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Leichtathletik Neustart zur EM

Mit Jule Steuer und Jaqueline Gippner hat der SC Magdeburg zwei Nachwuchs-Kugelstoßerinnen mit Ambitionen auf einen internationalen Start.

Von Daniel Hübner 24.04.2019, 01:01

Magdeburg l Manchmal möchte Jule Steuer einfach „stinkig“ sein, sich ärgern, weil die Farben in dem Bild, das sie in Gedanken gemalt hat, plötzlich verschwimmen. Weil zuweilen der zu hohe Anspruch an sich selbst und die Wirklichkeit nicht zum gleichen Ziel führen. Und wenn das dann einmal so ist, dann tritt ihr Trainer Philip van Dijk erst recht in Erscheinung: „Manchmal provoziert er mich, wenn ich richtig bockig bin“, erklärt Steuer. Und dann lächelt sie wieder, sagt der Coach und ergänzt: „Wir verstehen uns gut, wir sind auf einer Wellenlänge.“ Das ist die Basis für Steuers Neustart.

Wenn das nämlich nicht so wäre, würde Steuer vom SCM wohl gar keine Kugel mehr stoßen, sie hätte kein sportliches Ziel mehr. „Ich war kurz davor, aufzuhören“, bestätigt sie. Nach einem schwierigen Jahr 2018, in dem ihr krankheitsbedingte, vor allem aber familiäre Rückschläge komplett alles genommen hatten, was sie für die Aktion im Ring benötigt. Vor allem den Ehrgeiz. Dabei „ist Ehrgeiz eine ihrer Stärken“, sagt van Dijk. Neben der Technik, die sie sich noch unter Vorgänger Klaus Schneider angeeignet hat.

Vier Monate ruhte Steuers Kugel im Schrank, nachdem sie im März vergangenen Jahres ihren letzten ernsthaften Wettbewerb bestritten hatte. Erst Ende September tasteten sich Trainer und Athletin langsam wieder heran. „Wir haben vor allem viel miteinander gesprochen und viel allein trainiert“, berichtet van Dijk. Es waren aber nicht nur die Automatismen, die sie mit der Kugel wiederfinden musste, sie musste auch wieder an Kraft und vor allem an Masse zulegen. „Ich hatte acht Kilo während meiner Pause verloren, an mir war nichts mehr dran“, sagt Steuer. „Jetzt isst sie wieder regelmäßig. Und seit Anfang des Jahres hat sie auch wieder Spaß am Training“, betont van Dijk.

Und eine ehrgeizige Partnerin in den Einheiten außerdem: Mit Jaqueline Gippner leitet van Dijk eine 16-Jährige an, die ebenso Ambitionen auf einen internationalen Start hat wie Steuer. Und die wie Steuer mit einer Hallen-Bestleistung in die Freiluft-Saison startet.

Den Plan von der Drehstoßtechnik, an dem der 25-jährige Coach und Steuer einst gefeilt hatten, haben sie vorerst zu den Akten gelegt. Steuer gleitet wie Gippner also an. „Ich habe das hier erst gelernt“, sagt Gippner, die vor zwei Jahren von Rathenow zum SCM als Drehstoßerin gewechselt ist. „Sie ist sehr talentiert und hat in diesem Jahr positiv überrascht“, lobt der Trainer. Mit 16,77 Metern mit der Drei-Kilo-Kugel nämlich, was sie auf Platz zwei der U-18-Rangliste des DLV führte.

Gippner, wie Steuer 1,75 Meter groß, will in diesem Jahr gerne auf „17 Meter und mehr“ kommen und zum Europäischen Olympischen Jugendfestival (EYOF) nach Baku (Aserbaidschan) fahren, für den es allerdings nur einen Startplatz gibt. In der Halle hatte sie sich mit der Hallenserin Sina Prüfer einen offenen Schlagabtausch geliefert. „Wenn es so weiterläuft wie bisher, stehen meine Chancen auch gut“, sagt sie.

In der Freiluft-Saison entscheidet sich der Kampf ums EYOF-und JEM-Ticket Ende Juni in Mannheim. „Wenn sie das schafft, wäre es natürlich super. Aber das Hauptziel“, sagt ihr Trainer, „ist in diesem Jahr, dass sie die Schule erfolgreich beendet.“ Abschluss der zehnten Klasse also. Sportlich gibt es bei Jaqueline Gippner „drei grundlegende Dinge, die man ausbauen kann“: Kraft, Schnelligkeit und Sprung.

Jule Steuer ist mit 15,32 Metern erfolgreich ins U-20-Jahr gestartet. Und zwar mit der Vier-Kilo-Kugel. „Damit könnte ich eigentlich zufrieden sein“, sagt sie. „Aber ich weiß auch, dass ich schon weiter sein könnte.“ Sie will bei der Junioren-Europameisterschaft in Borás (Schweden) am dritten Juli-Wochenende antreten – als eine von drei Starterinnen des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV). „Wenn ich dann ins Finale komme, habe ich schon viel erreicht“, blickt Steuer voraus. Und wenn sie zudem 16 bis 16,50 Meter erzielt, hat ihr Gedankenbild auch in der Wirklichkeit konkrete Farbkonturen angenommen.