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Kraftsport Rogalski: „Ein überwältigendes Gefühl“

Sven Rogalski hat bei den diesjährigen Europameisterschaften der Master I im tschechischen Pilsen den Titel im Powerlifting gewonnen.

Von Thomas Koepke 22.07.2016, 05:00

Volksstimme: Herr Rogalski, Sie haben sich mit dem Europameistertitel kürzlich einen absoluten Traum erfüllt. Welchen Stellenwert hat dieser Titel für Sie und was war das für ein Gefühl, bei einer internationalen Meisterschaft ganz oben auf dem Treppchen zu stehen?

Prof. Dr. Sven Rogalski: Seit ich 1995 bei den Weltmeisterschaften in Neu Delhi zum ersten Mal bei internationalen Meisterschaften starten durfte und ich in der Teildisziplin Bankdrücken nur knapp den dritten Platz verpasste, war es schon immer mein Ziel, einmal international eine Medaille zu erkämpfen. Dass ich einmal ganz oben stehen würde und dann noch im Dreikampf, statt ,nur‘ in einer Teildisziplin, hätte ich nie erwartet. Das Gefühl oben angekommen zu sein, zu sehen wie jeder in der Halle aufsteht, dir applaudiert und dann die Nationalhymne nur für dich spielt, ist ein absolut überwältigendes und auch unbeschreibliches Gefühl.

1995 schon internationale Luft geschnuppert

Vor dem Wettkampf gab es einige Probleme mit Ihren Anzügen. Was wurde da vom Kampfgericht genau bemängelt und wie haben Sie das Problem gelöst?

Bei der Kleiderkontrolle vor dem eigentlichen Wiegen wurde bemängelt, dass die beiden Träger von meinem Kniebeuge- und meinem Kreuzhebeanzug falsch abgenäht waren. Dies hatte ich zuvor meine Frau tun lassen, damit die Anzüge enger sitzen und mir mehr Stabilität geben. Wie man mir jedoch zu meinem Erstaunen mitteilte, hätten die Träger nicht nach obenstehend abgenäht werden müssen, sondern nach innen. Diese Regel war mir nicht bekannt, zumal dies letztes Jahr noch nicht beanstandet wurde. Glücklicher Weise hat mir ein Teamkollege, der seinen Wettkampf bereits bestritten hatte, seine beiden Anzüge geliehen.

 

Bei diesen Gewichten und solchen Höchstleistungen braucht man ja auch volles Vertrauen in das Material. Haben Sie während des Wettkampfes an die geborgten Anzüge gedacht, ober konnten Sie das komplett ausblenden?

Die Anzüge geben mir - wie bereits erwähnt - mehr Stabilität. Durch sie bleibe ich beim Kniebeugen und Kreuzheben während der Versuche aufrechter und habe somit einen besseren Bewegungsablauf, was sich unmittelbar auf meine Leistung auswirkt. Dies kann man mit einem Sprinter vergleichen, der mit ausgeliehenem Schuhwerk laufen muss. Dem wird es auch schwer fallen, die gleiche Leistung zu erzielen wie mit dem vertrauten Material.

So waren die geborgten Anzüge auch nicht optimal für mich, zumal sie etwas größer waren als meine ursprünglichen. Die Versuche bei der Erwärmung im Kniebeugen fühlten sich auch dementsprechend schwer an. Ich hatte daraufhin meine Titelambitionen bereits abgeschrieben und hoffte, dass es mir gelingt noch einen dritten Platz zu erzielen. Erstaunlicherweise verliefen die Wertungsversuche ganz anders als die Erwärmung. Ich denke das freigesetzte Adrenalin hat die Anzugsspannung ersetzt.

 

Wann war es Ihnen im Wettkampf klar, dass es für den Titel reichen könnte?

Als ich in der Kniebeuge drei gültige Versuche erzielte, während meine direkten Konkurrenten sich technische Patzer erlaubten und nur einen oder zwei Versuche gültig bekamen, hatte sich die Ausgangssituation bereits zu meinen Gunsten verschoben.

 

Ihr Trainer und Betreuer Günter Lüdecke mahnte immer an, Sie sollten tiefer beugen, um die Kampfrichter mit sauberen Versuchen zu überzeugen. Das ist Ihnen ja nun gelungen. Welchen Stellenwert hat Lüdecke mit seinen Tipps und Ratschlägen für Sie - nicht nur bei diesem Wettkampf?

Als Günter Lüdecke mir zwei Monate vor der Europameisterschaft sagte, dass er als Betreuer mitfahren würde, war ich sehr erleichtert. Meine erfolgreichsten Wettkämpfe habe ich immer nur mit seiner Unterstützung bestritten. Er ist mein sportlicher Ziehvater, ohne ihn könnte ich nicht auf diese sportlichen Erfolge im Kraftsport zurückblicken.

 

Sie sind dem VfB Klötze 07 und den Mannschaftskollegen seit Jahren treu, obwohl Ihr Lebensmittelpunkt schon lange nicht mehr in der Altmark liegt. Was ist es, was für Sie diese Treue ausmacht?

Ich habe hier in unserem Verein das Kraftsport-Einmaleins erlernt und über die nunmehr 27 Jahre Vereinszugehörigkeit viele schöne Erinnerungen. Über diese Zeit haben sich viele Freundschaften entwickelt, auch wenn der eine oder andere schon lange keine schwere Hantel mehr angefasst hat.

Wenn ich in Klötze zu Besuch bin und dort trainiere, dann spüre ich immer wieder das Zugehörigkeitsgefühl, auch wenn wieder einmal neue Gesichter im Verein auftauchen, die ich bisher noch nicht kannte. Außerdem war ich in den vergangenen drei Monaten viermal in Klötze, um unter den Augen von Günter Lüdecke meine Vorbereitungstests für die EM durchzuführen und technische Unsauberkeiten zu beheben.

Hier haben mich übrigens auch meine beiden Vereinskammeraden Heiko Grunert und Jan Grigat sehr unterstützt, bei denen ich mich auf diesem Weg noch einmal bedanken möchte. Gleiches gilt auch für Matthias Schulze, einem langjährigen und sehr guten Freund, der mit als Betreuer nach Pilsen kam.

 

Werden Sie auch in der kommenden Saison für die Bundesliga-Mannschaft des VfB Klötze 07 zur Verfügung stehen? Und was haben Sie sich mit dem VfB-Team dann vorgenommen?

Wenn ich verletzungsfrei bleibe, ja natürlich. Gerne würde ich dann wieder mit der Mannschaft ins Bundesligafinale einziehen, um dort um die Medaillen zu kämpfen. Gegenwärtig fehlt uns hierzu leider ein ausreichend starker Mannschaftskader.

Mit dem Bundesligateam in die Endrunde

Die Entwicklung – gerade im Nachwuchsbereich – zeigt beim VfB Klötze 07 wieder eindeutig nach oben. Welche Tipps und Ratschläge können Sie als erfahrener Athlet und Vorbild diesen Jungs mit auf den Weg geben?

Das Wichtigste ist ein kontinuierliches und schweißtreibendes Training, egal ob Sommerferien sind oder nicht und egal, ob man sich gerade nicht motiviert fühlt und lieber etwas Angenehmeres machen würde. Um besondere Leistungen zu erzielen, bedarf es auch besonderer Anstrengungen. Ebenfalls wichtig ist das Vorhandensein eines Mannschaftsgeistes, indem man zusammen trainiert, sich gegenseitig motiviert, auch wenn es mal nicht so richtig läuft und möglichst viele Wettkämpfe bestreitet.

 

Welche sportlichen Ziele setzen Sie sich jetzt selbst für die Zukunft nach dem Gewinn des Europameistertitels?

Im Moment bin ich aus sportlicher Sicht wunschlos glücklich. Natürlich wäre ein Medaillengewinn bei einer WM ein weiteres mögliches Ziel, jedoch treibt mich das gegenwärtig nicht an. Diese wäre zwar im September und ich könnte versuchen, meine Form über den Sommer zu erhalten. Allerdings fühle ich mich zur Zeit etwas ausgebrannt und muss meinem Körper nun wieder etwas Ruhe gönnen, was nicht bedeutet, dass ich gar nicht trainiere, sondern eben nur mit weniger Gewicht.

Training, statt TV und Liegestuhl

Wie schaffen Sie es, Ihre beruflichen Verpflichtungen und den Sport unter einen Hut zu bringen, gerade in der heißen Vorbereitungsphase eines Wettkampfes?

Ich betrachte meinen Sport immer als ein notwendiges Mittel, um beruflichen Stress abzubauen. Dass ich damit richtig liege, zeigte sich, als ich vor ein paar Jahren einen Hörsturz erlitt, nachdem ich sportlich gesehen ein dreiviertel Jahr inaktiv war. Meine Medizin war der Sport und ich erholte mich binnen einer Woche.

Natürlich erzeugt aber gerade die ,heiße‘ Phase der Vorbereitung, zirka drei Monate vor dem Wettkampf, ebenfalls Stress. Das ist nicht zu leugnen. Hier ist es besonders wichtig, diszipliniert zu trainieren und andere angenehme Dinge dem Training und dem Beruf unterzuordnen. Das heißt, fünf bis sechs Tage in der Woche trainieren zu gehen, statt vor dem Fernseher oder im Liegestuhl zu sitzen und auch am Wochenende einige Stunden zu arbeiten. Das geht sicher auch nur, wenn man hierbei von seiner Familie unterstützt wird, was auch bei mir der Fall ist.

 

Herr Rogalski, wenn Sie nicht Kraftsportler geworden wären, für welche Sportart könnten Sie sich noch begeistern?

Für den Radsport.

 

Vielen Dank für das nette Gespräch und viel Erfolg für die weitere sportliche Zukunft.