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Räuber fleht über Notruf : " Bitte holt mich ab. Ich laufe auch nicht weg !" Polizeichef zeichnet 48-Jährigen für Zivilcourage aus

Von Matthias Fricke 21.04.2010, 06:49

Neue Neustadt. Magdeburgs Polizeichef Wolfgang Fritzlar hat gestern den 48-jährigen Holger Bollmann für seine Zivilcourage ausgezeichnet. Der Magdeburger hatte am Sonntag gegen 10 Uhr in der Mittagstraße einen 40-jährigen Handtaschenräuber kurz nach dem Überfall an einer 80-jährigen Frau gestellt und der Polizei übergeben. Was war geschehen ?

Alles läuft wie ein Stummfilm ab

An dem Sonntag gegen 10 Uhr ist der Handelsvertreter mit seinem Auto auf der Lübecker Straße unterwegs und will in die Mittagstraße einbiegen. Die Scheiben sind geschlossen und von außen dringen kaum Geräusche in das Fahrzeug. Was Holger Bollmann in den nächsten Sekunden sieht, läuft wie ein Stummfilm ab. In seinem Sichtfeld läuft ein Mann immer schneller werdend von der Straßenbahnhaltestelle weg. Dort fuchtelt eine ältere Frau auf dem Boden liegend mit den Armen. Diese kleine Sequenz reicht dem Autofahrer aus, um zu erfassen, was da vor sich geht : ein Überfall !

Holger Bollmann bekommt Grün an der Ampel. Er fährt in die Mittagstraße ein und hat den flüchtenden Räuber auf dem Fußweg neben sich. Er lenkt das Auto nach rechts in eine Toreinfahrt zur Ankerstraße und stellt sich so quer zum Fluchtweg des Räubers. Holger Bollmann springt aus dem Wagen und drückt den flüchtenden Handtaschenräuber gegen die Hauswand. Der hat wiederum keine Chance sich zu wehren und gibt sofort auf. Er lässt die Damenhandtasche des Opfers fallen. Die Frau steht derweil immer noch an der Straßenbahnhaltestelle. Ihr helfen andere Zeugen.

Inzwischen gehen auch in der Mittagstraße die Fenster auf, Zeugen bleiben stehen. " Niemand hat aber Hilfe angeboten ", erinnert sich der Magdeburger. Den Räuber hat er in dieser Situation noch fest im Griff. Sein Problem ist aber ein anderes. Das Telefon liegt im Auto und irgendwie muss er ja die Polizei verständigen. Einer der Zeugen fordert ihn in dieser Situation auf : " Hau ihm doch eine rein !" Dem Anstacheln folgt Holger Bollmann aber nicht. Stattdessen spricht er mehrere, ebenfalls in der Nähe stehengebliebene Jugendliche an, sie mögen doch endlich die Polizei verständigen. Das tun sie auch. Die Zeit bis zum Eintreffen der Polizei kommt dem 48-Jährigen wie eine Ewigkeit vor. Da nun der Räuber ihm seine gesamte Lebensgeschichte beichtet. Er habe schon in der JVA gesessen und jede Menge Mist in seinem Leben gebaut. Und ja, er habe die Handtasche eben gerade geraubt. Was dann passiert, können selbst die Polizisten kaum fassen. Der Räuber holt selbst ein Handy aus der Tasche und ruft über Notruf die Polizei. Er sagt den Beamten, ob sie sich denn nicht ein wenig beeilen könnten. " Ich habe der Frau die Handtasche gestohlen. Bitte kommen Sie jetzt, ich laufe auch nicht weg ", erklärt er den Beamten in der Notrufzentrale. Kurze Zeit später klicken die Handschellen und die Tasche samt Personalausweis, Krankenkassenkarte und ein wenig Bargeld können die Beamten der 80-jährigen Frau zurückgeben.

Der 40-jährige Räuber wird von den Polizisten mit zur Vernehmung genommen. Den Kriminalisten ist der Ganove bereits hinlänglich bekannt. Über 20 Verfahren von Diebstahl, Beleidigung bis zur Körperverletzung stehen auf seinem Konto. Dennoch sieht die Staatsanwaltschaft vorerst keinen nötigen Grund für eine Untersuchungshaft.

Schon einmal bei Raub eingeschritten

Magdeburgs Leitender Kriminaldirektor Wolfgang Fritzlar dankt nun dem Magdeburger für seine Zivilcourage. " Ihm ist es zu verdanken, dass das Opfer seine Handtasche zurückerhalten hat und der Täter auf frischer Tat festgenommen werden konnte ", erklärte er. Dazu gehöre vor allem auch eine ganze Portion Mut.

Holger Bollmann erklärt, dass er immer wieder in solchen Situationen eingreifen würde. Es war übrigens auch nicht das erste Mal. In Burg habe er Mitte der 90 er Jahre schon einmal einen Handtaschenraub beobachtet und ist eingeschritten.

Damals flüchtete der Täter mit einem Fahrrad. " Ich habe ihn dann in einem Waldstück stellen können und noch viel länger auf die Polizei warten müssen. Da war mir dann doch etwas mulmig ", erinnert er sich.