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Volksstimme-Serie "Damals war‘s" (1): Handball-Trainer Lothar Maruhn Hochgekrempelte Hosenbeine sind unverkennbares Markenzeichen

Von Sandra Arm 03.09.2011, 04:39

Die Volksstimme wagt in den kommenden Wochen ein Blick in die Sporthistorie. In der Serie "Damals war‘s" werden Sportgrößen aus dem Salzlandkreis vorgestellt, die in der Vergangenheit auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene außergewöhnliche Erfolge feierten. Heute: Der frühere Handball-Trainer Lothar Maruhn.

Staßfurt. Da stand also Lothar Maruhn nochmal mit hochgekrempelten Hosenbeinen an der Seitenlinie und gab lautstark Anweisungen. Diese waren für seine ehemaligen Schützlinge bestimmt, die über das Parkett der Paul-Merkewitz-Halle in Staßfurt wirbelten und sehenswerte Kabinettstückchen zeigten. Der Handballtrainer im Ruhestand hatte nämlich zum Zehnjährigen geladen. "Wir haben uns vorgenommen, dass wir uns immer nach bestimmten Höhepunkten treffen. So haben wir vor zehn Jahren das letzte Punktspiel in Langenweddingen bestritten", erklärte Maruhn.

Die hochgekrempelten Hosenbeine der Trainingshose wurden zu Maruhns Markenzeichen. "Ich habe sie unbewusst umgekrempelt. Sie waren das Kennzeichen von Erfolg." Und Erfolge feierte er zahlreiche mit seinem Team, das sich unter anderem mit jeweils drei Titeln auf Bezirks- und Landesebene sowie einem bei der Norddeutschen Meis- terschaft in die Geschichtsbücher eintrug.

Die Erfolgsstory begann im Wendejahr 1990, als eine kleine Gruppe von Kindern wie Martin Wartmann, Tobias Rindert oder Carsten Kommoß in der Grundschule-Nord unter der Leitung des Sportlehrers Die- ter Kind mit dem Handballspielen anfing. Aber das war den Kindern nicht genug, so dass sie mit Gründung des SV Concordia Staßfurt im Jahr 1991 nun richtig im Verein das Handball-Abc erlernten. Die Gruppe übernahm Maruhn, der schon früh wusste: "Der Weg zur Bundesliga beginnt in der E-Jugend". Für den gebürtigen Westeregelner war es nicht die erste Mannschaft, die er als Trainer betreute, aber die wohl erfolgreichste.

"Die Lehrer waren alle Handballer"

Maruhn kam erst spät mit Handball in Berührung. "Das war in der siebenten Klasse. Die Lehrer waren alle Handballer und haben mächtig für den Sport geworben", erinnerte er sich. Also schnürte er fortan für den Heimatverein in Wes- teregeln die Schuhe, wechselte zwischenzeitlich zum SC Magdeburg und legte bereits mit 18 Jahren seinen Übungsleiter ab. Sein Wissen sollte erstmals 1967 zum Einsatz kommen. Als er 1970 von der Armee in die Heimat zurückkehrte, lehrte er an der Uhland-Schule und trainierte die Mädchen der ers- ten bis zehnten Klassen. Es folgte die A-Jugend der SG Dynamo/Motor Staßfurt und als krönender Abschluss die erfolgreichste Zeit mit den Jahrgängen 1981/82 bei Concordia. "Für Staßfurt war es ein goldener Jahrgang, wenn man von den Erfolgen ausgeht."

In der E-Jugend fing nun alles an. Die ersten Punktspiele wurden in der Landesliga bestritten. Allerdings fehlten im ersten Spiel noch Trikots. "Wir wollten unser erstes Spiel machen und hatten keine Jerseys", erinnerte sich Maruhn, der sich in der Not zu helfen wusste. "Wir sind mit den alten weinrot gestreiften Trikots von der SG Motor/Dynamo Staßfurt aufgelaufen." Im nächsten Spiel war das Trikotproblem dann gelöst. Im ersten Jahr erreichte das Team einen guten Mittelfeldplatz, das Potenzial aber war unverkennbar, so dass in der darauffolgenden Serie keine Partie verloren ging. Es wurde am Ende Bezirksmeister und setzte sich zusätzlich mit dem Landesmeistertitel die Krone auf.

"Ich war kein Ruhiger an der Seitenlinie"

Bei Maruhn ging es meist alles andere als leise zu. "Ich war kein Ruhiger an der Seitenlinie. Ich habe aber nie eine Rote Karte bekommen", sagte Maruhn, der auch im Training seine Schützlinge ordentlich strietzte. So wurde beispielsweise "bis zum Erbrechen Schlagwürfe, Prellen und Werfen" geübt. Das Konzept ging auf, denn den Gewinn des Doubles wiederholten die Maruhn-Schützlinge nur 24 Monate später.

Zusätzlich zum Ligabetrieb nahmen die jungen Staßfurter vereinzelt an Turnieren teil. Eines wurde in Calella, einer spanischen Stadt unweit von Barcelona, ausgetragen. Maruhn schickte zwei Teams in das international besetzte Turnier. Mit zahlreichen Eindrücken sowie dem Turniertitel, einem dritten Platz und Auszeichnungen für den besten Spieler und besten Torhüter im Gepäck, kehrten die Bodestädter zurück in die Heimat.

"...dann rasiere ich mir den Bart ab."

Den Schwung nahm das Team mit in die neue Saison 1996/97. Die Voraussetzungen waren nicht die besten. So wurden gleich drei Leistungsträger mit Claus Luther, Martin Wartmann und Carsten Kommoß zum SC Magdeburg delegiert. Daniel Schubert fiel weiterhin verletzungsbedingt aus, während Steffen Schieke, Mathias Szodry und Alexander Jahn in der B-Jugend aushelfen sollten. Mit einem Titel war also nicht zu rechnen, so dass sich Maruhn wohl etwas leichtfertig zu dieser Aussage hinreißen ließ: "Wenn wir es in dieser Saison wieder schaffen sollten, dann rasiere ich mir den Bart ab."

Die Mannschaft wollte ihren Trainer wohl ohne Schnauzer sehen, so dass sie sich in den kommenden Monaten mächtig ins Zeug legte. Der erste Titel, der des Bezirksmeisters, ließ nicht lange auf sich warten. Es folgten weitere Finalsiege um die Landes- und Norddeutsche Meisterschaft. Trainer und Spieler durften sich ins Goldene Buch der Stadt Staßfurt eintragen und wurden zu Sportlern des Jahres 1997 gekürt. Allerdings fiel der Bart einem ganz anderen Anlass zum Opfer. Maruhn, der zu einer Sportlerehrung geladen war, hatte sich im Vorfeld seinen Bart gestutzt – dabei wohl zu viel abgeschnitten, so dass er ihn gleich ganz abrasierte. Das Versprechen hatte er dennoch eingelöst.

An diesen großen Erfolg konnten die Concorden in den nachfolgenden Jahren nicht mehr anknüpfen, da sie sich vor allem dem übermächtigen SC Magdeburg immer wieder geschlagen geben mussten. Eine Trainerära endete dann 2001, die Entscheidung fiel bereits im Jahr zuvor. "Der Knackpunkt war, als wir uns im Verein zusammengesetzt und darüber diskutiert haben, wie es weitergehen soll." Maruhn vertrat den Standpunkt, die A-Jugend aufzulösen und vier, fünf Akteure bei der Ersten mitspielen zu lassen, den Rest bei der Zweiten. Der Aufsichtsrat stimmte dagegen, Maruhn legte am Ende der Saison sein Traineramt nieder.

Der Erfolg trug aber nicht nur den Namen Maruhn, sondern auch den von Klaus-Die- ter Luther, dem Co-Trainer. "Er hat mir den Rücken frei gehalten, war der Mann für alle Fälle", betonte Maruhn, der immer wieder die harmonische Zusammenarbeit mit den anderen Betreuern wie Hansi Bennesch, Petra Szodry oder Erwin Szodry, Eltern und Großeltern hervorhob. Vor kurzem trafen sich nun alle wieder, um gemeinsam die alten Zeiten aufleben zu lassen sowie Einladungen für das kommende Jahr auszusprechen. Dann liegt nämlich der größte Triumph des Teams 15 Jahre zurück. Ein guter Grund, erneut die Hosenbeine umzukrempeln und seinen Jungs lautstark von der Seitenlinie Anweisungen zu geben.