Biederitz l Es ist gar nicht so lange her, da wurden bei Hartmut Krüger die Erinnerungen an die alten Zeiten geweckt. Der 62-Jährige saß daheim im Sessel, schaute fern. Und sein Handball-Herz hüpfte vor Freude, denn er hatte während der Live-Übertragung des Final-Four die vergessen geglaubten Magdeburger Handballtugenden wiederentdeckt. Die attraktive Spielweise begeisterte den einstigen Linksaußen ebenso wie Kampf und Leidenschaft. All das hatte auch zu seinen Zeiten das Spiel der "Grün-Roten" geprägt und die Fans in den Bann gezogen.
Vor allem "die intelligente und kreative Regie sowie die Dynamik und Schnelligkeit von Spielmacher Marko Bezjak" hat Krüger mit seinem "zugegeben oft sehr kritischen Auge eines ehemaligen Spielers und Trainers" als Erfolgsgeheimnis des wiedererstarkten SCM ausgemacht. "Schade, dass es nicht zum Pokalsieg gereicht hat. Die Jungs hätten es verdient gehabt."
Das mit den Titeln und Triumphen war zu seiner aktiven Zeit anders. Auch wenn das die kleine "SCM-Gedächtnis-Ecke" im Büro des Unternehmers, der seit 21 Jahren erfolgreich mit Baukränen handelt, nicht vermuten lässt. Hier findet sich nur ein Bruchteil der Erfolgsgeschichte wieder, die die "goldene Generation" des SCM mit Ausnahmespielern wie Ernst Gerlach, Wieland Schmidt, Günter Dreibrodt und Ingolf Wiegert damals geschrieben hat.
Krüger, gebürtiger Güsener, 1,78 Meter groß und dennoch lange für zu klein befunden, um Handball zu spielen, kam erst in der 9. Klasse zur Kinder- und Jugend-Sportschule. Mit dem SC Magdeburg wurde er siebenmal DDR-Meister und gewann zweimal den Europapokal der Landesmeister (1978 und 1981). "Ich glaube, wir haben damals sogar zwölf Jahre zu Hause in der Gieselerhalle kein Spiel verloren. Wahnsinn, wenn ich mir das heute so vorstelle."
Diese Erfolgsserie, davon ist der 157-malige Auswahlspieler, zweimalige WM-Dritte und Olympiasieger von 1980 fest überzeugt, ist untrennbar verbunden mit dem Namen Klaus Miesner. "Er war ein Trainer aus dem Bilderbuch. Ein Psychologe, eine Autorität und einer, der viel Fingerspitzengefühl für junge Spieler hatte." Und er habe es verstanden, die Spieler an der langen Leine zu lassen. "4, 5 Bier nach einem wichtigen Sieg, das hat er durchgehen lassen. Nur Schnaps und Rauchen waren tabu", erinnert sich der Flügelflitzer an manch durchgefeierte Nacht.
Mit 19 Jahren mischte Krüger erstmals bei der ersten Mannschaft mit. Bis zu dreimal am Tag wurde trainiert. "Es herrschte Disziplin und die Hierarchie war klar. Wenn du als Junger die Alten mal hart angegangen bist, dann gab es böse Blicke. Trotzdem haben wir Dampf gemacht." Als er 1986 seine Karriere als 33-Jähriger mit WM-Bronze beendete, war er bereits Co-Trainer von Miesner.
Als dieser 1989 infolge eines Herzinfarktes starb, trat Krüger in die Fußstapfen seines Lehrmeisters: 1991 gewann der SCM die Meisterschaft. Trotz schwieriger Zeiten. "Die gesellschaftlichen Veränderungen stellten uns vor große Probleme. Es war schwer, die Spieler zu halten", erinnert sich der damalige Coach. Nur zwei Jahre später sollte er selbst die Mechanismen des Geschäfts zu spüren bekommen. Als der SCM 1993 das letzte Heimspiel der Saison verlor und statt Vierter nur Achter wurde, servierte Manager Bernd-Uwe Hildebrandt ihn trotz gerade verlängerten Zweijahresvertrages ab. Ingolf Wiegert trat die Nachfolge an.
Krüger zog sich aus Enttäuschung und Verärgerung, "vor allem über die Art und Weise des Rauswurfes" aus dem Bundesligageschäft zurück. "Das Ganze hatte mich auch gesundheitlich sehr mitgenommen. Ich wollte einfach meine Ruhe haben", blickt der Diplomsportlehrer auf die Schattenseiten seines Handballer-Lebens zurück.
Der geschasste Coach, der noch einige Jahre als Junioren-Nationaltrainer beim DHB tätig war, gründete 1994 mit Ehefrau Vera eine Kranhandelsgesellschaft und stieg später als Sponsor beim SCM ein. Doch auch das ist Geschichte. 2013 zog Krüger, eines der ersten Mitglieder der "Hall of Fame" des SCM, einen Schlussstrich.
Er gab seine Dauerkarten ab und besuchte seitdem kein Spiel mehr. Der Grund: "Ich konnte mich mit der Spielweise unter Trainer Frank Carstens nicht anfreunden. Mir fehlten Herz, Leidenschaft und Biss. Kreativität wurde unterbunden und die jungen Spieler bekamen kaum eine Chance." Und er, einer der "Altvorderen", hatte das Gefühl, "dass unsere Meinung und Sachverstand bei der neuen Vereinsführung nicht gefragt waren. Irgendwann hat meine Frau gesagt: Wenn du dich immer so aufregst und ärgerst, dann geh' doch lieber angeln."
Inzwischen hat Krüger seinen Frieden mit sich und dem Verein gemacht. "Es war eine schöne und sehr erfolgreiche Zeit. Aber ich kann auch gut damit leben, wie es jetzt ist." Dass er dennoch nicht ganz loslassen kann, wird deutlich, als es um die Zukunft des SCM geht. Vor allem im Nachwuchsbereich scheine einiges im Argen zu liegen, meint Krüger. "Ich kann nicht nachvollziehen, dass es Überlegungen gibt, die Youngsters abzuschaffen. Damit geben wir den größten Faustpfand aus der Hand, den der SCM all die Jahre hatte."