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Basketball Heine: „Wir vertrauen uns zu 200 Prozent“

Die Basketballer und Fußballer haben auf Bundesebene ihre Saison trotz Corona noch abgeschlossen.

Von Florian Bortfeldt 07.07.2020, 10:10

Wernigerode l Die Handball-Bundesliga wurde vorzeitig abgebrochen. Davon betroffen war auch Steven Heine, Elitekader-Schiedsrichter aus Halberstadt. Im Interview mit Sportredakteur Florian Bortfeldt gibt der 35-Jährige Einblicke in das Tagesgeschäft eines Unparteiischen.

Volksstimme: Sie haben mit ihrem Partner Sascha Standke vier Jahre 3. Liga und fünf Jahre 2. Liga gepfiffen. Jetzt gehören sie auch dem Elitekader an. Inwieweit konnten Sie sich schon auf die neue Saison vorbereiten beziehungsweise wissen Sie, ab wann die Vorbereitung möglich sein wird?

Steven Heine: Sascha und ich sind seit dem Sommer 2019 im Eliteanschlusskader und haben zur kommenden Saison den Aufstieg in den Elitekader geschafft. Gehen also hier in unsere Premierensaison. Wir haben seit dem offiziellen Ende des Spielbetriebes einen Fitnessplan vom Deutschen Handballbund (DHB) bekommen. Dieser wurde von David Gröger (Athletiktrainer des DHB/d. Red.) zusammengestellt. Er umfasst drei Einheiten die Woche. Dabei geht es um Schiedsrichter-spezifische Belastungen, Kraft und Ausdauer.

Aufgrund der aktuellen Situation haben wir Schiedsrichter vom Elitekader am 11. Juli einen Onlinelehrgang. Im August findet dann an unterschiedlichen Standorten ein Präsenzlehrgang statt. Hierbei geht es um die Überprüfung der körperlichen und geistigen Fitness mit Regel- und Videotest der einzelnen Schiedsrichter. Das Jahr 2020 ist und bleibt auch für uns Schiedsrichter ein besonderes Jahr.

Die Saison wurde im Handball bekanntlich abgebrochen. Wie sah der Alltag als Schiedsrichter seit März aus? Wie viel Platz hatte der Handball in den vergangenen Monaten noch?

Seit dem Ende der Saison haben wir uns mit dem vom DHB vorgegebenen Plan fit gehalten. Ich alleine bin im Monat April über 100 Kilometer gelaufen. Dazu kommen Kräftigungseinheiten und die überall beliebten Intervallläufe. Dazu haben wir Aufgaben vom DHB erhalten. Sascha und ich werden auf der Videokonferenz am Sonnabend einen Vortrag halten. Hierfür war es erforderlich, viele Videos zu schauen und Szenen zu schneiden. Am Ende musste das Ganze in einer Präsentation zusammengefasst werden. Um das Thema Handball und den Kontakt nicht ganz aus den Augen zu verlieren, haben wir einen Videotest absolviert und zwei wirklich sehr informative Videokonferenzen mit dem Bundestrainer der Männer und dem Bundestrainer der Frauen gehabt. Hier ging es unter anderem um Schritte und Kommunikation. Natürlich haben wir die Zeit auch für die Familie, Freunde und das Berufsleben genutzt.

Vom DHB gab es sicher auch Schulungen in Sachen „Corona und Schiedsrichter“. Sind die Unparteiischen in diesem Zusammenhang auf einen möglichen Saisonstart im September/Oktober vorbereitet?

Von den Ligen werden aktuell Hygienekonzepte erstellt, die die verschiedenen möglichen Szenarien – ohne, mit oder nur teilweise mit Zuschauern – berücksichtigen. In diese Konzepte werden die Schiedsrichter selbstverständlich eingebunden. Wir werden von den Offiziellen des DHB sehr gut informiert und spätestens auf den Lehrgängen am Sonnabend beziehungsweise im August nochmals persönlich zu diesem wirklich sehr wichtigen Thema abgeholt.

Sie pfeifen seit vielen Jahren mit Sascha Standke zusammen. So ein Schiedsrichter-Gespann muss unter Stress top funktionieren und eingespielt sein. Trifft man sich da auch viel privat mit seinem „Spannemann“, um sich blind zu verstehen und volles Vertrauen aufzubauen?

Ich selber pfeife seit 1999. Mit Sascha pfeife ich seit Juli 2009. Kennengelernt haben wir uns auf einem Lehrgang in Halberstadt. Sascha und ich verbringen sehr viel Zeit miteinander. Er ist quasi meine zweite „Ehefrau“. Beispiel: Wir pfeifen ungefähr 52 Spiele an 36 Wochenenden. Zu all der Pfeiferei kommen ja noch die An- und Abreisen hinzu. Wie Sie es richtig gesagt haben, verstehen wir uns blind und vertrauen dem anderen zu 200 Prozent. Sascha ist fester Bestandteil meiner Familie. Das ist so und wird auch immer so bleiben. Ohne dieses Vertrauen und die gemeinsame Leidenschaft zum Handball hätten wir es nicht geschafft, bis in den DHB-Elitekader zu kommen.

Geschwisterpaare als Spitzenschiedsrichter sind im Handball nicht selten. Haben diese vielleicht Vorteile beim Auftreten, da sie ganz genau wissen, wie der andere tickt?

Ich kann die Frage gar nicht so genau beantworten, da ich keinen Zwillingsbruder habe. Natürlich fällt die menschliche Findungsphase weg, die jedes Gespann durchläuft. Nur, ein Gespann was menschlich zusammenpasst, ist nicht gleich ein gutes Schiedsrichtergespann. Da gehören ja noch ganz viele andere Komponenten hinzu.

Welche Komponenten sind das genau?

Neben der körperlichen Fitness ist eine Grundsicherheit erforderlich und um so höher man eingesetzt wird, ein taktisches Verständnis. Es ist nämlich wichtig zu wissen, wie ich in welcher Situation stehen muss, um alles sehen zu können. Des weiteren muss man mit den unterschiedlichsten Charakteren klarkommen und gut kommunizieren, pfeifen ist das eine, es zu vermitteln das andere.

Da kommen wir zu einem interessanten Punkt. Handballer, aber auch Fußballer beschreiben diejenige Schiedsrichter als gut, die mit sich reden lassen, nicht von „oben herab“ auftreten. Wie beschreiben Sie Ihr Agieren?

Sascha und ich sprechen die Spieler mit Vornamen an, auch in der 2. Liga haben wir das schon so gehandhabt. Ich habe im Vorfeld alle Namen gelernt, die für uns wichtig sind, um nicht zu sagen: „Nummer fünf, lass das Trikotziehen“, sondern mit dem Namen anzusprechen. In der 1. Bundesliga kennt man die Vornamen ja sowieso in den allermeisten Fällen.

Wer ist der Mensch dahinter - darum geht es. Es wird eine persönliche Ebene geschaffen. Damit sind wir bisher sehr gut gefahren. Ansonsten versuchen wir maximale Kommunikation. Das Gespann Behrens/ Fasthoff hat es mal so formuliert: Maximale Kommunikation bei maximaler Einhaltung der Regeln. Ich finde, das ist ein guter Leitsatz, um das Spiel am Laufen zu halten. Wir begleiten ein Spiel, am Ende ist es nichts anderes.

Sie wohnen schon eine Weile nicht mehr in Halberstadt, Ihr Lebensmittelpunkt ist Braunschweig. Dennoch haben Sie das Schiedsrichter-ABC in Sachsen-Anhalt gelernt, einer wahren Spitzenschiedsrichter-Hochburg. Warum schaffen es immer noch so zahlreiche Gespanne aus Sachsen-Anhalt nach ganz oben?

Ich wohne nun seit fünf Jahren in Wendeburg, das liegt zwischen Braunschweig und Peine. In Sachsen-Anhalt wird sehr viel Wert auf die Ausbildung von Schiedsrichter gelegt und auch das Interesse der Jugendlichen ist mehr vorhanden. Natürlich muss man auch schauen, dass ich aus einer anderen Generation komme. Damals gab es für mich nichts Schöneres als jedes Wochenende in der Sporthalle zu sein. Vom Kampfgericht, über selber spielen, bis hin zum Wischer bei den Frauen und Männern in der Sporthalle „Völkerfreundschaft“. Heute steht das Spielen im Vordergrund und anschließend das Treffen mit Freunden. Natürlich ist es in jedem Verein förderlich, wenn man Schiedsrichter hat, die höherklassig pfeifen. Mit Becker/Hack und Schmid/Wald hatten wir ja in Halberstadt zwei Gespanne, die mindestens 2. Bundesliga gepfiffen haben.

Sie sprechen es an: Halberstadt brachte mit Becker/Hack schon einmal ein Erstliga-Gespann hervor. Waren das Vorbilder oder sogar die Initiatoren für Ihren späteren Werdegang?

Natürlich waren Hagen Becker und Axel Hack schon sehr wichtige Bezugspersonen für mich. Zunächst erstmal bin ich über meine Mutter, die früher selbst und auch höherklassig gespielt hat, zum Handball gekommen. Als der HT 1861 Halberstadt nach Schiedsrichtern gesucht hat und plötzlich Hagen Becker von seinen Erlebnissen erzählt hat, war mein Interesse geweckt. Über viele Jahre haben sie mich an den Wochenenden begleitet. Mit gemeinsamen Spielen haben die beiden mir viel Rüstzeug an die Hand gegeben. Bis heute pflegen Sascha und ich besonders zu Hagen Becker einen sehr guten und vor allem nach Spielen einen sehr konstruktiven Austausch über unsere Leistung.

Abgesehen von Hagen Becker, besteht weiterhin Kontakt zu Ihrem früheren Stammverein HT 1861? Wenn ja, in welcher Form und zu wem?

Natürlich habe ich weiterhin Kontakt zum HT. Ich bin auch weiterhin offizielles Mitglied, auch wenn ich aktuell aufgrund meines Wohnortes für die HSG Nord Edemissen pfeife. Ich schaffe es noch, jede Saison mindestens ein Spiel der 1. Männer zu schauen. Noch immer kommen Gefühle bei mir auf, wenn ich die Sporthalle „Völkerfreundschaft“ betrete. Wenn ich in der Halle bin, trifft man alte Weggefährten, Mitspieler und andere Vereinsmitglieder, mit denen ich mich natürlich gerne unterhalte und austausche. Wie schon gesagt habe ich besonders mit Hagen Becker Kontakt. Zu anderen Personen im Verein ist es eher sporadisch, wie Denis Schmid oder Jens Porsch.

Dadurch, dass Sie jetzt quasi Niedersachse sind, dürfen Sie auch Spiele des SCM pfeifen. Für jeden Handballfan aus unserer Region ist Magdeburg das Handball-Mekka. Im März sind Sie erstmals in den Genuss gekommen, dort eine Partie zu leiten. Wie ist das?

Von der Stimmung her in der Getec-Arena ist etwas sehr Besonderes. Dadurch, dass wir den SCM in vielen Vorbereitungsspielen zuvor gepfiffen hatten, kannten wir allerdings die Spieler schon. Trotzdem ist eine gewisse Nervosität – aufgrund der Atmosphäre – nicht abzustreiten. Ich fühlte mich da wie bei unserem ersten Bundesliga-Einsatz überhaupt (am 10. Oktober 2019/d. Red.). Das war die Partie SC DHfK Leipzig gegen HBW Balingen-Weilstetten. Da waren viele Zuschauer, darunter zahlreiche – wie meine Frau und mein siebenjähriger Sohn sowie Hagen Becker – die man kennt. Es ist einfach eine besondere Situation. Vor einem Jahr hatten wir auch die Ehre, das Saison-Eröffnungsspiel des SCM vor immerhin 4500 Zuschauern zu pfeifen.

Zurück zur Basis: Die Männer des HT sind vor einem Jahr in die Sachsen-Anhalt-Liga aufgestiegen, jetzt freiwillig wieder runter in die Verbandsliga. Was kann getan werden, um in einer nicht unbedeutenden Kreisstadt wie Halberstadt soliden Männer- und auch Frauenhandball zu installieren?

Für mich als Außenstehender ist es sehr schwer meine Meinung abzugeben. Dafür bin ich auch einfach zu weit weg. Halberstadt stand und steht noch immer für eine gute Jugendarbeit. Wichtig ist es, dass der Jugend nach der Schule eine Perspektive in der Stadt geboten werden kann. Denn in der Harzregion gibt es viele gute Vereine, die meist mit Arbeitsplätzen werben können. Ich denke aber, dass in Halberstadt viel dafür getan wird, weiterhin erfolgreichen Handball zu spielen und die eigene Jugend an den Verein zu binden.

Stichwort Jugend: Mit Jannes Lieb und Moritz Bensemann gibt es auch wieder junge Schiedsrichter beim HT. Für diese Zwei sind Sie vielleicht deren Idol. Wie gehen Sie mit dieser Rolle um? Stehen Sie den Nachwuchskräften sogar in irgendeiner Form zur Seite?

Vom Wort „Idol“ bin ich ganz weit weg. Ich bin und werde hoffentlich immer der „alte Steven“ bleiben mit all seinen Macken. Natürlich gebe ich jungen Schiedsrichtern einen Rat, wenn dieser gewünscht ist. Ich gehe weiterhin meinem Hobby nach und das weiterhin mit viel Freude. In der letzten Saison habe ich mal wieder ein D-Jugend Spiel in Braunschweig gepfiffen. Zurück zu den Wurzeln, aber es hat mir unfassbar viel Spaß gemacht. Und wie mir meine Frau sagte, waren die Eltern zufrieden.

Bisher ist es noch zu keinem persönlichen Kontakt zu den beiden Genannten gekommen. Was nicht ist, kann aber ja noch werden. Ich bin für alles offen. Denn wenn mir von Hagen Becker eines gelehrt wurde, dann: immer schön auf dem Boden und immer Mensch bleiben.