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Eishockey : Fünf Jahre dauerte der Traum vom schnellen Spiel auf den Kufen an der Elbe an Puck- und Torejagd mit Strapsen am Elbestrand

Von Willi Olfert 13.03.2010, 04:49

Vom 7. bis 23. Mai ist Deutschland Gastgeber für die 16 besten Eishockeyteams der Welt, die ihren Weltmeister 2010 küren. Das Auftaktspiel bestreiten Deutschland und die USA am 7. Mai in der mit über 70 000 Zuschauern ausverkauften Veltins-Arena in Gelsenkirschen. Für Volksstimme-Mitarbeiter Willi Olfert Grund genug, einmal in den Analen zu wälzen und Eishockeyspuren in Magdeburg zu suchen. Dank der Hilfe vieler Zeitzeugen hat er diese Spuren im Eis gefunden.

Magdeburg. Wenn vom 7. bis 23. Mai 16 Nationalmannschaften in Deutschland den neuen Eishockey-Weltmeister küren, dann fiebern auch ehemalige, inzwischen ergraute Magdeburger Eispuckjäger am Fernseher mit. So unsicher wie der Ursprung dieser Sportart ist das Wissen von der Existenz einer Magdeburger Eishockey-Mannschaft.

Doch es gab sie wirklich in der BSG Motor Fermersleben. Die Augen von Helmut " Molke " Schick ( 77 Jahre ) und Klaus Mittelstedt ( 76 ), Mitglieder jenes Teams, strahlen, wenn sie von den Anfängen und der Hochzeit dieser Sportart in Magdeburg erzählen.

Willi Raasch und ein anderer Eishockey-Oberliga-Schiedsrichter hatten die Idee, auf den Tennisplätzen an der Harsdorfer Straße winters 1952 eine Spritzeisbahn zu installieren. Gemeinsam mit Helmut Krenz, der im Liebknechtwerk ( SKL ) beschäftigt war, scharten sie Hockeyspieler von Aufbau Börde als Winterausgleich, Fußund Handballeleven aus Barleben und Biederitz, einen Ottersleber Boxer, später Turner des SC Magdeburg, die in Klingenthal wie Gerhard Nickel Eishockey gespielt hatten und andere um sich. Krenz war Organisator, Trainer, Verbindungsmann zum SKL und " Drahtzieher " zu Motor Fermersleben.

Bevor 1953 die eisenharten Männer den Punktspielbetrieb aufnehmen konnten, ließ das SKL im Komplex Spielhagen- / Fröbelstraße, unweit des Postsportplatzes, eine Ackerfläche planieren. Es errichtete ein mit natürlichen Zuschauerwällen versehenes Eisstadion, welches von einer Holzbande umrundet war, durch 30 Lampen zu 30 000 Watt gut ausgeleuchtet wurde und nationalen Ansprüchen genügte. Im benachbarten Kindergarten zog man sich um.

Um die Eisfläche mit Spritzwasser wettkampffähig zu machen, " schoben " die Akteure bei Minusgraden so manche Nachtschicht, welche die Spielerfrauen und -freundinnen mit Glühwein und Tee zu lindern versuchten. Zur vom SKL spendierten sehr teuren Spielerausrüstung gehörten sogar Strapse für die Stutzen, jedoch seiner Zeit noch keine Helme mit Gesichtsschutz. So ist es verwunderlich, dass es bis auf eine Blessur an der Oberlippe, durch die der betroffene Spieler seine Zunge stecken konnte, zu keinen nennenswerten Verletzungen gekommen ist. Allerdings wurde ein erstmals eingesetzter Fermersleber Spieler bei einem Bodycheck unsanft über die Bande geschleudert, hinter der er klammheimlich für immer den Rückzug antrat.

Die anderen heimsten mit dem Bezirksmeistertitel und dem Aufstieg in die zweite DDR-Liga ihre höchsten sportlichen Meriten ein. Jupp Abrendt und Werner Hein hatten in einer eng zusammenhaltenden Truppe besonders große Anteile daran. Sportfotograf und Handball-Torwartlegende Hans Käpermann verfolgte viele ihrer Spiele und meint : " Sie waren zwar nicht die exzellenten Schlittschuhläufer, glichen das aber mit Spaß, Begeisterung und Kampfgeist aus. "

Allzu oft spielte Petrus nicht mit, so dass Training und Spiele im befreundeten Schierke stattfanden. " Wenn es auch dort Eisprobleme gab ", wie Schick und Mittelstedt schmunzelnd erwähnten, " ging es schnell mal zu einem Tänzchen ins Hotel König und auf Abruf mit einem immer größer werdenden " Anhang " zurück ins Skistadion. " Sogar die berühmte Berliner Werner-Seelenbinder-Halle

diente zu nächtlicher Zeit als Ausweich-Trainingsstätte.

Doch das waren alles nur Notlösungen.

Nachdem die Stadt das Gelände um das Magdeburger Eisstadion als Neubaugebiet deklariert hatte, bot sich auf der Fläche der ehemaligen OGEMA in der Wilhelm-Kobelt-Straße die Baumöglichkeit für ein Freiluft-Eisstadion. Die Kapazität des Kühlhauses neben dem Schlachthof erwies sich als ausreichend. Das SKL hatte mit der Stadt bereits Mannesmann-Kühlrohre erworben und die Errichtung des künftigen Eisparadieses schien beschlossene Sache. Urplötzlich ergab sich aus dem Eistraum aber ein Albtraum : Die Bauvorstellungen fanden keine Bestätigung, die wichtigen Kühlrohre den Weg nach Halle und die wackeren Magdeburger Eishockeyspieler ab 1957 keine Spielmöglichkeit mehr.