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Fußball Raus in die große, weite Welt

Der frühere Torwart Uli Schulze ist noch heute ein Idol vieler FCM-Fans. Seinen Wunsch, die große weite Welt zu sehen, hat er sich erfüllt.

Von Hans-Joachim Malli 02.07.2020, 01:01

Magdeburg l Eigentlich wollte der frühere FCM-Torwart und Europapokalheld Uli Schulze am vergangenen Sonntag in der MDCC-Arena gegen Groß-aspach den vorzeitigen Klassenerhalt der Blau-Weißen feiern. Daraus wurde aber bekanntlich nichts. Corona verhinderte den Stadionbesuch, zudem entführte der Dorfclub mit seinem 1:0-Sieg die drei Punkte. Uli Schulze, der langjährige Keeper aus besseren FCM-Zeiten und bis zum Lockdown Stammgast bei den Heimspielen, verfolgte so die bittere Niederlage der Magdeburger vor dem Fernseher im heimatlichen Thale. Trotz der sommerlichen Hitze mit seinem blau-weißen Fanschal um den Hals.

„Ich bin erschüttert. Die haben kein Niveau”, so die erste Reaktion des früheren Klassekeepers, der mit dem 1. FC Magdeburg drei DDR-Meistertitel und den Europapokalsieg 1974 holte. Diesen größten Erfolg des Clubs wollten die Protagonisten von damals traditionell am 8. Mai in Magdeburg feiern, doch Corona machte dem einen Strich durch die Rechnung. Das Treffen soll nun im September nachgeholt werden.

Dennoch hätten sich die Europapokalhelden von 1974 im Juni beinahe vollzählig versammelt, denn mit Jörg Ohm verstarb Ende Mai ein Mannschaftskamerad im Alter von 76 Jahren. „Wir wollten bei der Beisetzung dabei sein, ihm die letzte Ehre erweisen, doch seine Frau Heide wollte das wohl nicht. Schade. Immerhin war Jörg einer meiner besten Freunde. Allein in Blankenburg waren wir fünf Jahre zusammen, haben schon 1965 zu unserer Leipziger Zeit gemeinsam Skat gespielt”, so Schulze, der damals als Leichtathlet in die Messestadt ging und dort erst zum Torwart wurde.

In Halberstadt besuchte er zunächst die dortige Kinder- und Jugendsportschule, wurde als Zehnkämpfer ausgebildet und als 16-Jähriger zum SC Leipzig delegiert. „Dort wurde festgestellt, dass ich als Zehnkämpfer keine ausreichende Leistungsperspektive hätte, so kam ich zum Fußball“, beschreibt der Schwarzschopf seine nicht alltägliche Sportlerlaufbahn.

Das war dem gebürtigen Darlingeröder aber „wurscht“. Denn obwohl heimatverbunden, wollte er raus in die große, weite Welt. „Denn in einem kleinen Harzdörfchen gab es nur zwei Perspektiven, entweder Traktorist oder Bürgermeister. Vielleicht auch darum landeten so viele Harzer beim Fußball”, sieht Schulze eine Ursache für seine spätere Karriere und die der Sparwasser, Pommerenke oder Zapf, gegen den er schon als kleiner Junge kickte.

Sein erstes Spiel im Tor der Junioren des SC Leipzig bestritt Uli Schulze 1964 ausgerechnet gegen Stadtrivale Chemie, mit dessen Männern Jörg Ohm im gleichen Jahr überraschend DDR-Meister wurde. Später wurde er beim inzwischen gegründeten 1. FC Lok zur Nummer zwei hinter Horst Weigang, vertrat im Sommer 1966 den verletzten Nationalkeeper, der sich den Arm ausgekugelt hatte, in sechs Spielen im Intertoto-Cup.

Zu Beginn der Saison 1968/69 wechselte Schulze wie auch sein Kumpel Jörg Ohm aus Leipzig zum 1. FC Magdeburg. Am Zustandekommen beider Wechsel hatte Kapitän Manfred Zapf einen gehörigen Anteil. Beim FCM musste sich Schulze zunächst hinter Hans-Georg Moldenhauer einreihen, wurde später aber zur unumstrittenen Nummer eins, ehe er 1976 zurück in den Harz nach Blankenburg ging.

Schulze galt im FCM-Tor als ein Mann zwischen Genie und Wahnsinn und als „Verrückter“. In seiner Abschiedssaison in Magdeburg lief er im Heimspiel gegen Riesa zunächst in einem schachbrettartig gemusterten Torwart-Pulli auf, kassierte prompt das 0:1. Nach der Pause frisch gestylt in rotem Pulli und weißer Hose hielt er seinen Kasten sauber, der Club gewann dank der Treffer von Martin Hoffmann (3) sowie Jürgen Sparwasser und Joachim Streich noch mit 5:1. An sein einziges A-Länderspiel im Herbst 1974, ausgerechnet in Magdeburg, erinnert er sich dagegen nicht so gern. Das EM-Qualifikationsspiel gegen Island endete 1:1.

Nach Beendigung seiner aktiven Laufbahn wirkte Uli Schulze als Trainer verschiedenster Vereine, führte Stahl Thale in die DDR-Liga und war anderthalb Jahre bei Oberligist Aue tätig. Nach der Wende verschlug es den diplomierten Sportlehrer unter anderem nach Albanien und 2015 nach China zur U 17 des FC Guangdong. „Mein Trainerkollege aus DDR-Zeiten, Heinz Werner, hatte das vermittelt. Heinz war übrigens der erste deutsche Fußballtrainer in China, noch weit vor Klaus Schlappner“, so Schulze zu seinem Intermezzo im Reich der Mitte.

Auch aktuell kann er noch nicht vom Fußball lassen, ist für die Schanzer Fußballschule aus Ingolstadt unterwegs und seit kurzem Torwarttrainer beim SV Westerhausen. Ans Kürzertreten denkt er noch lange nicht.