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Handball Es ist folgerichtig, dass die WM stattfindet

Viel wurde zur Handball-Weltmeisterschaft, die am Mittwoch in Ägypten eröffnet wurde, diskutiert und geschrieben.

Von Florian Bortfeldt 14.01.2021, 14:27

Halberstadt l Etliche deutsche Nationalspieler haben ihre Teilnahme aufgrund der Pandemie abgesagt und nun fallen ganze Nationen aus. Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe: Am Dienstagabend teilte der tschechische Handballverband mit, dass sein Team aufgrund zahlreicher positiver Tests nicht an der Endrunde der Weltmeisterschaft in Ägypten teilnehmen werden – und das einen Tag vor der Eröffnung. Unter anderen hatten sich die beiden Auswahltrainer und ehemaligen Bundesliga-Spieler Daniel Kubes und Jan Filip infiziert. Der Weltverband hatte dafür auch gleich die passende Antwort parat: Nordmazedonien rückte in der Gruppe G nach und trifft damit auf den Gastgeber, Chile und Schweden.

Dabei sollte es aber nicht bleiben. Nur wenige Stunden später verkündeten auch die USA ihr Aus bei der WM. Ebenso sei die Anzahl an positiven Test dafür verantwortlich. „Ich glaube, es waren zehn Spieler und sieben aus dem Staff-Team, die infiziert waren. Wir gucken jetzt, ob es Möglichkeiten gibt, elf Spieler zu schicken und hoffen dann, dass wir nachher negative Tests bekommen“, sagte Auswahltrainer Robert Hedin am Dienstag in einem Interview via Skype dem Pay-TV-Sender Sky. Dazu kam es nicht mehr. Dafür ist nun die Schweiz mit Weltklasse-Regisseur Andy Schmid vom Bundesligisten Rhein-Neckar Löwen dabei. Die Eidgenossen bekommen es in der Gruppe E mit Österreich, Norwegen und Rekord-Weltmeister Frankreich zu tun.

Damit schien das Chaos schon vor Beginn der eigentlichen Wettbewerbe komplett gewesen. Dazu mehren sich Medienberichte, wonach auch Mitglieder aus dem Team des deutschen Gegners Kap Verde infiziert sein sollen. So stellt sich den Handballinteressierten die Frage: Was soll das? Die Volksstimme-Sportredaktion hat sich dazu einmal umgehört.

Jörg Mahlich, ehemaliger Bundesliga-Schiedsrichter: „Für alle ist die gegenwärtige Lage eine außergewöhnliche Situation, weshalb ich das Thema aus zwei Blickwinkeln betrachte: Für den Handball-Sport könnte es keine bessere Außendarstellung geben, als sich in einer Zeit, in der alles ruht, zu präsentieren. Doch sportlich hat das keinen Wert und derartige Nachrichten tragen nicht zur positiven Wirkung bei. Ich denke, es ist nicht der richtige Zeitpunkt, um eine solche Weltmeisterschaft durchzuführen, obwohl sich natürlich alle Beteiligten, also Ausrichter und teilnehmende Nationen, um Hygiene- und Sicherheitskonzepte bemüht haben.

Die Tschechen und Amerikaner haben sich sicher unter Einhaltung dieser vorbereitet und mussten nun dennoch aufgrund von positiven Tests absagen. Dafür kommen jetzt Mannschaften ins Spiel, die gar keine Vorbereitung hatten und demzufolge auch in den vergangenen Wochen nicht unter verschärften Bedingungen gelebt und gearbeitet haben. Sie können also keinen Ersatz darstellen, zumal sie sich nicht ohne Grund gar nicht sportlich qualifiziert haben. Mir stellt sich jetzt viel mehr die Frage: Was passiert, wenn während des Turniers positive Tests auftreten? Werden dann Mannschaften ausgeschlossen? Damit wirft diese Weltmeisterschaft aber auch schon ihre Schatten auf Olympia voraus.“

Denis Schmid, Vizepräsident Ausbildung und Entwicklung im Handballverband Sachsen-Anhalt (HVSA) und Vorsitzender des HT 1861 Halberstadt, sieht den Profi-Handball insgesamt in einer schwierigen Situation. „Die Vereine sind Unternehmen gleichzusetzen, sie sind ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb und die Spieler als Arbeitnehmer zu verstehen. Wirtschaftlich betrachtet sind das andere Dimensionen als zum Beispiel das Ehrenamt beim HVSA. Für die Profiteams und die Nationalverbände stellt es ein große Herausforderung dar. Wegen wirtschaftlicher Rahmenbedingungen musste wohl an der WM festgehalten werden. Ob es so gut ist, das weiß ich nicht.

Die Sponsoren wollen zur Geltung kommen – es ist schwierig, da ist die Gemengelage nicht ganz einfach. Festhalten möchte ich aber, dass, wenn Bundesliga und Champions League gespielt werden kann, folgerichtig auch eine WM stattfindet, sonst ist es nicht schlüssig. Ob man dem Sport damit einen Gefallen tut, weiß ich auch nicht. Unsere Sportart Handball lebt vom Publikum, das ist extrem wichtig für das öffentliche Interesse und die Nachwuchsgewinnung, das hat man bei der Heim-WM vor zwei Jahren erlebt. Eine WM ohne Zuschauer ist schwierig, denn es entstehen große Kosten, die gedeckt werden müssen.“ Für Schmid hat die Gesundheit allerdings „oberste Priorität. Entsprechend hat die IHF reagiert, um das Risiko zu minimieren und beide Länder nicht antreten lassen“.

Welche Rolle kann das deutsche Team seiner Meinung nach spielen? „Im Spitzenhandball ist die Leistungsdichte sehr eng, es kommt auf die Turnierform und den Einstieg in den Wettkampf an. Dass Deutschland nicht mit der 1A-Mannschaft antritt, muss man akzeptieren. Es ist aber ein Teamsport, darum ist es trotzdem realistisch, eine gute Rolle zu spielen. Es ist vieles möglich, das hängt auch davon ab, welche Euphorie im Team entsteht. Auf eine Platzierung möchte ich mich nicht festlegen.“

Spitzenschiedsrichter Steven Heine (Elitekader), viele Jahre für den HT 1861 aktiv, möchte nur so viel sagen: „Ich kenne das Hygienekonzept nicht, deswegen erübrigt sich meine Meinung dazu von allein.“ Dem deutschen Team wünscht er alles Gute. „Entscheidend sind ein guter Turnierstart und der gewisse Flow im Team. Ich bin ganz einfach positiv gespannt auf das Turnier und wünsche dem deutschen Team die bestmögliche Platzierung. Ich werde die Spiele auf jeden Fall verfolgen.“

Marcel Kutz, Trainer der ersten Männermannschaft des HT 1861, ist für die WM-Durchführung. „Das ist ein Aushängeschild für den Handball. Es wird auch die ganze Zeit Fußball gespielt, warum sollte dann keine Handball-WM stattfinden? Ich finde es gut. Die Teilnehmer sind abgeschottet und ich gehe davon aus, dass die Vorsichtsmaßnahmen sehr streng sind.“ Absagen, wie im Vorfeld des Turniers durch zahlreiche deutsche Spieler, kann er auch verstehen. „Bei jedem ist die Angst groß, auch in meinem privaten Umfeld. Das muss man verstehen und da sollte man nicht böse sein. Ich hätte mich wie Pekeler, Wiencek und Co. auch für die Familie entschieden. Diese Entscheidung ist nachvollziehbar.“

Die Vorrunde ist aus Kutz‘ Sicht „definitiv machbar. Ganz vorne um den WM-Titel mitzuspielen wird schwer, ist aber nicht unmöglich. Deutschland ist für mich Geheimfavorit, schafft es sicher unter die ersten Fünf. Die Rolle des Außenseiters kann nicht schaden, und die braucht man, um frei aufspielen zu können. Vielleicht gibt es ja sogar Parallelen zur EM in Polen vor fünf Jahren, als Deutschland keiner auf der Rechnung hatte. Mit viel Glück ist alles möglich. Wer hätte denn vor wenigen Wochen daran gedacht, dass Kiel gegen Barcelona die Champions League gewinnt?“