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Fußball Kleine Körner sorgen für große Diskussion

Von Letzlingen bis Seehausen sind fünf Vereine vom geplanten Verbot von Gummigranulat auf Kunstrasenplätzen betroffen.

Von Marco Heide 25.07.2019, 05:00

Salzwedel l Nach jahrelangem Kampf um das Ende von wetterbedingten Spielausfällen dreht sich die Spirale für die Fußballklubs zurück. Die Kunstrasenplätze im gesamtem EU-Raum sollen per Gesetz bis zum Jahr 2022 granulatfrei sein. Auch Sachsen-Anhalts Ministerium für Inneres und Sport hat bereits reagiert. „Vor diesem Hintergrund werden gegenwärtig neue Anträge auf Förderung von Kunstrasenplätzen mit Gummigranulat nicht mehr bewilligt“, teilte Ministeriumssprecher Danilo Weiser mit.

Aktuell existieren in der Altmark in Letzlingen, Stendal (2), Osterburg und Seehausen große Kunstrasenplätze. Im Salzwedeler Stadion befindet sich ein kleiner Platz. Darüber hinaus verfügen viele Schulen über Granulat-Kunstrasenplätze.

Für die betroffenen Vereine stellt die Meldung aus Brüssel nicht nur ein großes Ärgernis dar. Die Frage nach der Zukunft der Heimspielstätten stellt sich für alle betroffenen Klubs aus der Altmark.

Auf die Klubs kommen mit dem neuen Entschluss sowohl organisatorische als auch finanzielle Herausforderungen zu. Vorstandsvorsitzender Uwe Pape, Vorsitzender von Landesklassist Heide Letzlingen, reagiert mit Unverständnis: „Es gibt so viel wichtigere Probleme, die von der EU gelöst werden müssen. Sie können nicht einfach ohne wissenschaftliche Argumente das Granulat auf Kunstrasenplätzen verbieten. Wir sind immer offen und kooperativ, wenn es um Verbesserung beim Material geht. Aber irgendwann ist eine Grenze erreicht. Vor zehn Jahren wurden uns die aus Granulat bestehenden Kunstrasenflächen als bestes und beständigstes Material angepriesen. Und nun soll das alles wieder weg? Das kann ich mir nicht vorstellen.“

Uwe Pape sieht Heide Letzlingen vor Problemen stehen, wenn der Kunstrasenplatz ab 2022 nicht mehr nutzbar ist.„Wir haben neben dem Kunstrasen nur noch einen Rasenplatz. Der müsste für sämtliche Jugendmannschaften und die Herren genutzt werden. Bei einem Platz müssten wir sämtliche Trainings- und Spielzeiten verändern“, erklärt der Vereinschef. „Der Rasen ist in einem guten Zustand, weil er sich in den letzten zehn Jahren, seitdem wir den Kunstrasen bespielen, erholen konnte. Wenn wir jetzt mit allen Jugend- und Herrenteams darauf trainieren, ist der Platz kaputt und die Wettbewerbsnachteile für all unsere Teams wären enorm. Und in einer kleinen Halle zwei gegen zwei im Sommer zu spielen, würde nicht funktionieren“, ist sich Pape sicher.

Bei Heide Letzlingen hat noch kein Spieler bemerkt, dass das Granulat schädlich ist. Bislang habe es laut Pape weder Beschwerden nach Verletzungen noch allergische Reaktionen gegeben. „Bei uns hat sich noch kein Spieler beschwert. Ich weiß noch, wie es war, als ich auf Ascheplätzen spielen musste. Davon trage ich heute noch gezeichnete Stellen“, erinnert sich Pape und fügt hinzu: „Auf dieses Niveau sollten wir beim Belag nicht mehr zurückgehen. Das wäre ein Rückschritt und wesentlich ungesünder und gefährlicher für die Spieler.“

Aus finanzieller Sicht wäre der Spagat vom granulatbehafteten, zum granulatfreien Kunstrasenplatz enorm, so Pape: „Ohne finanzielle Unterstützung könnten wir einen neuen Platz nicht stemmen. Dann könnten wir auch die Flutlichtanlage auf dem Gelände wegwerfen. Es müsste alles neu umgestaltet werden“, skizziert Pape aus seiner Sicht den finanziellen Schaden, der durch dieses Gesetz droht. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die EU einen so mächtigen Verband wie den DFB dazu auffordert, 5000 Plätze in ganz Deutschland zu erneuern. Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen“, ist sich der Vereinsvorsitzende sicher.

Die Vorsitzende vom SV Eintracht Salzwedel, dem größten Sportverein im Altmarkkreis, Kathrin Pfannenschmidt, ist verwundert über die Diskussion und ist zeitgleich erleichtert: „Wir hatten tatsächlich angedacht, einen Kunstrasenplatz zu bauen. Die finanziellen Förderer, um den Bau zu stemmen, hatten wir allerdings nicht ins Boot holen können.“ Allerdings befindet sich im Stadion der Kreisstadt ein kleiner Kunstrasenplatz. Laut Andreas Köhler, verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit der Stadt, warte die Stadt zunächst ab, ob es eine Verlängerung der Übergangszeit gebe und wie die Vorgaben vom Gesetzgeber genau umzusetzen seien.

„Unterm Strich ist das der größte Schwachsinn aller Zeiten, weil es uns kleine Vereine an der Basis hart trifft. Letztendlich müssen alle darauf reagieren, um größeren Schaden abzuwenden“, erklärt Rico Goroncy, Vorsitzender des Post SV Stendal. „Auch wenn ich mich damit nicht im Detail auskenne, wage ich zu bezweifeln, dass die Abschaffung der Gummigranulate auf Kunstrasenplätzen einen nennenswerten Beitrag zum Klimaschutz leisten“, schätzt Goroncy ein.

Sollte das Gesetz kommen, hofft Goroncy auf finanzielle Unterstützung bei der Umrüstung der Plätze. Der Post-Vorsitzende hofft, wenn das Verbot definitiv kommt, auf vernünftige Übergangsregelungen. So könne er sich vorstellen, dass das Granulatverbot nur für Neubauten gelte.

„Angst und bange ist uns noch nicht. Existenziell ist es eine Bedrohung, aber ich denke, dass wir genug Zeit haben werden, um darauf zu reagieren. Es bringt ja nichts, wenn wir jetzt in Panik verfallen“, meint Rico Goroncy und fügt hinzu: „Wenn man weiß, dass es so kommt, sollte man langfristig in die Planung gehen und die Zeit nutzen, um eine adäquate Lösung zu finden.“

„Ich war erschrocken, als ich von dieser neuen EU-Verordnung gehört habe“, sagt Lok Stendals Manager Guido Klautzsch und erklärt, dass der Verlust des Kunstrasenplatzes für den Verein fatale Folgen hätte. Vor allem in der Zeit von Herbst bis Frühling, wenn die Rasenplätze nicht bespielbar sind, sei der Kunstrasen für das Training der Jugend und Männer existentiell wichtig, da der Platz, außer er ist vereist, bei feuchtem Wetter nutzbar ist. Diese Eigenschaft sei auch ein Grund gewesen, warum der Verein, die Stadt und Fördermittelgeber so viel Geld in die Anlage investiert haben.

„Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass kein Kunstrasenplatz abgeschafft wird. Ich denke, dass die Vereine eine Übergangsfrist erhalten und das Gummigranulat gegen ein anderes Material mit gleicher Qualität austauschen können“, blickt Klautzsch voraus. Dass Kinder und Jugendliche, wie zu DDR-Zeiten auf Asche- oder Schlackeplätzen trainieren, wenn der Rasen aufgeweicht ist, wolle sicher niemand, ist sich Guido Klautzsch sicher. Am Kunstrasen führe als Schlechtwettervariante kein Weg vorbei, unterstreicht der Lok-Manager.

„Wenn wir Trainings- und Spielbetrieb von unserem Kunstrasen komplett auf den Rasenplatz verlegen müssten, sehe ich schwarz. Das würde der Rasen gar nicht aushalten“, erklärt Thomas Weingart, Vorsitzender der Kickers Seehausen. „Ich finde auch, dass das Thema vom falschen Ende aus aufgerollt wird. Mit solchen Richtlinien sollte man nicht den Nutzer bestrafen, sondern sich eher an den Hersteller wenden und dort eine Lösung suchen“, meint Weingart.

Aber erstmal warten der Seehäuser Vereinsvorsitzende und seine Mitstreiter ab, wie und wann diese Regelung konkret umgesetzt wird. Vielleicht gebe es für alte Plätze einen Bestandsschutz, hofft Seehausen Vereinschef Thomas Weingart.