Vereinsleben Beim SVC liegt vorerst alles auf Eis
Wie Chemie Genthin als größter Sportverein im Jerichower Land der Corona-Krise trotzt.
Genthin l Der größte Profiteur der aktuellen Ruhe rund um die Anlegestellen und Stege am Genthiner Bootshaus steht bereits fest: Ein Wildentenpärchen nutzt die Gelegenheit, dem regen Schifffahrtsverkehr auf dem Elbe-Havel-Kanal aus dem Weg zu gehen. Das gefiederte Duo hat das kleine Hafenbecken exklusiv für sich. Sämtliche Boote und Kanus lagern bis auf Weiteres in den Garagen, obwohl das Kranen erlaubt ist, sofern die Boote einzeln genutzt werden. „Aus dem Verein geht aber niemand auf das Wasser. Hier bewegt sich im Moment nichts“, stellt Fritz Mund, der Vereinsvorsitzende des SV Chemie, mit hörbarer Ernüchterung fest.
Der Genthiner Club ist zur Stunde mit rund 1000 Mitgliedern der größte Sportverein im Jerichower Land. Unzählige Gruppen wie Wanderer, Radfahrer, Kanuten, Rehasportler, Handballer und Leichtathleten finden ihre sportliche Heimat beim SVC. „Wir sind froh, ein solch großer Verein zu sein, der solidarisch die Mitgliedsbeiträge auf alle Sportgruppen verteilen kann. So lassen sich die Verluste eher in Grenzen halten“, räumt Mund ein und weiß: Kleinere Vereine haben mit den Auswirkungen der Corona-Krise weitaus mehr zu kämpfen, da viele Einnahmen ausbleiben. Kosten wie Hallenmiete laufen dagegen weiter.
Spurlos gehen diese Wochen jedoch auch nicht an den Genthinern vorbei. „Derzeit schätzen wir unseren Verlust auf etwa 10 000 Euro pro Monat. Der Landessportbund ist informiert und wir hoffen auf eine gütliche Entscheidung aus der Politik“, erklärt der SVC-Vorsitzende, der hofft, die positive Entwicklung des Vereins aus den vergangenen Jahren auch in die Nach-Corona-Zeit transportieren zu können. „In erster Linie funktioniert das nur mit qualifizierten Übungsleitern und davon haben wir zum Glück einige“, freut sich Mund über das Engagement der vielen ehrenamtlichen Mitarbeiter. Dabei zielt er unter anderem auf die Übungsleitung der neu gegründeten Männersportgruppe von Christina Hauser ab. „Anfangs waren es lediglich sechs Teilnehmer und nun müssen wir überlegen, eine weitere Gruppe anzubieten. Der Zuspruch ist enorm. Aber auch solche positiv Verrückten wie Andre Wieneke und Göran Karbe braucht es, die aus dem Nichts und in kurzer Zeit den Frauen-Handball aufgebaut haben.“
Seitdem vor vier Jahren die vereinseigene Sporthalle eingeweiht wurde, stieg auch der Zuspruch der Rehasportler. Die Herzsportgruppen inklusive ärztlicher Betreuung durch Dr. Axel Lorenz in der Schwimmhalle und Dr. Stephanie Kampke in der Turnhalle sind einmalig im Jerichower Land. „Mit der ärztlichen Verordnung über 50-maliges Sporttreiben ist es für Patienten mit Herz-Kreislaufproblemen allerdings nicht getan. Ich appelliere regelmäßig an die Teilnehmer, damit in ihnen die Erkenntnis reift, dass sie selbst weitermachen müssen“, bekräftigt Mund. Viele treten daher nach Ablauf der ärztlichen Verordnungen in den Verein ein, andere allerdings wieder aus, „so dass die Arbeit für Cornelia Krüger im Vereinsbüro auch dieser Tage nicht abreißt“, resümiert der Vorsitzende.
Weiterhin investieren die Übungsleiter viel Zeit in ihre Sportgruppen und organisieren nebenher Grillfeste oder Weihnachtsfeiern. Die beliebten Wanderungen und Radtouren werden in diesem Jahr erst einmal nicht stattfinden. „Im Moment laufen die Rückzahlungen an die Vereinsmitglieder für bereits gebuchte Übernachtungen.“ Auch andere geplante Veranstaltungen wie das Hafenfest im Mai liegen auf Eis. Am meisten trifft den Verein der Stillstand jedoch mit Blick auf die Vorbereitungen für das 70-jährige Vereinsbestehen, das eigentlich 2020 begangen werden sollte. „Hoffentlich können wir unser Jubiläum im Oktober nachholen. Ursprünglich war eine ganze Sportwoche mit verschiedenen Angeboten geplant. So werden wir die Feierlichkeiten auf das Ende des Jahres verlegen“, zeigt sich Mund zuversichtlich.
Dennoch gibt es derzeit eben auch Einschnitte. Ab Mai plant man beim SV Chemie, die im Verein beschäftigten Mitarbeiter in der Schwimmhalle in die Kurzarbeit zu überführen. „Auf diese außergewöhnliche Situation müssen wir irgendwie reagieren.“ Daneben gibt es über den Sommer hinweg aber noch einen Lichtblick. Das Bootshaus an der internationalen Hafenstraße, ein mit Holz vertäfeltes Gebäude aus dem Jahr 1936, soll ab August saniert werden. Der Antrag für die Fördergelder, die sich auf 50 Prozent der Sanierungskosten belaufen, ist eingereicht und der positive Bescheid wird Mitte Juli in der Geschäftsstelle erwartet.
So wird der Vorsitzende, wenn er in den kommenden Jahren sein Amt an die jüngere engagierte Garde abgeben wird, einen Verein mit zahlreichen Mitgliedern, hochmotivierten Übungsleitern, einer neuen Sporthalle und ein frisch saniertes Vereinshaus weiterreichen. „Tatsächlich habe ich auch schon jemanden im Visier, der sich bereits sehr engagiert und sich hervorragend eignen würde. Wer das ist, bleibt allerdings noch mein Geheimnis“, schmunzelt der Vorsitzende, der das Vereinsgeschehen seit fast 40 Jahren erfolgreich lenkt und weiß: Irgendwann wird auch das Entenpärchen wieder den Wassersportlern Platz machen.