Fußball Junge Frau mit Dreifachbelastung
Sich einer Dreifachbelastung im Fußballgeschäft zu stellen, wäre vermutlich schon vielen Männern zu viel.
Gardelegen l Umso bemerkenswerter ist es, dass eine junge Frau namens Milena Schulze in Diensten des SSV 80 Gardelegen gefühlt ihre halbe Freizeit auf dem Sportplatz verbringt. Die 18-Jährige spielt selbst, arbeitet als Trainerin und fungiert als Schiedsrichterin. Kurz vor Weihnachten wurde Milena Schulze eine große Ehre zuteil. Im Rahmen des KFV-Supercups der Herren in Beetzendorf wurde die Gardelegenerin als „Fußballheldin 2017“ ausgezeichnet.
Aber warum ausgerechnet Schulze? Blickt man auf ihre Tätigkeiten beim SSV 80 Gardelegen, ist diese Ehrung wohl fast eine Selbstverständlichkeit. Milena spielt als Torhüterin selbst bei den Gardelegener Frauen, trainiert die G-Junioren des Vereins und leitet zudem auch noch für den SSV als Unparteiische Partien. „Ich engagiere mich sicherlich nicht gerade wenig im Verein. Daher wird er mich wohl für diese Auszeichnung vorgeschlagen haben“, bedankt sich die 18-Jährige. Zur „Belohnung“ geht es für sie vom 8. bis 11. Mai des neuen Jahres in die Nähe von Barcelona, wo eine Art Trainingslager zur Lizenzverlängerung, aber auch die eine oder andere Besichtigungstour anstehen.
Vater Steffen war es, der die Begeisterung für die Volkssportart Nummer eins an seine Tochter Milena Schulze weitergab. Kein Wunder also, dass die Gardelegenerin vor zehn Jahren erstmals die Töppen schnürte. Sie meldete sich bei den D-Mädchen des SSV 80 Gardelegen, trainiert von Peter Wiechmann und Holger Beckmann, an. „Besonders das Teamplay hat mich schon immer fasziniert. Man gewinnt und verliert zusammen“, erklärt die 18-Jährige. Zu Beginn wurde Schulze auch gelegentlich auf dem Feld eingesetzt, fand auf Dauer aber ihren Platz zwischen den Pfosten.
Das war sicherlich nur eine Frage der Zeit, denn nicht nur der Papa, sondern auch der jüngere Bruder Mattes waren beziehungsweise sind selbst auch als Torhüter aktiv. „Irgendwann war einfach niemand mehr da, dann bin ich ins Tor gegangen“, erinnert sich die sympathische Westaltmärkerin zurück. Mittlerweile hat sie großen Spaß an ihrer Aufgabe, auch wenn sie als Keeperin sicherlich nicht ganz ungefährlich lebt. „Wir sind ja hier nicht beim Schach“, gibt sich Milena, die unter anderem auch einen Landesmeistertitel im Nachwuchsbereich feierte, sehr selbstbewusst.
Mittlerweile gehört die Gardelegenerin dem Frauenteam, gecoacht von Rolf Wehrmeister, an. Dieses ist in der Regionalklasse Nord auf verkleinertem Großfeld aktiv und überwintert hinter Union Schönebeck auf einem respektablen zweiten Tabellenplatz. „Sportlich läuft es zwar momentan gut, doch personell haben wir leider oft Probleme“, erklärt die Rolandstädterin. Mindestens neun Spielerinnen werden in dieser Spielklasse gebraucht, mehr kann das Gardelegener Team zumeist auch nicht aufbieten. „Leider entwickelt es sich ja allgemein in der Region so, dass viele Spielerinnen wegziehen oder aufhören. Wir in Gardelegen wollten versuchen, das Team zu erhalten. Da nehmen wir die weiten Fahrten auch in Kauf“, berichtet Milena Schulze.
Auf Kleinfeld wollten die SSV-Damen schließlich auch nicht spielen. Der sportliche Erfolg gibt den Wehrmeister-Schützlingen in dieser Saison Recht. Die Keeperin hofft, dass das Team auch weiterhin – möglichst auch erfolgreich – am Spielbetrieb teilnimmt.
Mit 15 Jahren begann Milena Schulze ihre Laufbahn als Schiedsrichterin – damals übrigens noch für den SV Heide Jävenitz. In Jävenitz wurden zu dieser Zeit dringend Referees benötigt. Da auch Vater Steffen als Unparteiischer einsteigen wollte, entschloss sich Milena, ihm zu folgen: „Papa hatte damals sofort zugesagt. Da sagte ich mir selbst auch: Warum nicht?“ Die Gardelegenerin war bislang zumeist als Assistentin an der Linie unterwegs. „Das Pfeifen blieb bislang oft auf der Strecke, weil ich ja nebenbei auch noch spiele und als Trainerin arbeite“, verrät Schulze, die seit 2016 – mittlerweile aber doch eher unregelmäßig – für den SSV zur Pfeife greift.
Dennoch hatte sie an dieser Aufgabe bislang Spaß: „Man erlebt viele neue Sachen und kommt viel rum.“ Unter anderem leitete sie vor zwei Jahren Futsalpartien in der Halle. Dies gestaltete sich nicht gerade einfach, zumal auch viele Mannschaften noch Schwierigkeiten mit den Regeln hatten. Steffen Schulze, der sogar eine Kreisoberliga-Einstufung hat, würde sich übrigens wünschen, vielleicht schon im kommenden Jahr gemeinsam mit seinen Kindern – auch Mattes lässt sich zum Referee ausbilden – Partien zu leiten.
Bereits 2015 sammelte die Westaltmärkerin in Jävenitz erste Erfahrungen als Trainerin – besser gesagt als Übungsleiterin. Mit Kindergartenkindern absolvierte sie Sportspiele. „Ich wollte schon immer etwas mit Kindern machen, auch was den Beruf angeht. Daher konnte ich mir auch eine Traineraufgabe gut vorstellen“, verrät die 18-Jährige. So bestand sie 2015 ihre Prüfung als Junior-Coach, wenig später erwarb sie dann auch ihre C-Lizenz. „Ich wollte einfach noch mehr Erfahrungen im Umgang mit Kindern sammeln“, so Milena Schulze. Der Spaß kam dabei nie zu kurz. 2016 übernahm sie dann gemeinsam mit Eliano Mertens die G-Junioren des SSV 80 Gardelegen. „Spartenleiter Jens Bombach wusste von meiner Begeisterung.
So hat er mich gefragt, ob ich Interesse hätte“, denkt Milena zurück. Sie zögerte nicht lange, bis sie ihre Zusage gab. Bereut hat Schulze, die nach ihrem Abitur in diesem Jahr ursprünglich Grundschul-Lehramt studieren wollte, diese Entscheidung nie – im Gegenteil. Doch einfach ist die Aufgabe, gerade in der jüngsten Altersklasse, nicht. „Man fängt bei null an. Die Kinder erlernen erst einmal die Motorik und wie es ist, in einem Team zu spielen“, möchte Milena Schulze ihren jungen Schützlingen erst einmal die Grundlagen beibringen.
Aktuell trägt Milena gemeinsam mit Simon Bache die Verantwortung bei den G-Junioren des SSV, zu denen auch drei Mädchen gehören. Einer der beiden Trainer sollte zumindest immer da sein. Das Duo spricht sich dabei immer genau ab. Bei Milena Schulze kommt es selten zu Überschneidungen, was eigene Spiele und das Coachen beim jüngsten Nachwuchs betrifft. „Was die Arbeit im Verein angeht, kann man hier nichts kritisieren. Immerhin haben wir hier Mannschaften von der G-Jugend bis zu den Altherren. Auch der Zusammenhalt ist toll“, schwärmt die 18-Jährige. Durch den Vorstand, aber auch andere Klubmitglieder wird Schulze immer wieder toll unterstützt.
Als Trainerin bleibt die Rolandstädterin generell eher ruhig und sachlich. „Es kommt aber auf die Situation an. Grundsätzlich lassen Simon und ich auch im Training viel laufen, doch wir wollen, dass alles geordnet abläuft. Daher können wir auch mal streng sein“, verrät die junge Trainerin. In Gardelegen haben sich sogar zwei G-Jugend-Teams gebildet – eines für ältere und eines für jüngere Akteure. „Gerade im Zusammenspiel haben die Kleinen schon eine gute Entwicklung genommen“, klingt die 18-Jährige sehr zufrieden.
Nach ihrem Abitur vor gut einem halben Jahr absolviert Milena Schulze gerade einen Freiwilligendienst an einer Lernbehindertenschule in Gardelegen. Im kommenden Jahr möchte sie dann ein Studium in Halle/Saale beginnen. Daher ist es ungewiss, wieviel Zeit der 18-Jährigen dann noch für ihre Aufgaben beim SSV übrig bleibt. Sowohl als Spielerin („Als aggressiv würde ich mich nicht bezeichnen“) als auch als Trainerin hat sie sich keine hohen Ziele gesetzt. Vor allem der Spaß sei wichtig, der Erfolg zwar eine schöne Begleiterscheinung, aber nicht im Vordergrund.
Dennoch entwickelt die Westaltmärkerin bei all ihren Funktionen großen Ehrgeiz: „Diesen sollte man nicht außer Acht lassen.“ Milena würde sich wünschen, dass die Arbeit im Verein ähnlich solide wie aktuell weiterläuft – gerade was die Nachwuchsförderung betrifft. Doch auch der ersten Gardelegener Männermannschaft um Trainer Norbert Scheinert würde die 18-Jährige den baldigen Aufstieg von der Landesklasse in die Landesliga wünschen. Auf Letzteres hat Milena Schulze zwar keinen Einfluss, dennoch hat die junge Dame beim SSV 80 Gardelegen mit ihrem Engagement schon viel bewegt – und nun als Dank auch ihre erste große Auszeichnung erhalten.