll Kretzsche bleiben“, sagt Bartels. Und das Handballangebot von Sky mit seiner Talkshow bereichern, bestenfalls für mehr Abonnenten sorgen.

Seit der Saison 2017/2018 wird die Handball-Bundesliga nicht mehr von dem Sender Sport 1, sondern in einer Medienpartnerschaft von Sky und ARD/ZDF übertragen. Eine „maximale mediale Präsenz“ sowie „mehr Reichweite, mehr Spiele, mehr Qualität“ sollen den Handballsport laut einer Pressemitteilung von Sky als Ballsportart Nummer zwei in Deutschland etablieren.

Die Talkshow von Kretzschmar ist dabei nur ein Baustein von vielen, es werden alle 306 Bundesliga-Spiele gezeigt, inklusive einer Konferenz am Sonntag. „Die Erwartungshaltung an uns ist natürlich groß. Zum einen, weil wir mit unserer Fußballberichterstattung hohe Maßstäbe gesetzt haben. Zum anderen, weil unsere Zuschauer dafür bezahlen“, sagt Dirk Böhm, Pressesprecher des Sky-Medienkonzerns. Der neue TV-Vertrag ist allerdings nicht unumstritten, insbesondere wegen der damiteinhergehenden Sonntagsspiele um 12.30 Uhr sowie der Qualität der Übertragung stand Sky bereits in der Kritik. Kommentiert wird das aber kaum, man gibt sich selbstbewusst.

„Die Vereine müssen sich neue Angebote überlegen und tun das ja auch“, sagt Sebastian Müller, Leiter der Live-Übertragung, am Rande des Derbys. Einige würden beispielsweise bereits zum Brunch in die Halle einladen. Dass die Stuttgarter Zeitung vor wenigen Tagen nicht nur einen Besucherrückgang beim TVB Stuttgart konstatierte, sondern in der gesamten Bundesliga, und diesen an den neuen Anwurfzeiten festmachte – Nebensache. Das stimme so nicht.

Hinzu kommt die Aufregung über die Anzahl der Kameras. „Ich finde die Diskussion darüber nicht zielführend. Wir begleiten ein Handballspiel in der Regel mit fünf bis sechs Kameras und brauchen auch nicht mehr. Bei Fußballspielen in England sind über 30 Kameras aufs Spiel gerichtet, viele davon werden aber nur für wenige Sekunden genutzt“, sagt Böhm.

Dass eine Produktion nur dann gut sei, wenn viele Kameras vor Ort sind, hält er somit für einen Irrglauben. In der Getec-Arena war Sky mit sieben Kameras vertreten, gemischt wurden die Bilder direkt in dem Übertragungswagen vor der Arena. Dem Domizil von Sebastian Müller.

„Beide zeigen, beide“, sagt dieser, sein Blick ist auf die zahlreichen Monitore vor ihm gerichtet. Der Kameramann reagiert, zoomt raus, neben Reporterin Katharina Kleinfeldt sind nun die Spieler Robert Weber (SCM) und Philipp Weber (DHfK Leipzig) im Bild zu sehen. „Genau, die drei. Das ist schön. Das war’s, Dankeschön.“ Müller ist mit jedem Kameramann verkabelt, er sagt, was er sehen will, und die Kameramänner setzen es um.

„Das hat doch wunderbar geklappt da oben“, sagt Müller und nimmt die Kopfhörer ab. Bisher läuft alles nach Plan. Dem Zufall überlassen wird an solch einem Tag sowieso nichts, auf die Sekunde sind die einzelnen Beiträge geplant. Moderatorin Christina Rann und Experte Henning Fritz haben genau zwei Minuten und 35 Sekunden Zeit für ihre Begrüßung, die darauf folgende Magnetaufzeichnung (Maze) läuft drei Minuten, das Statement vom Trainer folgt mit 30 Sekunden… Die Schwierigkeit für Müller liegt darin, den Plan auch einzuhalten.

Als draußen ein weißer Porsche am Ü-Wagen vorbeirollt, drehen sich die Mitarbeiter um. An der Hand auf dem Lenkrad blitzt ein Totenkopfring auf, auf dem Kopf sitzt eine schwarze Mütze mit dem Fackelmann-Logo. Ex-Box-Profi Axel Schulz ist da. Er wird als Gast in der Talkshow von Stefan Kretzschmar auftreten. Talk-Show-Chef Rainer Bartels gibt ihm noch kurz mit auf den Weg, dass er in der Gesprächsrunde auch gerne mal dazwischenfragen dürfe. „Kein Problem, dit kriegen wir schon hin“, entgegnet Schulz und verschwindet in der Arena.

Dass auch Gäste, die nicht aus der Handball-Welt kommen, in die Talk-Show eingeladen werden, ist Teil des Konzepts. „Wichtig ist eben die richtige Mischung. Die Zuschauer, die handball-affin sind, bekommen ihre Infos. Aber es darf eben auch nicht zu handballspezifisch sein“, sagt Bartels. Wie es bisher so läuft? „Erschreckend gut.“

Einen Handball-Talk habe es im deutschen Fernsehen bisher noch nicht gegeben, es sei ein geiles Projekt. Und die Handball-Welt nehme es an. „Dass Spieler und Trainer nach einem Spiel noch für die Sendung bleiben, hat ja auch etwas mit Anerkennung zu tun“, sagt Bartels. Nur in den Zuschauerzahlen spiegelt sich das bisher noch nicht wieder. Die erste Ausgabe von Kretzschmars Talkrunde sahen lediglich 10.000 Zuschauer, ein Marktanteil von 0,1 Prozent.

Doch an diesen Zahlen will sich Sky nicht messen lassen: „Die Reichweite einer Sendung ist für uns nicht der dominante Maßstab für ihre Bewertung. Für uns steht vor allem die Kundenzufriedenheit im Mittelpunkt“, erklärt Böhm. Und die werde anhand von Umfragen ermittelt. „Reichweite kommt von der ARD, von uns kommt alles für den Fan“, fügt er noch an. Wie viele Fans deshalb ein Abo abgeschlossen haben, ist noch nicht bekannt.